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Entstehung und Abteilung hessischer Ortsnamen
Von Dr. L. Armbrust.
(Fortsetzung.)
ie letzten beiden Beispiele im vorigen Heft führen
uns auf die sehr häufigen Ortsnamen auf d v rs,,
von denen einzelne in die Merowingerzeit zurück
gehen. Die Hessen zeigten also schon frühe Neigung
zu gemeinsamen Ansiedlungen, die bessere Gelegen-,
heit zur Abwehr feindlicher Unternehmungen boten.
Als Beispiele mögen dienen: Oldendorf u.nd.
Allendorf (altes Dorf), Nenndorf (um luTO'*
Nianthorpe, neues Dorf), Antendorf bei Obern^
kirchen (1182 Antendvrp, wohl Entendors), Hals
dvrf bei Grifte (hal — Hügel), Hesseldorf (vom
Haselstrauche), Mardorf (von Mähre, Roß),
ebenso Roßdorf. Natürlich sind einzelne Per
sonen häufig die Gründer oder ersten Besitzer.
Das beweisen B e n g e n d o r f bei Friedewald (von
Benning), Bernsdvrf (alt Bernhardesdorp)
Bvttendorf (früher Boppendorf, angeblich von
Bvppo von Reichenbach uni 1150 gegründet),
Eulersdorf(1270 Ailhardesdorph), Gersdorf
(um 1130 Geroldesdorf), Heddersdorf (früher
Hertwigesdorf). Bei weitem die meisten Orte
dieser Klasse sind aber untergegangen.
An das Dorf möge sich das Feld reihen:
Goßfelden an der Lahn hängt mit gießen,
Guß zusammen, Barchfeld (933 Barcfelda)
mit bare, Schwein, Wiesenfeld (alt Wesentvelt)
mit dem nahen Verwandten des Ures oder Auer
ochsen. Hers seid (alt Haireulfesfelt) kommt
anscheinend von einem alten Personennamen her,
obwohl die Stelle bei der Klostergründnng erst
urbar gemacht wurde, und der Urwald doch nicht
leicht Besitz oder Aufenthaltsort einer einzelne«
Person war. Hünfeld (781 Unoselt, 825 HunH
feld) führt auf hun, Riese zurück, Hatzfeld auf
den Männernamen Hazo, Ar ms feld (1244
Ernbretchesvelde) auf einen Ehrenbrecht, Gers
feld auf Gero, Landefeld aufLando; Rems
feld hieß vor alters Rimegozesvelde, Rixfeld
Ruohgisesfelt; Battenfeld (8. Jahrh. Baddan-
feldun) mag nach dem chattischen Stamme der
Batten benannt sein.
Von Wiese sind nur Wiesen bei Fulda urch
wenige andere abzuleiten, von Süß (Weidegut)
nur Süß undHohesüß bei Nentershausen und
bei Sontra Rocken süß. In den ersten beiden
Silben des letzten Wortes kann ein Personen
namen enthalten sein.
Mit Weg sind Eschwege und Schlechten
wegen (alt Scliedenweg von sclied, Abhang)
zusammengesetzt, mit Brücke und Spicke:
Bruchenbrücken (Sumpfbrücke), Waltersbrück.
Brückermühle, Speckswinkel (Winkel an
der Brücke, am Stege).
Die meisten Ortsnamen, die einer Furt ihren
Namen verdanken, erklären sich selbst. Erwähnens-
werth ist Hemfurt beiWaldcck(1237 Hancvvrde,
pmihang, Hügel), während Trocken - und Nassen-
erfurt (1040 Erffrede, 1123 Erffrith) und
Erfurtshausen (um 920 Erfradeshusen)
augenscheinlich mit Furt nichts zu thun haben,
sondern von den Personennamen Erffried (?) und
Erfrat herrühr-M-l»)»^ chizlp tintD mfai s'iM)
Das Wort Au bezeichnet Insel, Halbinsel,
feuchtes, am Wasser gelegenes Land. Es kehrt
einfach und unverändert als Name verschiedener
Dörfer und in Mühlen- und Flurbenennungen
wieder, ferner in Hanau (alt Hagenowa, also
feuchte Lichtung im Haine, Walde, wie Lichtenau),
Gronau (von gruoni, grün), Grebenau (alt
Grabanouva : Grafenau). Oft ist die heutige
Endung all aber aus anderen Bildungssilben ent
standen, so Ottrau aus Ottraha (Fischotterbach),
Steinau aus Steinaha, Waldau aus Waldaha,
Heidau aus Heida, Heide. Melnau gar aus
„(de)m(e) Elnhaug" (— zu dem hohen Hügel,
wie ellenvehte tapfrer Fechter, ellenvrech kühn und
keck bedeutet).
Das altdeutsche Wort für den lateinischen Aus
druck Insel ist warid, später wert, erhalten in
den Ortsnamen Wehrda. Büchenwerra (ehe
mals Buchenwerde, älter Buheehenenwird: Buchen
insel), Lindewerra und in zahlreichen Flur
namen, wie Blumeuwerder und Tanzwerder
bei Münden, a u f d e m W e r r bei Melsungen u. s. w.
Von den zahlreichen mit Bach gebildeten Orts
namen bedürfen nur wenige der Erklärung.
Griffel buch scheint Kiesbach zu sein, Molz
bach Schmelzbach wie Mülmisch, Michelbach
ist Grvßbach, Leimbach und Schlierbach
Lehmbach, Schorbach Felsbach, Treisbach
Trieschbach. Brachbach. Die verschiedenen Ellen-
bach können nach dem Elentiere (elaho) benannt
sein, wie 1059 im Flußgebiete der Kinzig ein
Elehenbach erwähnt wird, dessen Herkunft von
elaho unzweifelhaft ist. Bernbach wird von
Bären häufig aufgesucht sein, Heimbach, Ham
bach, Heinebach lagen ursprünglich im Haine,
im eingehegten Walde. Selten sind Verbindungen
mit Personennamen, wie Dammersbach (von
Dagamar), Halsbach (Hahold), Wattenbach