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Gerd von Falkenberg
und die Niederwerfung Tillinghausens im Jahre 1530.
Von Dr. Wilhelm Chr. Lange.
Ryten, roden bat en is ghein schände,
Dnt doynt die besten dan dem lande.
sR o l e v i n f.]
t -
Anfang des 16. Jahrhunderts sehen wir
in unserer deutschen Geschichte das Volks
en leben an einem wichtigen Wendepunkt an
gelangt, der durch die großen Umwälzungen aus
geistigem Gebiete ebenso wie durch neu sich geltend
machende Bestrebungen sozialer und politischer
Art scharf charakterisirt wird.
Der Ritterstand, dessen Leben und Treiben
dem Mittelalter sein eigenthümliches Gepräge
ausgedrückt, war längst von seiner Höhe herab
gesunken und manche Umstände und Verhältnisse
rüttelteil an den Grundvesten seiner Existenz.
Das Aufblühen des städtischen Patriziats hatte
ihn lange Zeit angetrieben, dieses in äußerem
Prunk und Glanz zu übertreffen, doch stürzte
ihn ein solcher Wetteifer nur in desto größere
Noth. Nicht mehr war der Ritter, wie vor
Zeiten, Kaisern und Fürsten unentbehrlich, indem
er mit seinen Reisigen die schwere Reiterei bildete
und die Kämpfe des Mittelalters mit eingelegter
Lanze zur Entscheidung brachte; die Vervoll
kommnung der Feuerwaffen hatte das Fußvolk
wieder aus seine alte Stelle gehoben, lind, wenn
der Ritter das alte adelige Handwerk fortsetzen
wollte, sah er sich jetzt genöthigt, unter die Führer
der „frommen" Landsknechte zu gehen und im
Beginn dieser Laufbahn sich mit dem langen
Spieß in das erste Glied zu stellen, wie einst
Kaiser Max gethan. Doch nicht alle die Herren
hatten Lust und Gelegenheit, als glückliche
Söldnersührer sich Reichthum, Ehre und Ansehen
zu verschaffen und in diesem Falle oft keine andere
Anmerkung. H auptquellen:
Unmenschliche . . . Henrichs der sich nennt den
Jüngeren vonn Braunschweig übelthaten rc. 1544.
Citation vnd vorbeschied des Keis. Camergerichts
zu Speyer Widder Hertzog Heinrichen rc. 1539.
Urkundliche Auszüge im Nachlaß Georg Landau's
(Bibi. Casell,).
Wahl, als aus den Stegreif zu reiten. Sicher
war es bei vielen nicht lediglich Lust an Raub,
sondern die bittere Noth, die den jüngeren Sohn
einer alten adeligen Familie — wenn sie gerade
nicht sehr reich war, — aus diese Bahn geführt
hat. Nur ganz wenige konnten sich zu dieser
Zeit entschließen, das Reiten aus grüner Haide
zu lassen, gelehrte Studien zu treiben und dann
eine Stelle als Rath bei ihren Fürsten einzu
nehmen. Das in den ersten Jahrzehnten des
Jahrhunderts wieder ganz besonders auftretende
Ranbritterthnm wird, so hat man sich gewöhnt,
stets besonders gebrandmarkt, aber man denkt
selten daran, daß die sozialen Zustände im
heiligen römischen Reiche, welche unter den
Bürgern der großen Städte herrschten, ebenfalls
wenig rühmliche waren. Die Steigerung des eigent
lichen Geldhandels, die Gründung großer Handels
gesellschaften behufs Ausbeutung eines Handels
weges und aller möglichen Artikel zeigen genug des
Ungesunden, das Aufkäufen von Wein und Feld-
srüehten, der Schafe und der unentbehrlichsten
Lebensbedürfnisse war an der Tagesordnung.
Wer deshalb den Stein wirst ans jene Edelleute,
der soll auch der Schnapphähne gedenken hinter
den festen Mauern der Städte.
Daß sich in Folge dessen der Haß eines großen
Theils der Ritterschaft gegen die übermüthigen
Bürger nicht minderte, daß sie, im Streben nach
Verdienst, um ihre eigene Person und ihre
Knechte zu unterhalten, zuweilen gern bereit sich
finden ließen, den Städtern etwas am Zeug zu
flicken, das kann Niemand Wunder nehmen.
Aus diesem Gesichtspunkte müssen auch die nach
stehend geschilderten Ereignisse betrachtet werden,
welche ihren düsteren Schatten auf das Leben
eines Edelmannes jener Zeit werfen und in der
letzten Stunde zu bösem Ende führten.
Das Geschlecht der von Falkenberg, welches
seit Jahrhunderten schon zu Herstelle ansässig
war, stellt, das kann nunmehr als zweifellos
gelten, einen Zweig des alten Stammes der