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Kesfische Wüclievschcru.
Heinrich Künzel's Großherzogtum Hessen.
Zweite Auslage, von Prof. Friedrich Soldán
Gießen bei E Roth, 1893. (XIII, 786 S.,
gr. 8.) Geheftet 8 Mk.; eleg. Leinenb. 10 Mk.;
Hochs. Juchtenb. 12 Alk.
Borstehendes Werk*) ist eine sorgfältige Neu
bearbeitung der 1856 erschienenen Künzel'schen ..Ge
schichte von Hessen". Wie Künzel, will auch Soldán
nicht eine streng zusammenhängende systematische
Darstellung liefern, sondern eine Sammlung von ein
zelnen Bildern aus Vergangenheit unb Gegenwart
geben. Vornehmlich die eigentlichen historischen
Teile sind völlig umgearbeitet worden; aber guch
bei den anderen Teilen hat Soldán die neuere
Litteratur berücksichtigt, ohne indessen Vollständig
keit nach allen Seiten hin anzustreben.
Das Werk ist eingeteilt in sieben Bücher: Das
erste enthält Geschichts- und Kulturbilder aus
der Feder älterer und neuerer Autoreu. Hierbei
hätte sich jedenfalls eine Berücksichtigung von
Duncker's „Geschichte der Chatten" empfohlen,
deren wichtigste Teile im Auszuge Hütten gebracht
werden können. Statt der Abhandlung K. Sell's
über die heilige Elisabeth, welche Abhandlung „„das
Interesse zu erfahren, was denn die strenge
kritische Geschichtsforschung über dies
Heiligenbild zu sagen hat'" keineswegs befriedige!:
kann, hätten wir eine Mitteilung der Forschungen
von H. Mielke, G. Börner, oder K. Wenck
entschieden vorgezogen. Als Inhalt des Kapitels:
„Goethe in Gießen", das nichts weiter als den
allbekannten Abschnitt aus Dichtung und Wahrheit
enthält, wäre eine Mitteilung aus W. Herbst,
Goethe in Wetzlar, von ungleich größerem Inter
esse gewesen; gerade diese Gießener Episode finden
wir von letzterem Forscher sehr anziehend in einem
besonderen Abschnitt dargestellt. Das zweite
Buch behandelt die Geschichte Hessens aus dem
Munde der Dichter. Aus diesem Teile hätte wohl
der eine oder andere poetische Erguß ohne Schaden
für das Ganze gestrichen werden können. Das
dritte Buch bringt Proben der Mundarten des
Großherzogtums Neben manchem Abgeschmackte!:
und Platten finden wir reizende Blüten echter
Volkspoesie in den drei Provinzen. Für Ober
hessen möchten wir Weigand, für Startenburg
Schafsnit, für Rheinhessen aber Lenuig die
Palme zusprechen. Das vierte Buch bringt eine
große Anzahl hessischer Sagen und Schwänke.
Hier wären die unechten, fabrikmäßigen Sagen von
*) S. Jahrgang 1892, S. 304.
W. v. Cleberg (H. Künzel), die sich neben denen
Bindewald's gar übel ausnehmen, am besten
weggeblieben. Auch hätte eine Anmerkung, wie
die folgende über die Burg Ulrichstein nicht in
die neue Auslage übernommen werden dürfen:
„„Die von Ulrich Mull erbaute Burg hat noch
lange nach dem Erlöschen se'nes Geschlechts ge
standen und mehrere Belagerungen ausgehalten.
Im 15. Jahrhundert ernährten sich ihre Be
wohner, wie ein großer Teil des niederen Adels
von Straßenraub. Deshalb (?) zerstörte sie der
Landgraf Heinrich I. von Hessen (1269—1308).""
Das fünfte Buch bringt hessische Volkslieder
aus Oberhessen und Starkenburg, von denen jedoch
viele nicht ausschließlich heimische sind. Das
sechste Buch enthält sehr wertvolle Mitteilungen
über Industrie und Gewerbe im Großherzogtum
aus der Feder des (leider vor kurzem verstorbenen)
Regierungsrates Dr. Edm. Hesse, sowie sorg
fältig dargestellte topographische, geologische und
statistische Übersichten von Oberbergrat Th. Tecklen
burg. Das siebente Buch bietet in sechs Ab
schnitte!: eine im ganzer: zuverlässige Geschichte
Hessens in Übersichten.
Das Werk, das Sr. Königl. Hoheit dem Groß
herzog vor: Hessen und bei Rhein gewidmet und
mit dessen wohlgelungenem Bild geziert ist, er
scheint in erster Linie berufen, das hessische
Stammesbewußtsein zu pflegen. Es zeichnet sich
(bei relativ geringem Preise) durch treffliche Aus
stattung auf das vorteilhafteste aus.
Laubach. Dr. A. U.
Kunst historischer Bilder - Kalender für
das Großherzogthum Hessen, bearbeitet
von G. Schaeser, Gießen (Emil Roth).
I. Jahrgang 1896. Schmal Folio-Form. in
Farben-, Ton- und Golddruck. Preis 1 Mk.
Zur besonderen Freude gereicht es uns, unsere
Leser hier auf eine neue Erscheinung auf literari
schem Gebiete hinweisen zu können, die durch ge
schmackvolle Ausstattung, obwohl im bescheidenen
Gewände auftretend, doch nach Form und Inhalt
überaus geeignet ist, die Liebe zun: Vaterlande zu
pflegen und zu befestigen. In dem in seinem ersten
Theile nunmehr vorliegenden Werke wird dem Er
werber in ständiger Fortsetzung eine Sammlung
von bildlichen Darstellungen hervorragender aus
dem Boden des Großherzogthums Hessen ent
standener Erzeugnisse der Kunst ii: gemeinverständ
licher Beschreibung geboten, die sich nach und nach