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Mönche in Ordenstracht, weißgekleidete Engel
mit Rosenkränzen in den Locken, Musikchöre,
Militär, Weihrauchwolken; die ganze sinnberückende
Pracht der römischen Kirche ist heute entfaltet.
Ein Klingeln verkündet, daß der Bischof naht.
Er schreitet einher unter purpurnem Thronhimmel
in goldstrotzendem, mit edlen Steinen besetztem
Gewände, auf dem greisen, ehrwürdigen Haupte
die Mitra, das Allerheiligste in den erhobenen
Händen. Und sie sinkt in den Staub, die sündige
Menge, schlägt die Brust mit dem Zeichen des
Kreuzes und beugt das Haupt vor dem in leuch
tender Monstranz geborgenen, doch allen sicht
baren Leib des Herrn. —
Auch die Franziskaner schreiten dahin, je zwei
und zwei, düstere Gestalten, die Hände in den
weiten Aermeln der Kutte geborgen, die Augen
scheu zu Boden gesenkt. Eusebius ist unter ihnen.
Die Brüder haben ihn vergangene Nacht wieder
einmal^ bewußtlos aufgehoben von den Stufen
des Hochaltars, hinaufgetragen in seine Zelle und
auf das schmale, harte Lager gebettet. Sie
wundern sich nicht ob seiner Schwäche, denn er
ist einer der Eifrigsten unter ihnen mit Fasten
und Wachen, Beten und Kasteien. Wie würden
sie sich aber entsetzen, könnten sie die Gedanken
errathen, die wie Blitze durch das Gehirn des
Mönches zucken, könnten sie den festen Entschluß
von der hohen Stirne des Bruders lesen. Eusebius
hat gerungen mit sich selbst in heftigem, andauern
dem Kampfe. Die Glut, die er gelöscht wähnte
durch die Wogen des Glaubens, die Liebe, die er
besiegt wähnte durch die Waffen des Gebets, —
er mußte erkennen, daß sie nur geschlummert hatte
unter der Asche, daß ein Blick aus den Augen
Margaretha's sie von Neuem angefacht zu einem
Flammenmeere, das über Ordensgelübde und
Priesterweihe, menschlichen und göttlichen Satzungen
lodernd zusammenschlug. —
Als die Franziskaner heimkehren zur Stätte
des Friedens, da suchen die treuen Augen des
Bruders Pförtner vergebens den jungen Eusebius,
und der alte Prior, der schon lange ein düsteres
Feuer flackern sah in den Augen seines Lieblings,
wankt in die Zelle des Vermißten und findet im
aufgeschlagenen Brevier von der Hand des jungen
Mönches die Worte verzeichnet: (jnoä vens
conjunxit, homo non separet!
Draußen ist es völlig Nacht geworden, ein
schlimmes Wetter zieht über die noch im Fest-
gewande prangende Stadt. Schwarze zerfetzte
Wolken flattern über das Thal, der Sturm rüttelt
an den Mauern des Klosters, wühlt tosend in
den Kronen der Baumriesen, dumpf grollen die
Donnerworte des Ewigen, und greller Blitz zuckt
über die Schaar der am Hochaltar versammelten
Brüder, die Gebete murmeln für die arme Seele
eines gottverlassen, ohne Gnadenmittel Dahin
geschiedenen.
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Ein Jahrzehnt und mehr ist vergangen seit
der Flucht des Bruders Eusebius. Obgleich dieselbe
dazumal viel Staub auswirbelte, war sie doch
allgemach in Vergessenheit gerathen. Der greise
Prior und der wohlbeleibte, gutmüthige Bruder
Pförtner schliefen den ewigen Schlaf in der Felsen
gruft hinter der Klosterkirche. Nur zwei alte
Fratres, die oft mit Korb und Sack in die Dörfer
der Umgegend gingen, besprachen noch immer
mit Vorliebe und gelindem Grauen das urplötzliche
Verschwinden des Mönches und waren heute noch
nicht einig, ob ihn damals der Teufel geholt bei
lebendigem Leibe, oder ob er noch seine Sünden
büße in der Strafzelle irgend eines weltentrückten
Klosters.
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Im August des Jahres 1860 stieg im Hotel
zum „Kurfürsten" in Fulda ein Ehepaar ab,
welches sich zuvor Quartier bestellt hatte. Der
Mann war von hoher imponirender Gestalt, mit
edlem Antlitz, in welches das Schicksal indessen
schon seine Runen gegraben hatte obgleich er kaum
die Vierzig erreicht haben mochte. Auch das
dunkle Haar und der volle Bart waren bereits
mit Silberfäden durchzogen. Seine Begleiterin
war eine schlanke Blondine. Goldige Löckchen
fielen auf die weiße Stirne, und tiefdunkle Augen
schauten aus dem rosigen Gesichtchen. Man hätte
die beiden leicht für Hochzeitsreisende halten
können, denn die Augen des Mannes hingen mit
heißer Gluth an der zarten Frauengestalt, die sich
mit lieblichem Erröthen an ihn schmiegte, als sie
die Treppe zu ihren Zimmern emporstiegen. Und
so war es in der That. Gestern erst hatte Magnus
Werner, Doktor der Philosophie und Professor an
der Universität Zürich, sein heißgeliebtes Gretelein
aus der lustigen Kaiserstadt an der Donau ent
führt, wohin Frau von Saliern schon seit Jahren
übergesiedelt war. Nach jahrelangem Kampfe
gegen Noth und Entbehrung, Haß und Vor-
urtheil war es ihm endlich gelungen, kraft seines
eminenten Wissens, seiner hohen Begabung in
der freien Schweiz eine Stellung zu erringen, die
ihm gestattete, von der stolzen Frau die Hand
der Tochter zu erbitten. Daß er nicht unter
gegangen war in der Zeit der Anfechtung und
der Trübsal, das verdankte er in erster Linie
seinem blonden Engel, seiner allzeit getreuen
Margaretha. Als er nach seiner Flucht zu ihren