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Erinnerungen an Ferdinand Zwenger
von Ludwig Mohr.
(Schluß.)
C jl(f n meinem Verkehre mit Zwenger, während der
Zeit des Ftlldaer Anzeigers, habe ich ihn stets
i als einen Mann edelster, uneigennützigster
Gesinnung kennen gelernt. Meine Beitrüge zu
dem belletristischen Sonntagsblatte hatten sich eines
Honorars, und zwar eines unbednngenen, zu er
freuen, dessen sich größere Zeitschriften nicht hätten
zu schämen brauchen! Dabei erinnere ich mich
eines besonderen Falles, dessen er später gern
mit Stolz Erwähnung that, weil er mich in
Fühlung mit dem Herausgeber der Gartenlaube,
Herrn Robert Keil, brachte.
Es war Anfangs der Siebenziger Jahre, als
ich damit umging, Züge aus dem Leben des
letzten Kurfürsten novellettenartig zu illustriren.
Die im Umlauf sich befindlichen Anekdoten sollten
gesammelt und bearbeitet werden; nur, wo her
vorstechende Charakterzüge nicht durch solche
beleuchtet wurden, sollte die Dichtung frei ein
greifen. Ich ging rasch zu Werke, sodaß bald
eine hübsche Anzahl Nippsächelchen tu meiner
Mappe lagen. Um die Zugkraft derselben zu
prüfen, ward beschlossen, einige derselben in
hessischen Blättern zu veröffentlichen. Als die
geeignetsten daztt erschienen mir die Kasseler-
Tagespost und das Sonntagsblatt des Ful-
daer Anzeigers. Mit ersterem stand ich auf
Kriegsfuß, mochte aber seine Spalten nicht ent
behren. Es galt die Sächelchen also hinein ztl
bugsiren, ohne daß die Schriftleitung eine Ahnung
davon hatte, daß dieselben aus meiner Feder
stammten. Aber mie? Zwenger, der um mein
Vorhaben wußte, rieth mir, da die Tagespost
mit Vorliebe gern das Sonntagsblatt des Ful-
daer Anzeigers benutzte, ein oder zwei Stücke
anonym in letzterem ztl veröffentlichen; unter
falscher Flagge segelnd würden dieselben ganz
sicher den Weg in die Tagespost finden. Der
Rath war gut, ich wählte das Pseudonym Hans
Mühlau, und Zwenger setzte schalkig noch ein
Dr. davor.
So erschien denit in dem nächsten Sonntags-
blatt die Humoreske: „Der Wilddieb von
Gottsbüren" von Dr. Hans Mühlau, bei
der Alles, bis auf die nackte Thatsache, bloße
Dichtung war. Thatsache war, daß der Metropolitan
Dr. Feyerabend zu Gottsbüren erst dann die
Bestätigung zu einer Beförderung seitens des
Kurfürsten — der eine Abneigung gegen feinen
Namen hatte — erhielt, als ihn, den Pastor,
der Referent in dieser Angelegenheit als Reinhards-
walder Wilddieb verdächtigt hatte. Das Stückchen
wurde mit Heißhunger verschlungen und segelte
alsbald in dem Dienstagsblatte der Kasseler-
Tagespost mit vollem Winde weiter, um schließlich
in der Septembernummer der Gartenlaube als
ein fast wortgetreues Plagiat unter fremder Flagge
wieder aufzutauchen. Sofort schrieb ich an den
Herausgeber der Gartenlaube und beanspruchte,
unter Beifügung des Sonntagsblattes vom Fuldaer
Anzeiger und der bezüglichen Nummer der Kasseler-
Tagespost, Anerkennung der Urheberschaft für mich.
Mit Wendung der Post erhielt ich Antwort, in
welcher Keil nicht nur meine Autorschaft voll an-
erkannte, sondern auch das Honorar, wie für eine
Originalarbeit, anfügte. Den Schluß der sich aus
dieser Angelegenheit entwickelnden Korrespondenz
bildete das Ersuchen tun weitere Beiträge für die
Gartenlaube und die Zusicherung eines Honorars
von sünfundsiebenzig Thalern für den Druckbogen.
Nietnanden war das mehr eine Genugthuung,
als Zwenger; hatte doch der steine Fuldaer An
zeiger eine Bekanntschaft mit dem großen Welt-
blatte vermittelt.
Der genannten Humoreske, die solchergestalt
zur Legende geworden ist, folgten andere, wie „Das
Gedächtniß des alten Herrn", „Kurfürst Friedrich
Wilhelm und Peter, der große" u. a. m.; zu
einer Herausgabe des Büchelchens aber kam es
iticht, da meine Zeit und Kraft dttrch die An
forderungen meines Amtes — ich war inzwischen
in die Dienste der königlichen Eisenbahnver-
waltung getretett — völlig in Anspruch genommen
wurden.
Zwenger liebte seine Buchvnische Heimath
und Alles, was damit zusammenhing, wie kein
Zweiter. So rühmte er einst in einem kleinen
Kreise den Fuldaer Schwartenmagen. Ich musste
über den Eifer, mit welchem solches geschah,
lächeln. Ihm entging das nicht, und schalkig
sagte er: „Lachen Sie nur ungläubig; Sie zu
bekehren wird ein Leichtes sein!" Nach einiger
Zeit erhielt ich durch die Post ein Päckchen von
Fulda und darin einen großen Schwartenmagen,
bei welchen noch ein Rezept zu einem Wachholder-
Beiguß lag. Von einem Absender aber war kein
Jota ztl finden. Ich wurde in der That bekehrt.
Eine Schattenseite hatte Zwenger, die darin
bestand, es mit der Aufbewahrung eingesandter
Beiträge ztl leicht zu nehmen. So ist es geschehen,