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Deshalb flüsterte sie der Nichte bei 'Verrichtung
des TheetlfcheS zu: „Wie Du versprochen hast,
Maus, sei stark und bezwinge Dick.
Bei- Tisch aber brach sich all gern ach ganz von
selbst eine gemüthliche Stimmung Bahn, mau
vermied verfängliche Themata, kam auf die all
gemeinen Tagessragen, und so ging alles mach
Wunsch. Väterchen ließ, sich durch Lottchen seine
Pfeife herüber holen und fing nach Tisch an zu
gualmen. Und daun roch es bald gemüthlich,
und es war auch gemüthlich.
Als die kleine Lotte früher als die Erwachsenen
nach oben zu Bett ging, von ihrer Schwester be
gleitet ruck bis zum Einschlafen bewacht fein
wollte, that ihr Luise gutmüthig beit Willen.
Und diese Abwesenheit des jungen Mädchens be
nutzend, ging die treue Tante muthig auf den
Familien-Brennpunkt. aus Nichtchens Liebe und
Herzeleid, über.
Daß ihre Schwägerin vor Schrecken ob dieser
Kühnheit erbleichte, daß der Bruder sogleich
grimmig drein schaute, daß sie selbst vor Herz
klopfen kaum, reden konnte, das alles durfte sie
nicht zurückhalten, getreu der übernommenen
Pflicht im Interesse der Liebenden zu reden und
zu streiten, da sie es jetzt au der Zeit und auch
sonst für Geschwisterpflicht hielt.
Und sie sprach mit Wärme, die brave Tante,
anfangs leise und zaghast, dann aber crescendo
und gewandt, sicher und gut. Sie verschwieg
nichts von dem, was ihr sonst so stilles Jungfern-
Stübchen heute von Meuschenglück und Herzeleid,
von treuer Liebe und menschlichen Kabalen ge
hört hatte, sie sprach mit dem Herzen und hoffte
zum Herzen zu dringen. Sie schüttelte den
Kopf, wenn der Rechtsanwalt sie unterbrechen
wollte und fuhr fort:
„Es ist etwas Großes, Heiliges, solch' eine treue
Liebe, wie ich sie heute geschaut habe, und ich
werde nicht davor zurückschrecken, für die jungen
Leute meine geringe Kraft voll und ganz ein
zusetzen. Vor allen Dingen siehe ich Euch, die
Eltern, besonders Dich, Konrad, an, erweiche Deinen
harten Sinn und, wenn Du auch jetzt noch nicht
Ja und Amen über Deine Zunge bringen
kannst, so schau in's Auge Deines Kindes und
bezwinge Dich, sei milder und lerne freundlicher
über den jungen Ritter denken.
Ich mochte so gern verhüten, daß die Nichte
das gleiche schmerzliche Schicksal tragen müßte,
wie es einst der Tante das Leben verbittert und
versalzen hat, und deschalb —"
„Und deshalb", fuhr der Rechtsanwalt fort,
nachdem er schon vergeblich versucht das Wort
zu ergreifen, nachdem er längst aufgesprungen und
die. Pfeife hastig sortgestellt, die Stirn gerunzplt
und; ärgerliche dem-Kopf geschüttel-t-hatte germt
sich die liebe Schwester gar Nicht, dem Bruder
zuzumnthen, mit Leuten solch'; geringen Bildungs
grades, solch' plebejischer Gesinnung, wie dieser
dunkle Biedermann, der.Her« Ritter.senior, itusê
u. s. : w. sind v in ein Verwandtschaftsverhälknjß
zu treten und Arm in Arm mit dem lächelnden
Schwiegerpapa seiner glücklichen Tochter die
Straßen der Stadt zu 1 durchwandern und sich
zum Gespött der Leute zu, machen."
„Aber Konrad", warf Frau Franziska ein,
„Du trügst stark aus! Was brauchten wir viel
mit den alten Ritters zu verkehren, da die
Kinder doch nicht am Orte und . Römers —
Römers, und Ritters — Ritters bleiben. Drum
laß heute die Sache auf sich beruhen, lieber
Manu! Sei gut, Alter!" -
„Na, nu, Mutter, — auch Du, im Komplott?"
fragte Römer spitz. „Du meinst, ich brauchte
nur zu nicken und daun wäre die Sache gemacht.
Was bist Du so irre. Ritter's Gesellschaft ist
nicht unsere, das ist richtig. Aber wie ich den
Kerl kenne, wird er sich an meine Rockschöße
ketten, und wo-ich mich sehen lasse, werde ich
sein dünkelhast-malitiöses Lächeln zu kosten haben.
Und Du, Frau? Willst Du Frau Ritter-
Mutter zu Deinem Thee- und Kaffeeklatschen
laden? Du schüttelst? — Ja aber, Franzel, eine so
nahe Verwandte? — Sie muß geladen werden, denn
Dein zukünftiges Enkelchen wird auch ihr Enkelchen
sein ; Ihr habt ja dann so viele gemeinsame Grund
töne, und deshalb gebührt der dicken, fetten, lauten
Person sogar ein Ehrenplatz, zwischen der Frau
Amtsgerichtsrath und der FraN Oberförster viel
leicht! — Macht mich nicht toll, die Sache ist
nicht auszudenken, viel weniger auszuführen.
Der junge Ritter mag ja wirklich ein netter
Kerl sein und meine Tochter auch lieb haben.
Aber in meinen Angen machen ihn seine lieben
Eltern unmöglich, und damit basta!"
„Nun bist Du wohl schon fertig, Konrad?"
fragte das alte Fräulein. „Willst Du nicht auch
erwägen, wie Dein eigen Fleisch und Blut, wie
Luise, die nicht von ihrem Heimlichverlobten lassen
kann, durch Dein Nein getroffen wird? Hast
Du gar keine Sorge, daß das Mädchen daran
zu Grunde gehen könnte? Ich versichere Dich,
Herr Bruder, die Sache sitzt bei Beiden und ganz
besonders bei Deinem Kinde sehr, sehr tief."
„Ah bah, liebe Schwester, ich bin nicht bange!
Am gebrochenen Herzen sterben, ist keine Mode
mehr. Ueberdies müßte die Disharmonie zwischen
den beiderseitigen Alten sehr bald auch ihre
Rückwirkung aus die junge Ehe ausüben und