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Vermögensverhältnisse sah Kunzmann, der bereits
früher ein Viertel des Herzbergs an die von
Han st ein hatte verpfänden müssen, sich kurz vor
seinem Tode, im Jahre 1416, genöthigt, Land
graf Ludwig dem Friedsamen von Neuem zu
huldigen und damit seine Unterwerfung zu voll
ziehen. Kunzmann's Sohn, Werner, kam dann
in die Lage, von dem Landgrafen Geld borgen
zu müssen, der sich dafür 1 1 /a Viertel des Herz
berges als Pfand verschreiben ließ. Der Land
graf, der bereits vorher aus seinem Antheil des
Herzberges einen eigenen Amtmann gehabt hatte,
gelangte nach dem Tode Werner's, des letzten
seiner Linie, in den vollen Besitz der Burg, die
fortan zunächst von fürstlichen Amtleuten bewohnt
wurde, jedoch nur bis zum Jahre 1477, als
Landgraf Heinrich III. seinen Hofmeister
Hans von Dörnberg, dem er beträchtliche
Summen schilldete, am 11. Juli auf dessen
Vorschlag mit dem Schlosse Herzberg und dem
halben Gericht Breitenbach belehnte, eine Be
lehnung, die des Landgrafen Sohn Ludwig
1478 nochmals bestätigte. Hans von Dörnberg,
eine der bekanntesten Persönlichkeiten in der
hessischen Geschichte seiner Zeit, seit 1463 als
mainzischer Lehnsmann Besitzer des Schlosses
Hausen und auch sonst schon länger in der Gegend
begütert, mußte infolgedessen in der Erwerbung
des Herzberges und der benachbarten Ortschaften
eine sehr wünschenswerte Abrundung seines Be
sitzes erblicken.
Die nächste Ausgabe der Herren von Dörnberg
nach ihrer Besitzergreifung war es, die sehr ver
fallene Burgveste wieder in einen vertheidigungs-
fähigen Zustand zu versetzen. Hans von Dörn
berg entschloß sich sogar zu einem völligen Neu
bau. Das sogen, alte Haus, die östlichen und
westlichen Mauern, die darauf stehenden Gänge
und der innere Thurm wurden zuerst fertig, noch
1490, das Schloß selbst wurde 1494 vollendet.
Neubauten und Ausbesserungen hörten jedoch
trotzdem bis zum Jahre 1563 nicht aus, zumal
die Burg auch von Feuersgefahr nicht verschont
blieb.
Schwere Drangsale brachte der dreißigjährige
Krieg über den Herzberg und seine Bewohner,
der, weil er die Straße von Hersfeld nach Als
feld völlig beherrschte, gerade damals in dem an
haltenden Zerwürfnisse, welches zwischen den beiden
Zweigen des hessischen Gesammthauses von Kassel
und Darmstadt bestand, für den Kasseler Land
grafen von hoher Wichtigkeit war und von ihm
auf Grund des ihm zustehenden Oeffnungsrechtes
mit einer hessischen Besatzung versehen wurde,
deren Unterhalt für die Familie von Dörnberg
eine schwere Last war. Landgraf Wilhelm V.,
der Held des dreißigjährigen Krieges, betrachtete
den Herzberg wegen seiner Lage als Landes-
festnng und drang auf Verstärkung der Festungs
werke aus den Mitteln der von den Dörnbergischen
Unterthanen fälligen Landeskontribution. Doch
gelangte diese Absicht erst unter Wilhelm's Wittwe,
der großen Landgräfin Amalie Elisabeth,
und zwar aus Landesmitteln, zur Ausführung.
Auch einer, wenn auch erfolglosen Belagerung
entging man nicht. Im Jahre 1637 brach Feuer
ans und zerstörte die Mehrzahl der Gebäude,
besonders die am besten eingerichteten Wohnhäuser.
Nach dem westfälischen Frieden wurde die Be
satzung, die zeitweise 60 Mann betragen hatte,
aus 4 Mann und einem Gefreiten verringert,
neben denen die von Dörnberg jedoch fortwährend
noch einen Lieutenant hielten. Auch im sieben
jährigen Kriege behielt der Herzberg seine stra
tegische Bedeutung und war abwechselnd von
Truppen der Verbündeten und der Franzosen
besetzt.
Obschon die Burg als militärisch wichtiger
Punkt betrachtet wurde, zerfiel sie immer mehr
und war, abgesehen von allen: andern, auch in:
Hinblick auf die Konunandantenwohnung in:
Thurme der Vorburg, so baufällig, daß der sieben-
undsiebzigjährige Kommandant, Major von
Rückersfeld, sich Erlaubniß erbitten mußte, seine
Pension von monatlich acht Thalern anderswo
verzehren zu dürfen. Zwar war kurz vorher be
schlossen, die zur Befestigung gehörigen Mauern
und sonstigen Werke, sowie die für die Garnison
nöthigen Gebäude fortlaufend in guten: Stande
zu erhalten, doch konnte dieser Beschluß den
Verfall der Werke nicht aushalten.
Die noch vorhandenen vier verrosteten Kanonen
von alten: Eisen ließ der Dörnbergische Amts
schulz 1808 als solches verkaufen, weil er fürchtete,
daß die westfälische Regierung sich ihrer be
mächtigen könnte.
So sehr wir heute den Zerfall der stattlichen
Burg bedauern, so lebhaft freuen wir uns anderer
seits der prächtigen Aussicht, welche sich uns dort
oben bietet, und sind froh, in einer Zeit zu
leben, in der es der Grenzsestungen des einen
deutschen Staates gegen den andern nicht mehr
bedarf.
W. H.