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sei. Es wird eben einfach und schmucklos erzählt,
wie der Krieger im gerechten Krieg seine Abenteuer
erzählt oder sich notirt, und so einfach und schmucklos,
ja in der altväterischen mangelhaften Schreibweise
der damaligen Zeit will ich die Auszeichnungen
wiedergeben, es wird das am besten geeignet sein,
uns in die Stimmung jener Zeit zu versetzen.
Es handelt sich um den Brief eines Offiziers
ans dem Regimenté des Obristen Rnll namens
I. Ritz an seine Gattin in Wolfhagen:
„Mein allerbestes Lißgeu!
Ich zweifle nicht. Du wirst meinen legten Bries
mit einer assignation an fürstliches Kriegs Zahl
Amt über 153 Rthlr. 12 alb. richtig erhalten
und das Geld auch bereits empfangen haben, ich
übersende Dir Hiebey abermahlen eine assignation
vom Hrn. Kriegs Cassier Schmidt über 122 */2 Rthlr.,
welche Du bey dem Hrn. Kriegs Zahlmeister Harnier
zu Cassel ebenwohl zu empfangen haben wirst, ich
bin überzeugt daß Du diese Gelder, welche wie es
sich versteht, zu Deiner und der lieben Kindern
Unterhaltung lediglich bestimmt sind, gut anzuwenden
wissen wirst, solltest Du wieder Vermuthen den
ersten Brief nicht erhalten haben, so melde Dich gu
Cassel bey Hrn. Harnier, dieser wird Dir alsdann
das Geld doch auszahlen, indeme Er von hieraus
bereits davon avertirt ist.
Nun eine Neuigkeit, wovon ich aber wünsche,
daß solche besser seyn möchte, als Sie würklich ist,
der Obrist Rall der diesen gantzen Sommer hindurch
die 3 Regimenter von Loßberg, von Knipphansen
und Rall zu Oommandiren und mit vielem Ruhm
gefochten hatte, wurde Commandirt mit seiner
Brigade nach Trenttown zu marchiren (welches
70 Engl. Meilen von Newyorck und 30 Engl.
Meilen von Philadelphia in Pensilvanien ist)
und daselbst das User vom Fluße delaWar zu
decken, allein aus den 2 ten Christag Morgends um
7 Uhr wurden die 3 Regimenter von 8 000 Ameri-
canern überfallen, machten ohngesehr 600 gefangen,
einen Haussen todt und ohngesehr 7 bis 800 retteten
sich mit der flucht, der Obrist Rall selbsten wurde
todt geschossen, der Obristlt. Bretthauer vermißt
und ist vermuthlich im Wasser umgekommen; was
überhaupt dabey geblieben ist, tan man eigentlich
noch nicht genau sagen, indeme die Piste noch nicht
eingesandt worden. Ich wurde einige Tage vorher
nach Newyorck geschickt um Gelder vor das Regt.
zu empfangen, und kan mich dahero vor vielen
andern glücklich schätzen, daß ich nicht auch in die
Hände derer Feinde gekommen bin. Des Capitaine
Boeckings Compagnie, unter welcher viele aus
Wolshagen sind, hat vorzüglich viel gelitten bey
der affaire. Der rest von diesen 3 Regimenter
hat sich nun allhicr in Newyorck wieder zusammen
gezogen und 1 Bataillon formirt, und ich thue
den Dienst als Regts. Quartier Meister dabey, das
Battaillon selbsten aber wird vom Hrn. Obristlt.
von Schieck oommandirt. Ich habe inzwischen an
dem Obristen Rall viel verlohren, er war vor
mich ein guter Chef und würdigte mich seines
völligen Zutrauens, überhaupt gienge Er mit mir
aus einen sehr freundschaftlichen Fuß um. Dieser
Umstand verursacht auch wirklich mit, daß ich den
Frieden um so mehr wünsche, ich habe auch zugleich
Ursache dieses zu hoffen, da ich nicht glaube daß
sich dieser iu allem betracht böse Krieg lange
souleniren kan, künftig werde ich hier von weit
läufiger schreiben, wann ich erstlich genauere Nach
richt von unseren todten und gefangenen habe.
Wie kommt es dann, mein bestes Lißgen, daß
ich gar keine Briefe von Dir bekomme? einen
eintzigen Brief, der vom 12ten May datirt wäre,
erhielte ich unterm löten October. Schreibe mir
doch öfters, mein bestes Kind, es ist ja vor mich
der eintzige vergnügte augenblick in America, den
ich mit Dnrchlesung Deiner Briefe zubringe. Ich
bin indessen, Gott sey Dank, so immerhin gesund,
ich hoffe und wünsche von Dir mein theuerster
Engel und dene lieben Kindern ein gleiches, Dich
umarme ich hertzlich und die lieben Kinder küße
ich tausendmahl in Gedanken und bin Ewig
Mein allerbestes Lißgen, Dein
getreuester
I. Ritz.
Newyorck, den 13 ten Januar 1777.
Allen unsern Freunden besonders Hrn. Actuarius
Schenckel sage tausend verbindliches von mir. Der
Herr Regimentsquartiermeister Broescke, der mein
sehr guter Freund und osft bey mir ist, empfiehlt
sich Dir unbekannter weise, an seine Frau Baase,
nemlich an die Frau Schwester in Wolfhagen aber
läßt derselbe viele Empfehlungen vermelden. Der
Johannes läßt die Seinigen ebenfalls vielmahls
grüßen."
Ein richtiger Soldatenbrief: Gleichmut!), wenn
auch Bedauern dem unvermeidlichen Kriegsgeschick
gegenüber, ein Versuch, der Frau Hoffnuug auf
baldige Beendigung des bösen Krieges zu machen,
aber von Unzufriedenheit gegen die Machthaber,
welche ihn in diesen bösen Krieg schickten, keine
Spur. Woher auch? Er war Soldat, der Krieg
war sein Beruf, und er hofft nur aus den Frieden,
weil er schon die Hoffnungslosigkeit der Sachlage
zu erkennen scheint. Das Schlachtfeld Amerika ist
ihm nicht mehr- oder minderwerthig als jedes
andere Schlachtfeld. Kngo Arederking.