327
indem er ihnen für die Zeit ihrer Krankheit an
Stelle der fortfallenden Hofkost wöchentlich Vs fl.
Krankengeld bewilligte (§ 25).
Die Ordnung von 1570 birgt noch weiter Be
stimmungen über die Geheimhaltung von seitens des
Landgrafen gepflogenen Gesprächen durch die zugegen
gewesenen Hofleute (§ 8), gegen Sichvordrängen
derselben (8 0, 23) und schließlich eine, die hier
deshalb gerade an bett Schluß gebracht werden
soll, weil sic der Gesimmng, von welcher Landgraf
Wilhelm, wie überhaupt die alten hessischen
Ursten, erfüllt war, der Sorge für den gemeinen
Mattn, zumal den den Grundstock der Bevölkerung
bildenden Bauer, in schlichtett Worten Ausdruck
verleiht; es ist die Anweisung an seine Reisigen
(in § 10), den armen Leuten nicht durch die
bestellten oder mit Frucht bestaudeuen Aecker ztt
reiten und ihnen Schaden zuzufügen, „deitit es
ist ein Frevel, der strafenswerth ist".
ZS. Krotefend.
Gin Weihnachtsgeschenk.
Nach Familienaufzeichnungen erzählt von Wilhelm Ben necke.
Mn Kassel wohnte während der französischen
Fremdherrschaft in einem der Häuser am
Altmarkt, wenn ich iticht irre war es im „Fisch",
ein höherer Finanzbeamter, welcher jedoch keines
wegs ein Franzose, sondern ein ganz guter Deutscher
war, den nur der Umschwung aller bestehenden
Verhältnisse bewogen hatte, eine Anstellung von
der westfälischen Regierung anzunehmen. In
seiner Jugend * * * 'scher Artillerieoffizier, war
er später in den Zivildienst getreten, wo er sich
bald den Ruf eines vorzüglichen Rechnungsbe-
amten erwarb, sodaß er nach Gründung des
Königreichs Westfalen in dessen Hauptstadt be
rufen wurde, um hauptsächlich mit der Verwaltung
der Staatsdomainen beauftragt zu werden, denn
gute Rechenmeister konnte man in der Umgebung
des Königs Lustig sehr gut gebrauchen und traute
den ehrlichen Deutschen, was die Finanzwirthschaft
betraf, wohl noch mehr wie den Pfiffigen Franzosen.
Generalinspektor Streicher war noch ein Mann
in den besten Jahren, als er seine Stellung in
Kassel antrat. Er brachte eine hübsche Frau
und drei Kinder mit, denen er seither der zärtlichste
Vater wie seiner Gattin der liebevollste Ehemann
gewesen war, an dessen Musterhaftigkeit niemand
zu zweifeln wagte. Da Streicher, wie bereits
hervorgehoben, zu rechnen verstand, so bezog er
keine Wohnug in der theuren Oberneustadt, sondern
suchte sich ein geräumiges Logis ain Altmarkt
aus, denn genügenden Raum mußte er für seine
Fainilie und für seine großartige Sammlung
mathematischer undphysikalischerJnstrumentehaben,
von welchen er eine nicht geringe Anzahl selbst
verfertigt hatte. Eine von ihm konstruirte Gold
wage befand sich in der Kafieler Münze noch nach
langen Jahren im Gebrauch und wurde später
als eine Art von Rarität angesehen.
Zuerst nahmen Streicher die uinfassenden und
verwickelten Amtsgeschäfte ganz und gar in An
spruch, denn mit der ihm innewohnenden Pünkt
lichkeit suchte er womöglich alles selbst zu erledigen
und verließ sich aus seine Unterbeamten garnicht.
Er wollte eben den windbeuteligen Franzosen
zeigen, welch ein gewaltiger Unterschied zwischen
ihrer Eeschäftserledigung und derjenigen eines
subtilen Rechnungsbeamten aus dem Kollegienhvf
eines der verlachten deutschen Staaten sei. Selbst
verständlich fanden die Herren aus Paris sein Ge
bühren erstrecht lächerlich, als er aber den ehemaligen
Offizier herauskehrte und ihnen in kaltblütigster
Weise andeutete, daß er jedem den Schädel spalten
werde, der sich irgend wie über ihn moquire, so ließen
sie ihn scheinbar in Ruhe, umsomehr, als König
Hiernonymus sich als Menschenkeniter gezeigt und
ihm sein völliges Vertrauen bei verschiedenen
finanziellen Privatangelegenheiten geschenkt hatte,
was nicht verborgen geblieben war.
Die französischen Herren suchten den guten
Generalinspektor nun auf eine andere Art zu
fassen, wobei sie leider besseren Erfolg hatten.
Ganz nach und nach, je mehr seine anfänglich
so überaus umfangreicheu dienstlichen Angelegen
heiten sich verminderten und einem regelmäßigen
mechanischen Ineinandergreifen Platz machten,
nahm er an ausgelassenen Vergnügungen Theil,
die vom Hofe des lustigsten aller Könige auch in
die Privatkreise seiner Beamten höheren und
niederen Grades übertragen wurdeit, und zeichnete
sich zur allgemeinen Ueberraschung sogar durch
ein gewisses Raffinement aus. Sowie seine Pariser
Kollegen merkten, daß dies die schwache Seite
des sonst so ernsten Mannes sei, war es ihnen
klar, wie sie ihn zu behandeln hatten. Sie
schmeichelten seiner Eitelkeit, indem sie ihn als