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ich schon bittern Schnaps, süßen Weiy,, Kuchen in
Menge bestellt habe, und nun — tritt Dein Bruder
ein und meldet, daß Du dort bleiben wollest. Von
dem Schaden nicht zu reden, hast Du's auf dem Ge
wissest, wenn ich als guter Hauswirth krank werde,
da ich natürlich alles selber verzehren muß, was wir
gemeinschaftlich verfumfeien wolltest. Auch muß ich
an Dich schreiben, da ich viel lieber gesprochen hätte. —
Der Jacob ist sejt einigen Wochen abwesend, indem
er mit Urlaub , auf drei Wochen nach Dresden reist,
über Eisenach, Weimar und als gereister Mann, der
(mit Witzenburgerisch und bürgerischen Witz) sich auch
keine Sau dünkt, zurückzukehren gedenkt. Ich lebe
hier nun in Einsamkeit und Arbeit und kann nur
die letztere unterbrechen, nicht die erstere, wenn ich
will; einmal gehe ich täglich spatzir'en, wo ich mich
erstlich noch viel einsamer fühle als in der Stube,
und wo ich zweitens immer viel Juden sehe, welches
auch eine Arbeit ist. Zuweilen stehe ich am Fenster
und üb' mich in höflichen Sitten, mitten in der
Straße ist eine Schnupftabakfabrik, und da gewöbnlich
jeder niesen muß, der vorbei geht, so ruf ich ihnen
Profit zu, aber das ist rar, daß einer so viel Lebens
art hätte und bedankte sich. Mein zweites Diver
tissement ist ein idealisch lumpiger Handwerksbursch,
der unter dem Namen Blaubart hier die Stütze alter
Volkssagen ist, und unter dem angenehmsten Schimpfen
Aus KermcltH
Jubiläum. Landgraf Alexis von Hessen-
Philippsthal-Bar chfeld, Generallieutenant
ä la suite der Armee, ehedem Oberst a la suite
des kurfürstlich hessischen 1. (Leib-)Husaren
regiments, beging am 11. Oktober zu Herles
hausen die Feier des Tages, an welchem er vor
50 Jahren in die Armee trat. Außer von zahl
reichen anderen Fürstlichkeiten erhielt Se. Hoheit
auch von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser ein
theilnehmendes Glückwunschschreiben.
Im Stadttheater zu Hanau fand das Volks
stück unserer hochgeschätzten Mitarbeiterin Frau
Elisabeth Mentzel zu Frankfurt a. M.
„Storchenwirth von Sachsenhausen oder:
Schiller auf der Flucht" bei seiner erst
maligen Ausführung am 9. Oktober beifälligste
Aufnahme.
Die Stadt Kassel ist wieder einmal um ein
interessantes altes Bauwerk ärmer geworden. Auf
Beschluß des Stadtraths ist der alte malerische'
stets vorüberzieht; andere Kleinigkeit sind nicht von
Belang, und verdienen nicht hier genannt zu werden.
. . . Schreib doch einmal etwas ausführlicher über
den Plan Deiner Arbeit, ob Du schon ausgearbeitet
-hast und wie weit; ich hab' in einer Westentasche
. noch allerlei Notizen und alle Donnerstag Morgens
halb 8 Uhr einen guten Gedanken, kann ich mit
Heiden dienen, so geschiehts gern.
Neues weiß ich gar njchts, als daß jetzt hellgrünliche
Röcke Mode sind, und daß der Herr Mondtag, ein
Barbier, der vor'5 Jahren sich einen hellapfelgrünen
machen ließ, durch seine unablässige Treue, die ihm
nicht vom Leib gekommen, wie durch Hilfe der milden
^ Zeit sich endlich damit, was die Farbe betrifft, in die
Mode hineingetragen; was den Schnitt betrifft, so
. chaperts freilich da, allein es wareine billige An
erkennung der Verdienste des Mannes, der sechs Jahre
die Mode voraus gewußt und kühn und unerkannt
seinen Weg ohne Begleitung gewandelt, daß man sich
darin nach ihm richtete. Aber so ist die undankbare Welt.
Leb wohl, liebster Principe de la Paz, sey herzlich
gegrüßt, wie Deine liebe Frau' und Kind, — kommt
nicht bald Nominativus Pluralis? Du hast doch
sonst die Declinationen gut inne gehabt — (auch von
meiner Schwester) und denke, der das schrieb, das war
ein Freund von Dir."
W. G.
tmö fremde.
Brunnen am Brink niedergelegt. Dies ist ge
schehen, säst ehe noch eine Kunde von dem in der
heutigen pietätvollen Zeit kaum denkbaren Beschluß
in die Oeffentlichkeit gedrungen war. Jeden alten
Kasselaner, der den malerischen Platz früher kannte,
wird es betrüben, daß der alterthümliche wappen
geschmückte Brunnen, der laut Inschrift anno 1567
von Jakob Bölling aus Ulm erbaut war, hat
fallen müssen. Der Brink war immer noch eins
der alterthümlichsten Eckchen Kassels, wenn auch
schon früher einige der schönen Erker und Eck-
thürmchen, die man noch im Anfange dieses Jahr
hunderts dort sah, verschwunden waren. Glücklicher
weise ist der Brink in seiner alten malerischen
Gestalt der Nachwelt in zwei Gemälden erhalten.
Das eine der beiden Bilder ist von W. Richter
gemalt und befindet sich in Kasseler Privatbesitz,
es ist in mehreren Kopieen in der Stadt verbreitet;
das zweite Gemälde ist, wenn wir nicht irren, von
Professor vr. Möhl in Kassel in dessen Jugend
zeit gemalt. Wir sahen Photographieen dieses
Bildes in der Hühn' s chen Hosbuchhandlung