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Der Sohn des Apothekers, roth von Haaren,
Bediente flink den stummen Bauersmann,
Und dieser schaute jenen immer an,
Als kenn' er ihn schon seit gar vielen Jahren.
Doch endlich brach sich Bahn bei ihm das Wort,
Er fragte keck, er fragte immer fort:
„Sagt, seid Jhr's denn? — Ihr seid's wahrhaftig nicht!
Der Apotheker sah dem Bauer in's Gesicht
Und wußte die Bekanntschaft nicht zu deuten.
„Versteht sich, bin ich's", sagt er dann bescheiden,
„Wer soll es anders sein als ich?" —
Der Bauer wundert sich gar müchtiglich,
Wie heutzutag die Menschen doch gedeihen.
„Seht," sagt' er, „kaum sind's jetzt zwei Jahr,
Daß ich bei Eurem Vater war,
Da saßt Ihr noch da oben in der Ecke
In so 'nem Ding wie einer Vogelhecke
Und drehtet stillvergnügt die Pillen!"
Der Apotheker schwieg, — er dacht' im Stiller::
Der Eltern Sünde rächt sich doch fürwahr
An ihren Kindern noch nach manchem Jahr!
Aus alter un6 neuer Zeit.
Folgende Eingabe der Kasseler Steinmetz
meister, die uns ohne ein angegebenes Datum
vorliegt, jedoch das Alter eines Jahrhunderts
besitzen muß, zeigt, daß Streike der Handwerks
gesellen nicht von neuer Erfindung sind, sondern
daß schon vor hundert Jahren, ebenso wie jetzt
üt Kassel die Steinmetzen und Maurer, dieselben
Berufsgenossen sich durch das gleiche Mittel eines
Streiks günstigere Arbeitsbedingungen zu schaffen
versuchten und ebenso die Meister be'tr. Handwerks
hiergegen sich zu vertheidigen.
„Wohlgebohrne Herren
insonders Hochzuverehrende Herren Oberkammer
rath und Bau-I)irecteur wie auch
Bau-Inspecteur !
Die Steinmez-Gesellen sind der ganz irrigen
Meinung, als wenn uns alle Preiße des damalen
obrigkeitlich gemachten und unterschriebenen
Accords wären erhöhet worden, und wollen sie
deswegen gleichfals erhöhet haben. Dies ist ditz
Ursache, worum sie müßig gehen — sie haben
zwar, weil wir ihre neüe Chicanen bei dem
Accord, wohl voraussahen, und deswegen die
nötige Maasregeln nahmen, an dem Corp dti
Logis zu arbeiten noch nicht den Anfang ge
macht, und überhaupt ist jezt keine Arbeit pressant,
so daß sie also seüren mögten so lange, als sie
wolten; Allein, um die Sache in Ruhe, ohne
obrigkeitliche Hülse, mit ihnen abzuthun, erböthe::
wir uns, ihnen an einigen Posten zuzusetzen, ob
uns gleich an einigen Posten abgezogen worden
ist, sie waren aber damit nicht zufrieden. Weil
wir nun ihnen mehr zu geben nicht vermögend
sind, so musten wir sie beim Stadtgericht gestern
sich vernehmen lassen, wo wir zu Protocoll er
klärten, daß die Preiße, die einmal in dem
Accord damals bestirnt, und festgesetzt worden,
unverändert bleiben, dahingegen die Schaft
Gesimser Saülen, Architrat' und Haupt-Gesimse-
Arbeit, nach der proportion, wie die Peripherie
der 3 Fuß dicken Saülen sich zu der 5 Fuß
2 Zoll dicken Saüle verhält, bezalt werden solte,
und für die besonders vorfallende mehrere Fugen
und Lager wolten wir ihnen den Quadrat Fuß
mit 10 hl. bezalen. Weilen sie damit nicht
zufrieden seyn wolten, so würd ihnen von der
Obrigkeit bedeütet, daß ein jeder, welcher für den
Preiß nicht arbeiten wolle, Abschied nehmen könte.
Hiermit waren sie aber auch nicht zufrieden,
sondern bathen sich zur Entscheidung der Sache
eine Commission aus. Das Protocoll wird also
vermutlich wohl zu dem Ende an Ew. Wohl
gebohrne eingeschickt werden.
Wenn man zu denen von uns zugesagten
verschiedenen Posten die Erhaltung des Werck-
zeügs und andre Zuthaten rechnet, so bleibt
uns zur Unterhaltung unserer Familien, zur
Bezalung der Contribution und anderer Ab
gaben, nichts übrig. In dieser Rücksicht, und
da diese unbillige Leüte bei jeder vorfallenden
noch nicht veraccordirten Arbeit diesen nemlichen
Versuch machen würden, wenn sie diesesmal
renessirten, auch andere Professions-Gesellen
ihren Beispiel folgen könten, je mehr aber solche
Leüte verdienen, desto mehr die Arbeit versaümt
wird; So bitten wir Ew. Wohlgebohrne ganz
gehorsamst :
Die Sache baldmöglichst zu untersuchen,
und nicht zu unsern Nachtheil zu entscheiden.
Wir hoffen eine hochgeneigte Erhörung, und
beharren mit vollkommenster Hochachtung
Ew. Wohlgebohrne re. re.
gehorsamste
J. Burghard Barthold Steinmetz M
Heinrich A. Wolff Steinmetz Mstr
Heinrich Mueller Steinmetz Meistr."
c£- W.