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welche mir merkwürdig genug schien, sie dem Heraus
geber des „Hessenland- zur Benutzung mitzutheilen.
Anno 1535 ungefähr als Landgraf Philipp
der Aeltere vielleicht anderer schwerer Händel per-
turbieret (nicht wohl disponirt) und Heinz von
Lütter, derzeit Hauptmann zu Ziegenhain und
Obervorsteher der 4 Oberhospitalien übergeben gehabt
(verächtlich behandelt), ist gemelter Heinz in großem
Unmut vom Landgraf heimgegangen und hat seinem
Diener Hans Sengarn befohlen, seine Gäule fertig
zu machen, er wollte nach Straßburg reisen, und sich
daselbst beneben ihm auf die Amtmeisterstube ver
dingen. (Heinz ist damals noch ledig gewesen, er
hätte keine Kinder, so hätte er auch Gelds genug,
es hätt' ihn der Landgraf übergeben, welches er nit
um ihn verdienet, auch nit wohl erdulden könnte,
solche Cavillanten (Verspottungen) zu ertragen.
Wie ihm nun sein Diener abwehret und allbereit
seine Stiefelchen angezogen und davon wollte, läßt
ihn der Landgraf wiederum zu sich fordern, erscheint
Hans in seinen Stiefeln und Sporen, fragt ihn der
Landgraf, wohin er wollte. Sagt Heinz, er wollte
hinweg. Da antwortet ihm der Landgraf höflich
und sagt: Siehe Heinz, wenn ein großer wuchtiger
Mühlstein von einem großen Berg herunterliefe und
du stündest unten am Berg und wolltest dem großen
Stein nicht weichen und ihn im vollen Laufe aufhalten,
da würdest du ja viel zu klein und gering zu sein,
er würde dich doch gar zerquetschen und verderben,
wenn du ihn aber wohl läßt herunterfallen, alsdann
magst du ihn mit Vorteil aufhalten *) Siehe Heinz,
also ist es auch mit mir als einem großen mächtigen
Herrn auch beschaffen, ich bin dir viel zu schwer
und mächtig, wo wolltest du dich wohl vor mir
bergen und verkriechen. Wann aber der Zorn
vorüber ist, alsdann kannst du deine Notdurfte und
Entschuldigung wohl vorbringen. Hat also Heinz
seine vorgenommene Reise eingestellt.
Es ist wohl Heinz von Lütter eine kleine magere
Person gewesen von Leib, aber in Händen wie auch
von Gemüt stark und groß. Denn als ihn auf eine
Zeit zu Ziegenhain im Schloß einer von Reckenrodt,
ein großer starker von Adel, gevexiret, er wäre doch
eine kleine unvertige Creatur, was er auch machen
wollt? schweigt er still und als sie von Tisch auf
gestanden, erwischt er den großen Mann ungewarnter
Sachen und wirft ihn unter sich, dessen sich jeder
mann verwundert hat.**) Er hat sich auch der Hos-
pitalien treulich und ernstlich angenommen. Wann
und so oft er nach Haina und anderen Hospitälern
vorging, hat er ihm (sich) allemal aus den Armen
ihren Topf Essen geben laffen, nicht besser oder
*) Man meint Philipp wäre in Homer's Jliade
belesen gewesen.
**) Leute von besonderer Körperkraft waren noch:
Johann von Ziegenhain und drei Pfarrer; Ulrich,
Manne!, Knierim.
mehr, den Wein, den er getrunken, hat er wohl
contentirt, gesagt: Wenn ich sterbe, werden mich
etliche Hofschranzen einen Heiligenfresser heißen, wie
es geschehen ist. Er hat sich frisch und ernsthaftig
gegen Jeden gezeigt und bewiesen.
G. Th. D.
Joachim Roell, der letzte Abt von Hers
feld. Am 24. Februar 1606 starb Joachim Roell,
Abt von Hersfeld, gewählt am 27. Oktober 1592.
Er beschließt die lange Reihe von Aebten, nachdem
das Stift Hersfeld 840 Jahre unter der Regierung
des Krummstabes gestanden hatte. Abt Joachim war
ein Mann von sanftem Charakter und redlichem
Herzen und gewiß nicht ohne Gelehrsamkeit, da er
die Freundschaft des Landgrafen Moritz von Hessen,
des größten Gelehrten, der wohl je auf dem Throne
gesessen, in vollem Maße besaß. Er wurde in der
Stiftskirche zu Hersfeld begraben, die Leichenrede hielt
dem katholischen Abte der protestantische Prediger
Vitus. Von Joachim Roell heißt es bei Winkel
mann:
Et Joachimus erat ingens virtutibus abbas,
Officio promptus, praeidioque bonis.
Tranquillae semper pacis studiosus et aequi,
Nil nisi vera loquens, nil nisi vera probans.
Vom Landgrafen Moritz ist noch eine launige
poetische Epistel in lateinischer Sprache an Abt
Joachim vom Jahre 1603 vorhanden, die eine Ein
ladung zur Jagd nach Friedewald enthält. Sie
lautet:
Reverendissimo Joachimo,
confirmato Abbati Hersfeldensi Amico nostro.
Haec tibi certificat nostram Joachime salutem
Exoptat pariter teque salute frui;
Significat reditum de Fulda, nec tacet ipsum
Accessum ad laetum pacificumque nemus,
Pacificum nemus, facturum sacra Dianae,
In dicat, ad festum te Joachime vocat.
Crastina lux ducat, salvum te ducat ad illam,
Quae sacra est paci, pacis amore, domum.
Linque domi vestem pullam, venatibus aptam
Indue, quo faveat pulchra Diana tibi.
Sic partem praedae capies, sic vota Dianae
Persolves, et sic noster amicus eris.
Adduc Nicolaum tibi, laurentemque Lucanum,*)
Iunge viros laetos, laetitiaque probos.
Nil mihi rescribas, sed protinus indue soccos
Atque iter accelera, me pete, perge, veni!
Gaude, cum nostram videas fumare culinam,
Crede tibi quod sit copia parva cibi.
Vix vini binos catinos tibi crede bibendos,
Est locus in quo acidae valde bibuntur aquae.
*) Der Propst Nikolaus Selig und der Hofprediger
Lucanus.