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Nie Negententhätigkeii Landgraf Wilhelms VI.
Von Oi-. W. Grotes end.
(Fortsetzung.)
'Mie in der Kanzleiordnung für die Geschäfts-
Uf führung ailfgestellten Gesichtspunkte und
Grundsätze brachte der Landgraf öffentlichen
Beamten gegenüber überhaupt zur Anwettdung,
so wurde z. B. den ritterschastlichen Ober-
einnehmern, die von der Ritterschaft aus dem
Landtage selbst gewählt, von fürstlichen Bevoll
mächtigten in Gegenwart einiger Abgesandten der
Ritterschaft in Eid und Pflicht genommen wurden,
das Gelöbniß abverlangt: die Steuern von einem
jeden aus der Ritterschaft treulich einzubringen,
eines jeden Lieferung in ein richtiges Register zu
verzeichnen, die Verzeichnisse und Lpsoitieationos,
so ein jeder nebst seiner Lieferung vorbringen
wird, derogestalt zu übersehen, daß treulich und
sonder Gefährde versteuert werde, die Ungehor
samen und Säumigen, die nicht liefern, aufzu
zeichnen und unserm Gn. F. u. H. anzeigen ztt
lassen, von ihren Einnahmen aufrichtige Rechnung,
Lieferung und Bezahlung zu thun und sonsten
allenthalben bei diesem Amt gebühren zu wollen . ..
und darwider nichts zu thun, alles getreulich und
ohne Gefährde (a. a. O., S. 244).
Demnach bestand schon damals das, was die
Gegenwart unter Diensteid versteht. Die Er
innerung an die Pflichten, welche der Diensteid
den Beamten auferlegte, bekamen diese vom
Landgrafen, der sich, unterstützt von Männern wie
dem Kammerpräsidenten Nikolaus Sirtinus,
dem Kanzler Johann Vultejus, dem Vize
kanzler Licenciat N. C. Müldner und seinen
Räthen Johann Kaspar von Dörnberg,
Johann Dietrich von Kunowitz, Philipp
von Schöllet, Johann Heinrich Dauber,
vr. Just ns Jungmann, David Ludwig
Schefser, Kaspar Weigand u. a., die
Durchführung einer geregelten Dienstaufsicht sehr
angelegen sein ließ, häufig zu hören. Nicht selten
stoßen wir in den landgräslichen Erlassen und
Verordnungen aus „die Eide und Pflichten, damit
sie (die Beamten) uns verwandt seien", so z. B.
in der Bettelordnung vom 27. September 1651
(a. a. O., S. 151), in dem Patent gegen die
Wilddieberei und Wildschützen vvnl 24. November
1652 (a. a. O., S. 167) und in dem Edikt
betreffend das Verbot des Flachsröstens in
Forellen-, Grundel- und Krebswassern vom
10. Juli 1653 (a. a. O., S. 185). Diese immer
wiederholte Erwähnung des Diensteides dürfte
etwas für die hohe Auffassung des Landgrafen
von der Beamtenpflicht besonders Bezeichnendes
sein.
Dieser seiner Auffassung von den Beamten
pflichten entsprechend wurde er nicht müde,
immer und immer wieder daraus zu dringen,
daß jeder Beamte wirklich das zur Ausführung
brachte, was ihm durch die landgräslichen Ver
fügungen anbefohlen wurde, und die letzteren'
nicht lediglich auf dem Papier stehen blieben.
Man vergleiche dazu das Ausschreiben wegen
Einsendung einer Spezifikation der steuerbaren
Güter vom 4. Dezember 1654 (a. a. O., S. 225),
in welchem der Fürst den Beamten, welche
die von ihnen aufzustellenden Spezifikationen
noch nicht eingeschickt hatten, sein höchstes Miß
fallen darüber aussprach und sie recht nach
drücklich mahnte, seinen Anforderungen nachzu
kommen.
Nicht übergehen möchten wir den Umstand, daß
der Landgraf, wie er nicht duldete, daß die
Beamten die übrigen Unterthanen irgendwie be
drückten oder sich auf deren Kosten bereicherten,
ebensowenig litt, daß sie aus ihrem Amtscharakter
Veranlassung nahmen, vor den übrigen Unter
thanen Vorrechte zu beanspruchen, sie vielmehr
auf gleichem Fuße mit der übrigen Bürgerschaft
behandelt wissen wollte. In diesem Sinne heißt
es in dem Ausschreiben über die Anlegung neuer
Steuerregister vom 1. November 1651 (a. a. O.,
S. 151): Wie denn auch Ihr, die Beamten, . . .
selbst auch alle Eure eigenen Güter und Gefälle
treulich aufzeichnen, Euch derselben durch Bürger
meister und Rath anschlagen und mit in obgedachte
Spezifikation bringen [sollt].
Bedeutendes Gewicht legte der Landgraf darauf,
daß seine Erlasse und Verordnungen, die für