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Und auch das gute Mütterlein
Soll nicht von mir vergessen sein.
Doch Dir sei, als 'nem Sonntagskinde,
lfans Peter, noch ein Angebinde
Don ganz besonders hohem Werth
Zn Nutz und Fromm' hiermit beschert."
Bei diesem Wort ergreift die Holde
Lin Augenglas, gefaßt in Golde,
Sonst aber war das kleine Ding
Wie and're Brillen nur gering.
„Das nimm", spricht sie, „als mein vermächtniß
Zu dieser Weihenacht Gedächtniß.
Wenn Du es trägst vor dem Gesicht,
So sieht man zwar an Dir es nicht,
Doch wirst Du selbst schon bald bemerken,
Wie's Herz und Augen Dir wird stärken.
Du siehst durch dieses Augenglas
Mehr als der Menschen Durchschnittsmaß.
Wo Du auch hinblickst, schau'ft Du nur
Das Wahr' und Schöne der Natur.
Du siehst das Gute selbst im Schlechten,
Wirst nie mit Deinem Schicksal rechten,
Und wo ein Mensch in Noth und Pein,
Fühlst Du's und wirst sein Helfer sein.
Wenn Du in Mangel je geräthest,
Und in den Wald geh'st und dort betest.
Wirst Du durch diese Brill' entdecken.
Wo in der Erde Schätze stecken,
Und all' das Gold, das sich wird zeigen,
Das darfst Du nehmen als Dein eigen.
Sobald nun, lieber Peter, jetzt
Die Brille Du haft ausgesetzt,
W sie mit Dir verwachsen ganz,
Und ist ein Theil von Dir, Freund Hans.
Nun nehmt noch mit, was Luch gefällt,
Und dann lebt wohl für diese Welt!"
hierauf verschwindet sie. Die Beiden,
So reich beschenkt, nun auch bald scheiden,
Und draus im Wald zuguterletzt
Hat Bans die Brille aufgesetzt,
Die gleich ihm einwuchs, und womit
Sofort er kannte Schritt und Tritt.
Gar schnell sie zu der Mutter kamen,
Wo auch noch Wunder sie vernahmen,
Denn auch bei ihr war eingekehrt
Lin Bote, der ihr reich beschert.
Vereint nun, hochbeglückt sie waren,
Und daß der Hans nach wenig Jahren
Berühmt ward als ein weiser Mann,
Sich jeder selber sagen kann.
Wenn sie nicht starben, sein wohl mag es,
Daß sie noch leben heut'gen Tages.
Wollt Ihr, daß nichts ich schuldig bliebe
Und dieser Mär Moral auch schriebe?
Nun gut! Die Brille ist die Liebe.
Sind wir auch Alltagskinder, haben
Rann jeder solche Sonntagsgaben.
Wer Schönheit schaut, dem bleibt ein Schimmer,
Und er vergißt das Wunder nimmer;
Und wenn er fromm die Augen übt,
So wird ihm nie der Blick getrübt.
Wer echte Liebe sich bewahrt,
Der hat die beste Lebensart;
Und allem weh und allem Schmerz
Gbsiegt ein liebend Menschenherz.
Nie Regententhätigkeit Landgraf Wilhelms VT
Von Dr. W. ©xotefenb.
C. Das Finanz- und Steuerwesen.
Da durch die Lasten, welche der Krieg im
Gefolge gehabt hatte, die fürstlichen Einkünfte
wesentlich geschmälert waren, der Wohlstand des
Landes überhaupt sehr zerrüttet war, so befanden
sich die hessischen Finanzen bei Antritt der
Regierung durch Landgraf Wilhelm in recht
schlechter Verfassung. Da stand der Landgraf
vor zwei Ausgaben, die beide gleichzeitig zu
losen kaum anging. Einmal mußten die auf
genommenen recht erheblichen Schulden getilgt
(Schluß.)
werden, andererseits aber bedurfte die Steuer
kraft des Landes dringend der Schonung, sollte
sie sich wieder erholen können. Sie durste
also zum Zweck der Schuldentilgung nicht zu
stark in Anspruch genommen werden. Unter
diesen leidigen Verhältnissen hielt es der Land
graf für unerläßlich, die Ausgaben seines Hofes
in Einklang mit den Bestrebungen, die seine
Mutter gegen das Ende ihrer Regentschaft
verfolgt hatte, bis auf Weiteres nach Kräften
einzuschränken, was den gemeinschaftlichen Be
mühungen des Landgrafen und des Kammer-