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Da ließ der Meister Gerber
Den Kalbmond alleweil,
Der Färber ließ die Küpen,
Der Zimmrer Säg' und Beil,
Der Schreiner hobelte nicht mehr,
Der Schneider legte weg die Scheer';
Lin jeder griff zur Büchs'.
So zogen kühn, ein Kaufen,
Iu's Blachfeld sie daun init.
Da ging's zum vorderstreite
Im raschen Lauf und Schritt,
von ihren Büchsen blitzte'? Kraut,
Aus Busch und Gräben krachte's laut
Und flog der Tod zu Thal.
voran den wackern Schützen
Bei ihrer Fahne Weh'u,
Handhabend feine Büchse,
Der greise Kapitän.
Mit einem Mal durchblitzt ihn Zorn,
Er sieht, tm Streit auftauchend, vorn
Den Pfauenfederhut.
Und an die rechte Backe
Der Büchsenkolben fliegt,
Und ruhig, wie ein Steinbild,
Er fest im Anschlag liegt.
Die Büchse kracht' — und von dem Roß
Zum grünen Rasen niederschoß
Der Mann im Federhut.*)
Erschrecken faßt die Feinde —,
Die Hessen allemann
Mit lautem Schurri stürzen
Iin wilden Schock heran.
Die Feinde fliehen aus dem Thal —,
Sie lassen selbst den General
In ihrer Gegner Hand.
Der Velten steht beim Todten
Und nimmt den Federhut:
„Sollst stehen dem Schützenkönig
In Ziegenhain nun gut!
Heran, ihr Schützen! Tragen wir
In'? Weichhaus fort den Offizier,
Wie gestern er'? gewollt."
Zwei Büchsen quer und drüber
vier andre legt die Schaar
Der Länge nach — dein Helden
Zu einer Todtenbahr'.
Auf Eichenreisig hingestreckt,
Mit Eichenlaube zugedeckt,
Ruht nun der General.
Und bei gedämpfter Trommel
Da zog im Trauerschritt
Die Schützenschaar nach Hause,
Den Todten in der Mitt'.
„Im Weichhau?", schrieb er, „morgenfrüh!
Im Uebermuthe, und nun sieh,
Er ist'? und weiß e? nicht! —
Zuin Rathhause sie brachten
Al? Sieg?trophäe drauf
Und hingen in dem Saale
Den mächt'gen Sarra? auf.
Dort hängt er noch in stummer Pracht
Zum Angedenken au die Schlacht
Im Riebel?dorfer Grund. —
Zum Schützenkönig riefen
In ihrem Schützenhau?
Nunmehr den Velten Muhli
Die Kampfgenossen au?:
„Der hat den Meisterschuß gethan!
Der muß den Federhut empfahn!
Der Schützenkönig hoch!"
Und wie den greisen Schützen
Der stolze Schlapphut ziert,
Rief alle? Volk: „Die Ehre,
Dem Ehre just gebührt!"
Dann gab'? ein lustige? Bankett!
So lustig, daß erst spät zu Bett —
Und wie! — das Ziegenhain. Ludwig Wahr.
*) Johann Rudolf von Breda, Feldmarfchall-tieutenant in kaiserlichen Diensten.
Burg Hercherg.
ine uralte Straße führt vom Rheine und
von Frankfurt her über Alsfeld und Hers
feld nach Thüringen, eine Straße, die im
16. Jahrhundert zum Unterschied von einer nörd-
licheren Straße „durch die langen Hessen", welche
von Frankflirt über Gießen, Kirchhain, Treysa,
Homberg, Spangenberg, Waldkappel und Kreuz
burg nach Thüringen zog, die Straße „durch die
kurzen Hessen" genannt wurde. An dieser Straße
liegt, etwa 2 1 /2 Stunden östlich von Alsfeld und
3 Meilen südöstlich von Ziegenhain auf dem
beherrschenden Höhenzuge, welcher den Knüll nach
Süden hin mit dem Vogelsberg verbindet, dicht
ans der südlichen Grenze von Niederhessen, und
somit ein Schlüssel des Hessenlandes, die Burg
Herzberg (= Hirschberg). Der Burg
berg, der sich 500 Meter über der Meeresfläche
erhebt, bildet die höchste Kuppe eines südlich und