170
führende Strnße zu erreichen, wohin dann der Rück
zug des Corps ebenfalls angetreten werden füllte.
Das war die Sachlage, wie sie sich aus den
Mittheilungen des Premierlentenants N. sowie
aus eignen Erwägungen darstellte.
Als Führer des ersten Zuges war jetzt mein
Platz an der Spitze der Batterie. Alles, was
voll der Richtung von -Fulda kam, mußte dort
vorbei. Allmählich fanden sich sämmtliche Offi
ziere der Batterie dort ein, und wenn jemand
auf der Straße herankam, von dem man einiges
Verständniß der Verhältnisse erwarten konnte,
wurde er gestellt, uitb wir fragten ihn aus.
Es mochte 9 Uhr vorüber fein, als der Pre
mierlieutenant Prinz Karl von Hanau, der
vierte Sohn des Kurfürsten, angesprengt kam.
Dieser, der beim Leibgarderegiment stand, aber
zur Dienstleistung beim Generalstabe kommandirt
war, meldete unserem Hauptmann, er sei beauf
tragt, die Batterie in eine für sie ausgewählte
Stellung zll führen.
Sofort erfolgte da8 Kommando: „An die
Pferde! Aufgesessen!" und gleich darauf das
weitere: „Lunten an!" Das war ein aus der
Zeit, wo die Kanonen »tud» mit Lunten abgefeuert
wurden, überkommenes, aber bei uns noch übliches
Kommando zum Schnßfertigmachen des Geschützes,
d. h. dieses wurde in einen Zustand gebracht, der
erlaubte, es, wenn nöthig, sofort laden und ab
feuern zu können, wozu ja in früherer Zeit auch
das Anzünden der Lunten gehörte. Dies fiel
natürlich jetzt fort, und auf das erwähnte Kom
mando geschah dasselbe, was ans das sinn
gemäßere „Umgehungen" der preußischen Vor
schrift ausgeführt Unrb, d. h. die Znbehörstücke,
die beim Scharfschießen entfernt werden müssen,
wie Mundpfrvpf w., werben abgeschnallt, und die
zur Bedienung des Geschützes erforderlichen Ge-
räthfchaften ans der Protze entnommen und „Hin
gehangen". Außerdem bestimmten nufere Vor
schriften noch, daß ans dieses Kommaudo die
beiden Kartnschtorniller für die Rrn. 2 und 6
mit je drei Schieß gefüllt werden.
Alan samt sich demnach wohl denken, daß das
Kommando „Lunten an!" oder „Umgehangen!",
wenn es zum ersten Mal im Ernstfälle ertönt, auf
jeden Artilleristen einen tiefen Eindruck machen
muß. Sagt es ihm doch, daß jetzt der Augeiiblick
nahe ist, wo er das bethätigen soll, was er der
einst bei seinem Eintritt in's Heer feierlich be
schworen hat, der Augenblick, wo er die gelobte
Treue nvthigenfalls mit seinem Blut und Leben
besiegeln soll. Einen Augenblick standen die Leute
auf das Kommando „Lunten an!" starr, dann
aber sprangen sie lebhaft an die Geschütze, und
niemals auf dem Exerzier- oder Schießplatz ist
das Kommando so stink ausgeführt worden, als
an jenem Alvrgen des 18. Juni am Süd-
ausgange des Dorfes Rückers.
Die Stellung, die der Generalstab für die
Batterie ausgesucht hatte, lag am Bergabhang
am rechten User der Hanna. Unr dahin zu ge
langen , mußten wir durch das Dorf zurückgehe»:
und de»» Bach durchfurten. In der Dorfstraße
hielt der General von Schenk mit einigen Ofsi-
zieren seines Stabes. Wir alle hatten natürlich
den Säbel in der Seheide, dafür aber Cigarre
oder Pfeife in» Munde. Als der Hauptina»»»»
des Generals ansichtig rvurde, steckte er feine
Pfeife fort und ko»;l)»»andirte „Achtung!" als
Zeichen für die Mannschaft, Tritt z»l nehmen und,
für die Offiziere, den Säbel zu ziehen.
„Bitte, Herr Hanptmann! Lassen Sie Ihre
Pfeife nicht ailsgehei», »»»eine Herren, mtb den Säbel
stecken. Ich »vciß, daß Sie ihn scho»» zur rechten
Zeit ziehen werden, wenn der Augenblick gek'vm-
»nen ist", rief uns der General zu.
Am rechten Ufer des Baches »nnßten »vir eine»»
ziennlich steilen Weg ersteigen. Etwa auf halber
Höhe des Bergabhangs hatte die Statur eine fast
»ungerechte Terrasse gebildet, die bei einer Länge
von etwa 000 Schritt wohl 100 breit »var, also
reichliche»» Raun» für die Ausstellung einer Bat
terie voll vier Geschützen bot. Rach Süden zu
siel sie steil in's Thal ab, und hier »var an ihren»
Rande von Menschenhänden ein et»va zlvei Fuß
hoher Wall, eine förmliche Brustwehr aufgeworfen,
ans deren Krone eine dichte, aber »lieht decke Hecke
rvnchs. A»»s dieser Terrasse marschirten »vir auf
und protzte»» ab. (Fortsetzung felgt.)
•<4-
Die Selöstgcfertigten.
Ein harmloses Geschichtchen aus den fünfziger Jahren von Jeannette Brau»er.
(ScMufj.)
Jfi» den erste»» Bäumen der Allee stallden die
^ Freu »»de schon wartend. Rach herzlicher Be
grüßung und viele» Entschnldignngei» beluden
sich der Referendar »mb die Gymnasiasten zunächst
mit den Körbchen mtb Unihängen der Damen.
Durch die Stadt ließen die jltngei» Herr»» den Ballast
lieber voi» den Müttern, Schlvestern n. s. w. selbst
tragen und stellten sich, als ob sie jene Lasten gar