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Während des Ganges um den Altar beim heiligen
Abendmahl blieb der Muff im Stuhl zurück,
dagegen trug die Andächtige das Gesangbuch in
beiden Händen, über dem ein feines, blendend
weißes Tüchlein gebreitet lag. Die Männer
trugen Beun Gang zum Tisch des Herrn stets
die steifen Zylinder unter den linken Arm geklemmt.
Die beschriebenen Trachten waren nur den
Bewohnern der Dörfer des Fürstenthums Menburg-
Birstein, Amtes Selbold, eigen. Sie schieden sich
tu wesentlichen Stücken von denjenigen der Be
wohner benachbarter Hanauischer Gemeinden,
besonders des Bücherthales. Nur einmal habe
ich dieselben Trachten wiedergesehen und zwar
viel später bei einem landwirtschaftlichen Feste
in Birstein, bei welcher Gelegenheit in dem Fest
zuge ein Wagen mitgesührt wurde, auf dem eine
Spinnstube in alter Zeit aus dem Gericht Reichen
bach dargestellt war. Man hatte dort die alten
Muster aus der Rumpelkammer in den Dörfern
hervorgeholt und danach die Tracht wieder her
gestellt. Dieselbe stimmte auf's Genaueste mit
der vorher beschriebenen überein. Beide Land
schaften waren vormals Theile des Fürstenthums
Menburg-Birstein. Obwohl stundenweit getrennt
und in ganz anderer Umgebung, pflegten die
Bewohner derselben doch den äußeren Zusammen
hang als Kinder eines Landes durch ein und
dieselbe Tracht.
(Fortsetzung folgt.)
Nie Schlacht bei Wilhelrnsthal am 24. Juni 1762.
Vortrag von Dt. med. Carl Schwarzkops.
(Fortsetzung statt Schluß.)
t
t er Verlust der Geschütze rief eine große Er
bitterung besonders bei den hannoverschen
Bataillonen hervor;, mit lautem Ungestüm
stürzten sich die Hannoveraner nnf die von den
Franzosen hartnäckig vertheidigten, eben genomme-
nen englischen Geschütze. Das Bataillon Redern
war eins der ersten in der Batterie und Lieutenant
von Bascholo voir dem genannten Bataillon
hatte seinen Sponton fortgeworfen und stürmte mit
hochgeschwungenem Degen den Seinen voran; da
stellte sich ihm eilt baumlanger französischer
Grenadierosfizier entgegen, die beiden kreuzten die
Klingen, und der Hannoveraner schlug mit dem
ersten Hiebe dem feindlichen Offizier die Bären
mütze hinab und dann brachte er ihm noch eine
weit klaffende Wunde durch das ganze Gesicht
mit einen: zweiten Hiebe bei. In bent Augen
blick sprang ein französischer Greliadier hinzu
llnd stach betn hannoverschen Lieutenant das
Bajonett in den Arm, sodaß dieser den Degeir
fallen ließ und blutüberströmt zusammenbrach.
Ein anwesender Chirurg verband die nicht sehr
tiefe, aber stark blutende Fleischwnnde und weiter
stürmten die Hannoveraner in das Dickicht des
Waldes.
Sie werden lnich fragen, woher ich die Einzeln-
heiten dieser Begegnung zweier feindlicher Offiziere
so genau kenne; die Sache ist sehr einfach. Der
Sohn dieses tapferen Offiziers hat mir dieselbe
wiederholt erzählt. Dieser Sohn lebte als
pensionirter Hauptmann in dem nahe gelegenen
Dorfe Spickershausen, hatte als Ordonnanzoffizier
Wellington's die Schlacht bei Waterloo mit-
gefochten, stand auf englischem Halbsold und hatte
dem englischen Staate, da er ein sehr hohes
Alter erreichte, sehr viel Geld gekostet. Von seinen
wie von seines Vaters Kriegsthaten hat er mir
dann manchmal, wenn wir aus der grauen Katze
zusammensaßen, berichtet.
Als er mir nun diese Geschichte aus der Schlacht
bei Wilhelmsthal zum ersten Male erzählte, hegte
ich starke Zweifel. Ich theilte die Sache den:
seligen Dr. Dunker mit; „das wollen wir bald nach
sehen", sagte dieser, holte die Memoiren von West-
phalen her, und siehe da, in der Relation des Herzogs
an Friedrich den Großen stand unter den
officiers blesses der Lieutenant von Baschols
vom Bataillon Redern. Ich war von dieser
Auskunft natürlich befriedigt, und als ich wieder
hinkam, sagte ich dem Hauptmann: „Bitte,
erzählen Sie alles, verschweigen Sie nichts."
Der alte Hauptmann hat mir aus der Wilhelms
thaler Schlacht noch Manches erzählt, wie er e§-
ans dem Munde seines Vaters gehört hatte.
Wie z. B. Lord Granby unbeweglich wie eine
Bildsäule vor dem Dorfe Fürstenwald nüt seinem
Stabe gehalten habe, wie er jedesmal mit dem
Kopse genickt habe, wen:: vorüberziehende Offiziere
ihn grüßten, wie er aber auch keine Miene ver
zogen habe, wenn eine Kugel dicht an ihm vor
beisauste, wie die französischen Grenadiere den
Kapitän von der Wense aus seinen eigenen
Leuten heraus zun: Gefangenen gemacht hätten,
wie die Bergschottei: mit ihren langen Flinten