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anstatt zu zahlen. Wie weise diese unsere Be
stimmung übrigens ist, lehrt die nachfolgende
kleine Illustration. Ein älterer Kunstfreund
von auswärts ist bei einem Bekannten hier zu
Besuch und wird mit demselben von einem kunst
verständigen Herrn zum Diner eingeladen. ,Ent
schuldigen Sie/ sagte der Fremde unterwegs zu
seinem Gastfreund, ,aber ich muß mir die Frage
erlauben: Ist der Herr, zu welchem wir gehen,
Wagnerianer? Man muß das wissen, um in
der Unterhaltung keinen Streit herbeizuführen?"
„So ist's recht!" rief der eigensinnige Herr.
„So ist's recht! Ueber Hondekoeter und Donizetti
kann man sich unterhalten, ohne in Harnisch zu
kommen, spricht man aber von Makart oder
Wagner, da muß es biegen oder brechen, da müssen
die Geister ans einander platzen, da muß Farbe
bekannt werden, und wenn der beste Freund dabei
verloren geht. Das kann alles nichts helfen!
Richard Wagner —"
„Halt!" rief Archimedes.
„Was da —", schrie der Eigensinnige, „und
wenn ich auch 999 Mark und 99 Pfennige für
die Kleinkinderbewahranstalt berappen muß, so
will ich doch Richard Wagner auch bei Euch nicht
verleugnen, damit nicht der hämische Robert der
Teufel da etwa glaubt, weil er ungestraft von
seinem Beercnmeyer faseln darf, ich strich vor
ihm die Segel."
Das Haus auf Abbruch sing vor Acrger an
in allen Fugen zu knacken.
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Hundhessen. Mit diesem Schimpfworte pflegte
vormals bei nachbarlichen Streitigkeiten an der
Grenze zwischen dem braunschweigischen und hes
sischen Gebiet der gemeine Mann seinen Nachbar
zu belegen, und es ist möglich, daß diese Be
nennung bis auf den heutigen Tag noch nicht ganz
vergessen ist. Die Entstehung erzählt Letzn er in
der Dasselischen Chronik: Im Jahre 1518, bei
einer Fehde zwischen Bischof Johann von Hildes
heim und Herzog Erich von Braunschweig, befanden
sich 1800 Mann hessischer Hilssvölker unter dem
Hauptmann Hermann von der Malsburg auf
Braunschweiger Seite. Die Stadt Dassel wurde
erobert, und bei der Einnahme machten die Hessen
viele Beute und kamen im Plündern den Braun
schweigern zuvor. Dieses erregte Neid, welcher in
öffentlichen Zwiespalt überging, und dabei soll
das Schimpfwort, das uns hier beschäftigt, zuerst
„Wissen Sie was?" kam es dann zuckend über
seine feinen Lippen, „der leibhaftige Ratten
fänger redivivus ist ihr gerühmter Maestro,
weiter nichts! Seine faszinirende Tonzusammen
stellung lockt selbst die armen blassen Dinger, die
Nähmädchen, mit unwiderstehlichem Drang auf's
Amphitheater und geht ihnen wie spanischer Pfeffer
in's Blut, daß ihre Augen noch größer werden,
als sie schon sind, und selbst die Buchbinderlehrlinge
hat er schon am Wickel —"
„Triumph!" schrie der Eigensinnige, „diese Ihre
Zugeständnisse beweisen ja mehr, als ich selbst
nur vorzubringen vermöchte, denn Nähmädchen
und Buchbinderlehrjnngen sind Volksrepräseu-
tanten, wie man sie nicht besser wünschen kann."
„Nur Geduld!" sagte das Haus ans Abbruch.
„Der Buchbinderlehrling sagte neulich, als er
Sachen bei mir ablieferte: ,Heute Abend wird
aber in den Lohengrin gegangen! den versäume
ich nie!' ,Verstehst du denn etwas davon?' fragte
ich den Knirps. ,Das macht nichts', entgegnete
er mit leuchtenden Augen. ,Aber der Radau,
der darin ist!' Sehen sie, das ist es: der Radau!
der Radau!"
Der eigensinnige Herr schien große Lust zu
haben, über das Haus auf Abbruch herzufallen
und es gänzlich niederzureißen, aber Archimedes
läutete so lange mit zwei Gläsern, bis die Gemüther
beim Klang dieser neuen Präsidentenklingel sich
beruhigt hatten.
(Fortsetzung folgt.)
—
6 neuer Ieit.
gefallen sein. Die Veranlassung dazu gab das
hessische Panier, aus welchem der Löwe von
einem ungeschickten Btaler verfertigt sein mochte.
Die Braunschweiger erklärten denselben für einen
Hund, und es entstand darüber großer Auslaus
und Streit, sodaß es die Anführer für das
Rüthlichste hielten, die Hessen nach Hause ziehen
zu lassen. Diese Verspottung ihrer Bundesgenossen
mußten die Braunschweiger schmerzlich empfinden,
denn bald darauf gewann der kriegerische Bischof
von Hildesheim ein Treffen auf der Lüneburger
Haide und nahm zwei braunschweigische Prinzen
gefangen. J. 8.
Gleiches Recht für Alle. Als Landgraf
Wilhelm IV. einstmals vernahm, daß ein Amt
mann einen Edelmann, der sich eines peinlichen Ver
gehens schuldig gemacht, aus freiem Fuße gelassen habe.