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„Schelme" in „Herren" verwandelt. Der fraktur
schriftkundige Weißbindermeister hatte das erstere
Wort übertüncht und letzteres an dessen Stelle
gesetzt. Höchst ergötzlich aber blieb es anzuschauen,
wie durch die „Herren" immer noch die „Schelme"
hindurchblickten, als wollten sich diese nun ein
mal nicht austilgen lassen.
Sogar der sogenannte „Rebus" beansprucht
in den Schwälmer Hausinschriften sein gutes
Recht. Der interessanteste derselben ist, wie ich
mich erst letzter Tage noch selbst überzeugen
konnte, noch heute in Wasenberg zu lesen. Er
lautet folgendermaßen:
Ich 4 1 3es [Herz]
Und 8 mich [Gans] ge [Ringe],
Doch [Leiter] schilt mich jeder [Mann],
Gott ist cs, der es [Reeden] kann. *)
(Deutung: Ich führ' ein treues Herz und acht' mich ganz
geringe, doch leider schilt mich Jedermann; Gott ist cs,
der es rächen kann.)
Sehr oft, wie schon aus einem der obigen
Beispiele hervorgeht, findet man den Namen des
Hausbesitzers in eine Reiminschrift verwobeil.
So war an einem Haus in Merzhausen bis in
die 1860 er Jahre zu lesen:
„Johannes Grein bin ich genannt,
Merzhausen ist mein Vaterland."
In Willingshausen, dem durch seine überaus
anmuthige Lage und seine liebliche Waldum
gebung ausgezeichneten und vollends durch Ludwig
Knaus selbst zu einer gewissen Berühmtheit ge
langten reizenden „Malerdorf", wo der gefeierte
Meister der Ktlnst schon vor länger als 35 Jahren
bedeutende, später init denr reichsten Erfolg, mit
Ruhin und Ehre gekrönte Malerstudien gemacht
hat, in diesem schönsten und stolzesten Schwälmer
Dorfe steht heutiges Tages noch an einem Hause
der recht derbe und nahezu unsittlich klingende
Reim, der aber bei dem derben Geschmack der
ländlichen Bevölkerung wohl kaum als unsittlich
empfunden werden dürfte, übrigens von einer ge
wissen Schwälmer Gourmandise Zeugniß giebt:
„Ein Schweinebraten kalt
Und ein Mädchen von neunzehn Jahr alt.
Wer diese Speis veracht —
Der bleibt ein Narr bei Tag und Nacht."
Höchst merkwürdig und komisch klingt die
Mischung von Ernst und Scherz in einem und
demselben Spruch, welcher lediglich eine Posse
zum Ausdruck bringen will, jedoch nicht ohne
einen ernsten Hintergrund, sondern unter aus-
*) An dem Hause in Wasenberg erblickt man an Stelle
der hier im Texte in Klammern eingefügten Worte die
entsprechenden Figuren: ein Herz, eine Gans, zwei Ringe,
eine Leiter, einen Mann und eine» Rechen.
drücklicher Voranstellung einer unbestrittenen
biblischen Wahrheit, so wenig auch beides i n -
hältlich sich zusammen reimen will, wie z. B.
in Ransbach au einem Pferdestall, wo bekanntlich
der Großknecht und Kleinknecht, welch letzterer
an der Schwalm „der Jung" genannt wird, auf
dem Stallboden zusammen schlafen:
„Gott ist wahrhaftig und auch gerecht.
Hier liegt der Jung und auch der Knecht.
Ihr Jungfern, geht nun all herbei
Und rath' mir, welches der Jung oder welches der
Knecht sei."
Weitaus überwiegend jedoch sind Sprüche
ernsten Inhaltes, und nicht zum wenigsten Bibel
sprüche, wie an einem Hause in Zella:
„Christum lieb haben, ist viel besser, denn alles wissen",
oder auch altdeutsche Sprüche, wie an einem
Auszugshause in Leimbach der schöne Spruch zu
lesen ist:
„Mit Gott thu alles fangen an.
So wirst du Glück und Segen ha».
Des Menschen Fleiß garnichts gelingt.
Wenn Gott nicht seinen Segen bringt."
Ueberhaupt haben fast alle Hausinschriften,
ob in ernstem oder heiterem, ob in geistlichem
oder weltlichem Tone gehalten, irgend eine gute
Tendenz, wie inan auf den ersten Blick an all'
den guten Lebensregelit erkennt, welche da unserm
Auge begegnen, wie in folgendem Spruch, der in
Ascherode und mehreren andern Schwalmdörfern,
— übrigens auch in meinem jetzigen Pfarrort
Wolfsauger — zu finden ist und wie eine
Warnung für untreues Gesinde klingt:
„Ich kam einmal in ein fremdes Land,
Da stand geschrieben an der Wand:
Sei stille und verschwiegen.
Was nicht dein ist, das laß liegen."
Sehr häufig beziehen sich die Inschriften auf
das Haus selbst, welches der göttlichen Obhut
empfohlen wird, etwa init dem Spruch:
„Dieses Haus steht in Gottes Hand,
Gott bewahr' es vor Feuer und Brand",
oder wie in dem kurzen, überall beliebten Sprüch
lein, das mit dem Haus auch dessen Bewohner
unter den Schutz des Höchsten stellt:
„Gott bewahre dieses Haus
Und alle, die gehn ein und aus",
ferner auf die gemalten Blumen, mit denen es
geziert ist, und die doch mit den lebendigen, aus
Gottes Schöpferhand entsprossenen Blumen nicht
zu vergleichen sind, wie an einem neueren Haus
in Zella:
„Blumen malen ist gemein.
Aber den Geruch zu geben, das kann Gott allein",