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dächtniß hatte. Dr. S. konnte sich demgemäß
nicht wundern, wenn der Kurfürst über seine
Eingangsworte ärgerlich wurde. Ich zog aus
dieser, wenn man will tragikomischen, Schilderung
meines Freundes S. die Lehre: bei meiner Dankes
abstattung hübsch alles in Ordnung vorzubringen,
was ja einfach war, da ich blos den Wortlaut
zu wiederholen brauchte, wie er in meinem kur
fürstlichen Reskript stand. Auch die Weglassung
eines der hier gebrauchten Worte konnte unangehm
werden, und ein solches Wort war z. B. auch
das Wort „Landes-" vor „Universität". Es mußte
gesagt werden „Landes-Universität Marburg" und
nicht blos „Universität Marburg". An diesen
Zusatz war der Kurfürst gewöhnt, er war offiziell,
und wurde bei allen Universitätsangelegenheiten
möglichst beachtet. Also diesen Zusatz vergaß ich
ganz gewiß nicht.
Der Anzug war soweit tadellos angelegt, und
ich stieg stolz aus dem zweiten Stock herunter,
um mich zur Abfahrt in einem Zweispänner zu
rüsten. Vorher musterte mich auch der alte
Kenner Schirmer. Schon früher hatte er mir
gesagt: „Herr Professor, ich will Ihnen mal
was sagen, ich lasse Ihnen jetzt ein feines Beef
steak machen, und dann trinken Sie mal hierzu
mit mir zusammen eine gute Flasche Wein."
Ich erwiderte ihm. der Kurfürst möge wohl
merken, wenn Jemand Wein getrunken habe.
„Ach was," sagte der Alte, „eine gute Grund
lage bei solchen Gelegenheiten ist immer was
werth." Die Sache schien mir, und das Früh
stück verlief sehr heiter. Ferner sagte der freund
liche Wirth, als er mich in Uniform erblickte:
„Herr Professor, passen Sie mal aus, Sie gefallen
dem Kurfürsten, Sie stellen was vor und haben
eine feste Haltung. Neulich war aber einer von
Ihren Herrn Kollegen drüben beim Kurfürsten,,
der kam ganz schnell wieder zurück; ich ahnte
es gleich, denn der Herr Professor hatte in seiner
Sprechweise etwas Holperiges, und insbesondere
machte er in der Prosessorenunisorm, da er ein
dürrer und nicht schön gewachsener Mann war,
einen fast komischen Eindruck." Ich wußte sofort,
wer dieser Kollege gewesen war, — er ist längst
auch zu den Vätern versammelt —, und es standen
auch noch eine Anzahl anderer Kollegen in Ge
danken vor mir, welche wegen ihrer etwas
uniformwidrigen Figur und Haltung im so
genannten Gänsemarsch bei. feierlichen Gelegen
heiten in der Universitätsaula in der Corona
mitunter Heiterkeit erregten.
Der Wagen rollte vor's Hotel, und ich nebst
meinenl Freunde S. waren im Begriff einzusteigen,
als zugleich aus der Gaststube ein Herr in der
Staatsuniform der hessischen Reviersörster (Ober
förster) herauskam, sich mir vorstellte und mich
um die Erlaubniß bat, mit mir zusammen nach
Wilhelmshöhe fahren zu dürfen, er wolle auch
zu Sr. Königl. Hoheit. „Mit dem größten Ver
gnügen," sagte ich, „steigen Sie nur gefälligst
ein." Nun ging's los. Ich fragte den freund
lichen und stattlichen Herrn Revierförster: „Wegen
welcher Sache wollen Sie denn zum Kurfürsten?"
„Ich habe Gehaltszulage bekommen, und da ist
es bei Unsereinem Gebrauch, sich persönlich bei
Sr. Königl. Hoheit zu bedanken." „Es ist aber",
sagte ich, „noch zweifelhaft, ob wir überhaupt vor
gelassen werden." „Ich", sagte der Herr Revier
förster, „werde jedenfalls vorgelassen, denn Se.
Königl. Hoheit lieben die,grüne Farbe'; außerdem
muß ich bemerken, daß Se. Königl. Hoheit bereits
mit meinem Vater bekannt war und daß er auch
wiederholt schon mich empfangen hat; einmal
hat er sogar schon, als ich im Jägerbataillon
stand, während der Parade mich angeredet; also
ich werde wohl sicherlich vorgelassen." Ob auch
ich vorgelassen würde, war nach diesen Bemerkungen
dem „Herrn von der grünen Farbe" wohl etwas
zweifelhaft. Der Wagen rollte weiter. Mein
Freund S., der meinetwegen geradezu in Auf
regung war, ries mir wiederholt, als er bemerkte,
mit welchem humorvollen Gesicht ich dasaß, zu:
„Franz! paß nur aus!" „Ja, ja, ja", sagte ich,
und fort ging es. So rollten wir denn auf
Wilhelmshöhe vor dem Hotel Schombardt vor,
stiegen aus und begaben uns in's große Gast
zimmer. Es war etwa halb zwölf geworden.
Wir schickten sogleich einen Kellner in's Schloß
um zu fragen, ob Se. Königl. Hoheit schon
von Kassel aus der Ministersitzung zurückgekehrt
sei, und bekamen die Antwort: es könne ein Uhr
werden, bis die Rückkehr erfolge. Der Kurfürst
befand sich in einer Ministersitzung.
Während wir nun im Gastzimmer so mit
einander schwatzten, wurde auf einmal von zwei
Kellnern ein Schließkorb, so groß wie ein Markt
schiff, herein getragen und hinter eine hohe
spanische Wand gestellt. Bald daraus kam auch
noch ein anderer Herr in Zivil, verschwand hinter
der spanischen Wand, und nach einer halben
Stunde kam derselbe Herr in der vollen Uniform
der ^^611 Landbaumeister wieder zum Vor
schein und ging in gemessenen Schritten im Saale
aus uitb ab. Ich merkte gleich, daß auch dieser
Mann, wie inan im Volksmund zu sagen pflegt,
„Schmerzen habe", ging aus ihn zu, stellte mich
ihm vor und sagte zu ihm: „Sie wollen gewiß
auch zu Sr. Königl. Hoheit?" „Jawohl, ich
bin zum Landbaumeister ernannt worden und