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Friedrichsplatz, die Straße oberhalb davon längs
der Oberneustadt wurde Friedrichsstraße, die unter
halb am Museum (der Bibliothek) her Bibliothek
straße, die jetzige Georgenstraße Philippsstraße,
die Große Straße die Frankfurter Straße, die
Gartenstraße die Bellevuestraße, der jetzige Garde-
du-Corps-Platz der Gensdarmen-Platz genannt.
Zum Schluß mag noch aus späteren Vermerken
entnommen werden, daß im Juli 1789 die neu
erbaute Kirche zu Niederzwehren noch ohne Dach
war, trotzdem aber darin allsonntäglich Kirche
gehalten wurde, und daß Anfang August 1796
König Friedrich Wilhelm II. von Pyrmont
nach Kassel kam. Er logirte eine Nacht auf dem
Weißenstein und kam folgenden Tags in die Stadt,
besah die WachtParade, das Marmorbad, die Bilder
galerie, die katholische Kirche und das Museum. Des
Abends wurde der ganze Augarten**) illuminirt
und darauf ein Maskenball im Orangerieschloß
abgehalten. Nach zwei Tagen reiste der König,
sehr befriedigt von seinem Aufenthalt, wieder ab
und hinterließ werthvolle Geschenke.
**) Die kleine Aue zwischen der Orangerie und dem
Regierungsgebäude.
Her Kaugemchts.
Eine kleinstädtische Geschichte. Von D- J5aul.
» er Bürgermeister von Glimpfingen, Herr
Gotthold Krughöfer, erfreute sich nicht nur
- * der größten Achtung seiner Mitbürger, deren
Geschicke er zu leiten berufen war, sondern genoß
auch das Zutrauen der Einwohner der benach
barten Landstädtchen und Dörfer. Die Glimpfinger
waren stolz auf ihr Stadtoberhaupt, dessen
Charakter und Kenntnisse so allgemeine Aner
kennung fanden, der seine Amtsgenossen sämmtlich
überragte und von dem sogar ein Gerücht ging,
daß er mehrere Semester auf der Hochschule
geweilt und Tag und Nacht in den Schachten
der Wissenschaft gegraben habe. Aufrichtig
gesagt, hatte der ehrenwerthe Bürgermeister
Krughöfer nie in einem Kolleg gesessen, aber er
hütete sich, jene geheimnißvolle Legende zu zer
stören , denn ihr verdankte er, daß er, den
Reichthum und Einfluß an die Spitze des
Gemeinwesens gestellt, auch von den „Studirten"
Glimpfingens als ebenbürtig angesehen wurde.
Auch übte er weise Selbstbeschränkung insofern
aus, als er es vermied, sich Blößen zu geben
und geschickt es umging, über gefährliche Dinge
zu reden. So herrschte denn kaum ein Zweifel
über die akademische Vergangenheit des Herrn
Bürgermeisters, zumal bei Jenen, die in der Ecke
seines Studirzimmers ein leibhaftiges buntes
Mützchen und darüber ein Paar drohend gekreuzte
Rappiere erblickt hatten.
Daß nun der einzige Sohn des Bürgermeisters
studiren und zwar die Rechte siudiren sollte,
darüber wunderte sich unter den obwaltenden
Umständen Niemand in Glimpfingen. Die
mageren Jahre des Referendar- und Assessor-
Lebens waren nicht zu fürchten, denn Papa
Krughöfer's Mittel erlaubten ihm, den Sohn
ausreichend zu unterstützen. Als Fritz daher
sein Maturitätsexamen bestanden hatte, mußte
er trotz seines heftigen Widerspruches die Hoch
schule beziehen und sich der Rechtsgelehrtheit
widmen. Man denke, der Sprößling des Hauses
Krughöfer hatte es sich in den Kopf gesetzt,
Maler zu werden; schon während er das Gym
nasium besuchte, hatte er eifrig Zeichnenstunden
genommen und seine Lehrer behaupteten, es
stecke ein ganz ungewöhnliches Talent in ihm.
Nun ließ sich der gestrenge Herr Bürgermeister
wohl herbei, zu lächeln, wenn man ihm von
dieser künstlerischen Begabung seines Einzigen
berichtete, und er vermochte selbst eine gewisse
Schadenfreude nicht zu unterdrücken, wenn der
Sohn durch schnöde Karrikaturen die Feinde des
Hauses Krughöfer ärgerte; aber zu dulden, daß
der einzige Sprosse des Geschlechtes der Krughöfer
ein Farbenkleckser werde, das hieß doch seinem
Stolze zuviel zumuthen. Und wie sehr fiel) auch
Fritz sträubte und ob er tausendmal versicherte,
daß er ohne die Kunst nicht leben könnte, er
mußte sich dem väterlichen Machtworte fügen.
Schluchzend und zähneknirschend packte der gute
Junge seine Siebensachen zusammen und reiste
zur Hochschule ab. In ganz Glimpfingen aber
pries man die beispiellose Weisheit und Ent
schiedenheit, die Krughöfer sen. bei dieser Ge
legenheit wie imnier an den Tag gelegt hatte;
besonders laut ertönte sein Lob im „Hirschen",
wo er selbst mit den übrigen „Honoratioren"
zu verkehren pflegte. Daß der Bürgermeister
ein Glied der menschlichen Gesellschaft vor schwerer
Verirrung, ja vor dem sicheren Untergang bewahrt
hatte, stand für Alle fest und nur der Doktor
wagte es, zu widersprechen und die Partei