78
Bruder Kusevrus.
Novelle vvil E
Mo» einem grünen Kranz bewaldeter, mit
(Zw Kirchen oder Klöstern gekrönter Berge nm-
geben, breitet sich Fulda, die alte Bonifatius-
stadt, am Flusse gleichen Namens aus, der sich,
wie vielfach geschlungenes Silberbaud, durch üppige
Wieseumatten hinzieht. Am Horizont ragt, trutzigen
Wächtern gleich, die „Hohe Rhön", das mächtige
Riesengrab der Milseburg, die malerische Stein-
wand, der liebliche Bieberstein, und in nebelhafter
Ferne der Kreuzberg mit seinen weltfremden, doch
allzeit gastlichen Klostermauern.
Vor dem Paulusthore erhebt sich der Frauen
berg, der ursprünglich Bischofsberg genannt wurde.
Als Bonifatius den Klosterbau zu Fulda leitete,
baute er sich hier eine Hütte, daneben ein Kapelle.
Abt Ratgar gründete später hier eine der heiligen
Maria geweihte Kirche, von der der Berg den
neuen Namen erhielt sowie ein Chorherrenstift,
und endlich überließ man die Gebäude den
1620 nach Fulda berufenen Franziskanern,
welche noch heute Herren des Klosters sind
und von ihren engen Zellenfenstern einen köst
lichen Rundblick genießen über Stadt und Thal.
Zahlreiche Thürine und Thürmchen grüßen zu
ihnen empor. Eine Kastanienallee führt zum
Franziskanerkloster hinauf, welches von einem
wvhlgepflegteu Garten und von haushoher Mauer
umgeben ist. —
In der fast überreich mit Bildern und
Schnitzereien geschmückten Klosterkirche herrscht
schon tiefe Dämmerung, nur ein Sonnenstrahl,
der sich durch die bunten Bogenfenster stiehlt, be
leuchtet gespenstig eine am Kreuz hängende lebens
große Holzfigur im Kleid des heiligen Franziskus,
und das ewige Licht taucht das zarte Antlitz der
auf Wolken thronenden Gottesmutter in rosige
Glut. Kein Laut in dem weiten, schlummer-
müden Raume, nur zuweilen hallt aus der Ferne
der schwere, schlürfende Tritt des Bruder Pförtners.
Doch jetzt? — Welch Stöhnen, welch Aechzen
wie ans wunder Brust von den Stufen des Hoch
altars? Da liegt ein junges Menschenkind, die
Arme ausgestreckt in Kreuzesform, auf den Stein-
fliesen, die geschmeidigen Glieder eingehüllt in die
braune, härene Kutte der Ordensbrüder, den
schlanken Leib mit dem weißen Strick umgürtet,
bewegungslos — starr. Eusebius, der jüngste
der Patres ist es, der hier schon stundenlang
ringt, der vergebens zur heiligen Maria fleht,
die mild und sanft auf den Sünder blickt, auf den
ohnmächtigen Kampf gegen die sündige Liebe, die
mma Braun.
mit elementarer Gewalt ein Herz überfluthet, das
doch nur Raum haben darf für die Gebenedeiete
Gottes. — Er ist ein Verworfener; Todsünde
brennt auf seiner Seele, denn ihni, dem Geweiheten
des Herrn, der entsagt hat der Welt und ihrer
Lust, ihm folgt bei Tag und Nacht, aus einsamer
Zelle zu den Stufen des Altars eine lockende Ge
stalt. Aus dem Flüstern des Gebets schallt ein
süßer Name, ein melodisches Lachen ertönt aus
Orgelton und Chorgesang, und als er jetzt jäh
lings emporschreckt, die Zähne tief in die blutenden
Lippen vergraben, die Hände auf das wildzuckende
Herz gedrückt, verzweifelnd zur Madonna fleht,
blickt ihn die Königin des Himmels an mit den
dunklen, glückverheißenden Augen der Geliebten. —
* . *
Jüngst, an eineni heißen Sommertage war's,
da schritt Eusebius in ernste Betrachtungen ver
sunken dem nahen Calvarienberge zu. Der Weg
dahin führt an Stationen vorüber, krassen Holz
schnitzereien in noch krasserer Farbenpracht, Scenen
aus der Leidensgeschichte des Herrn darstellend,
und mündet auf Golgatha, wo die steinernen
Leiber der Gekreuzigten sich klar abheben auf dem
tiefen Grün der Bäume. Ringsum blüht und
keimt es auf der Stätte des Todes. Epheu
windet seine Arme sehnend um den Stamm des
Kreuzes, und die Kletterrose küßt die Wunden
male des Erlösers.
Ueberall war Leben und Weben in der Natur.
Die Blumen im leuchtenden Hvchzeitskleide kosten,
vom Dufte ihrer Blüthendolden umflossen, aus
den Sträuchen klang's wie Liebesgeflüster, und
drunten am Hain schmetterte die Lerche ihr seligstes
Minnelied.
Auch der junge Mönch erlag dem Zauberbanne,
er ließ sich nieder auf einer Mvvsbnnk, schloß die
Augen und glitt sanft hinüber in das Land des
Traumes. — Er war in der Fliederlaube eines
Gartens, sah eine lichte Gestalt, fühlte warmen
Odem seine Stirne umwehen und leise flüsterten
seine Lippen: Margaretha! — Furchtlos hüpften
die Vöglein heran und besahen neugierig den
müden Schläfer, zwei bunte Schmetterlinge jagten
herüber und hinüber, aus dem Blätternetz der
Bäume stahl sich ein Sonnenstrahl, und jeder
Luftzug streute einen Blüthenregen auf den
Träumer. Da rauschte es in denr Gezweig, ein
flüchtiger Fuß eilte über den Rasen, und ein junges
Mädchen stieg die Steinstufen empor, welche zu