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Gudenus war nach seinem Uebertritt unter
den dürftigsten Verhältnissen ungefähr zwei Jahre
Lehrer in Duderstadt, mußte aber von da Weichen,
„weil der katholische Glaube durch einen unglück
seligen Nordwind (die Schweden) verwehet", dann
ebenso in Heiligenstadt, wo ihn ein lutherischer
Offizier, der von seinem Uebertritt Kenntniß
erhalten hatte, auf einen zur Bestrafung der
Soldaten aufgerichteten hölzernen Esel setzen und
verspotten ließ. Der Befehlshaber jener schwe
dischen Truppen aber entzog ihn diesen Miß
handlungen und beschenkte ihn sogar mit etwas
Geld. Er aber freute sich und dankte Gott, daß
er „um Jesu und der Wahrheit willen zu leiden
gewürdigt worden".
Ein andermal mußte er im Kriege sich in den
Schornstein verkriechen und durch einen Pistolen
schuß heruntergeschossen zu werden befürchten.
Weil aber dieses nur der Ansang größerer Leiden
sein sollte, verließ er auf deshalbige Warnungen
Heiligenstadt, indem er, wie einst St. Paulus,
über die Stadtmauer flüchtete und sich nach
Göttingen begab, wohin ihm die Seinigen nach
folgten. Dorthin hatte sich auch der ihm be
freundete und in gleicher Lage befindliche
mainzische Landschreiber Johann Christoph Zwehl
begeben, dessen Kinder er dort unterrichtete. Als
er bei einem ausgebrochenen Brande sich durch
einen Sprung aus einer Kammer rettete, brach
er durch einen unglücklichen Fall ein Bein, an
dessen Heilung er ein ganzes Jahr zubrachte.
Da die Heilung nur unvollkommen geschehen
war, behielt er zeitlebens Beschwerden und
Schmerzen beim Gehen. Bei diesem Brande
verlor er die wenigen vom Brande übrigen
Mobilien durch Diebstahl. Erzbischof Anselm
Kasimir (von Wambold) von Mainz (1629—1647)
machte ihn zum mainzischen Amtmann zu Tref
furt um das Jahr 1645, wo er eine ganz mäßige
Besoldung hatte.
Gudenus kam noch mehrfach nach Hessen und
auf Reisen durch die alte Heimath. Seinen
ältesten Sohn brachte er zum Studium nach
Köln und trug denselben dabei zuweilen auf dem
Rücken, wenn er vor Ermüdung nicht weiter
konnte. Auf der Rückreise von Köln wurde er
von Soldaten, die er für schwedische hielt, auf
gegriffen, in's Gebüsch geschleppt, um den Tod
zu leiden, weil er denselben wahrheitsgemäß von
Kassel gebürtig zu sein bekannt hatte, wurde
aber, als sie den Rosenkranz bei ihm bemerkten,
los gegeben , denn es waren nicht Schweden,
sondern Kaiserliche und Katholiken. Bei Fritzlar
begegnete er einst einem Bauer, der sich dahin
äußerte, die unlängst zur katholischen Kirche
Uebergetretenen seien werth, daß sie am ersten
Baume aufgehängt würden. Aehnliches wurde
ihm in Lichtenau gesagt. In den Kreisen der
niederhessischen Geistlichen nannte man ihn einen
Apostaten, Bettler, Flüchtling, der nichts lieber,
als zum Calvinismus zurückzukehren wünsche, und
ein ihm befreundeter Geistlicher sagte ihm, selbst
die Katholischen hielten ihn für einen Ueber-
läufer und nichtswürdigen Menschen, weil sie
meinten, daß er aus Gewinn- und Ehrsucht oder
Leichtsinn übergetreten sei. Er selbst aber schreibt:
„Ich sehe hinter mir diejenigen, welche die Ver
spottung anrichten. Ich sehe mich selbst an und
was in mir ist. Ich sehe an den höchsten Richter,
welcher über mir ist, und befinde allerseits, daß
alle Verspottung und Verachtung gar nicht zu
achten sei. Was soll ich achten das Geschrei
der Nachteulen, welche wider ein solches Licht
streiten" ?, nämlich des wahren Glaubens, welches
die Verläumder nicht sowohl in seiner, als
aller heiligen Kirchenlehrer und Gläubigen
Person, welche vor dem unglücklichen Abfall
gelebt, anföchten. „Gewißlich, wenn der Menschen
Urtheil zu fürchten, so ist weit schwerer und
sorglicher von so viel hundertjährigen Gläubigen,
welche eben in dem Glauben, so ich durch Gottes
Gnade angenommen, beständig so lange Zeit
verharrt haben, verdammt zu werden, als von
diesen, so kaum ungefähr hundert Jahre alt und
innerhalb dieser geringen Zeit aus dem Vorwand
des göttlichen Wortes solche Religionen bekannt
haben, welche soweit als Himmel und Erde von
einander sind." Er meint damit die Religions
veränderungen in Hessen im Anfang des 17. Jahr
hunderts, wo „heute die lutherische Religion als
eine irrige verworfen worden ist, welche gestern
als ein pur lauteres Gottes Wort bekannt wor
den war. Laßt sie mich verachten, schmähen und
verspotten; wann ich mich ansehe, achte ich mich
noch eines weit Aergeren werth, als zum Höchsten
würdig, dem Gott widerspreche, den die Engel
verachten, dem die ganze Welt zuwider sei, der
ewig zu Schanden werde. Was soll ich denn
klagen, wenn die Menschen mich verachten und
spotten? Der die Hölle verdienet, was soll der
sich beschweren über ein augenblickliches Leiden,
welches die ewige, über alle Maßen wichtige
Herrlichkeit in uns wirket? Gewißlich so ich
meine Unwürdigkeit bedenke, werde ich der
gestalt Verspottung mit gleichem und fröhlichem
Gemüth zu ertragen aufgemuntert, daß ich wünsche,
daß Schmach und Spott nicht mit Händen, son
dern mit vollem Sack über mich ausgesäet werde" rc.
Bei der hohen Verehrung, welche die heilige
Elisabeth bei Fürst und Volk in Hessen gehabt,