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in den Steigbügel nnb werde von dem wild
dahinrennenden Ganl über das Feld in das
Dorf hinein bis vor den Stall geschleift. Mein
einfältiger Bursch bindet inzwischen erst sein
Pferd an einen Baum fest und läuft dann mir
nach, als schon keine Möglichkeit mehr da ist
mein unbändiges Roß einzuholen. Ich lag,
während mich das Pferd schleifte, Anfangs auf
dem Hinterkopfe, hatte aber noch Ueberlegung
genug mich herumzudrehen und die Hände vors
Gesicht zu halten. Diesem Umstand allein verdanke
ich meine Rettung, da der ungeschützte Hinterkopf
gewiß zerschmettert worden wäre; der Vorderkopf,
dem die Nase als Schntzmaner diente, konnte
schon eher einen Stoß vertragen. Merkwürdig war
es, daß ich noch kurz vorher, ehe mir die Be
sinnung schwand, keine größere Besorgniß hegte,
als der Vater möchte'.mich nach diesem Vorfall
so bald nicht wieder ausreiten lassen. — Vor
seinem Stalle blieb mein Pferd stehen, und
herzukommende Soldaten machten mich von ihm
los und brachten mich auf mein Bette. Ich war
ohnmächtig und blieb in diesem bewußtlosen
Zustand fast zwei Tage. Das Kinn war ge
spalten, das Gesicht, besonders die Nase, zerrissen,
der Kopf hatte mehrere tiefe Löcher, und das
linke Schienbein war ganz zerschmettert. So
fand mich mein Vater, den ein Eilbote ans
Ziegenhain geholt hatte, so fand mich die Mntter,
welche am Tage darauf von Treysa gekommen
war und deren Thränen, als ich erwachte, ich
durch die Versicherung zu stillen suchte, daß ich
mich recht wohl befände und bald wieder der
Parade beiwohnen zu können hoffte. Wie hatte
ich mich verrechnet!
(Fortsetzung folgt.)
Geschichte der Worzellainsabrik in Hlm-Kanau.^
Von Professor <£. N. v. Drach. >
n der keramischen Litteratur hat seither die
in der Ueberschrift genannte Fayence - Fabrik
trotz ihres fast 150 Jahre andauernden Be
stehens — sie wurde im Jahr 1661 gegründet
und endigte im ersten Dezenium unseres Jahr
hunderts — kaum mehr als eine namentliche
Erwähnung gefunden.') Dadurch, daß in der
selben verfertigte und mit dem vollständigen
Ortsnamen bezeichnete Stücke hier und da in
Sammlungen sich finden, sowie ab und zu im
Antiquitätenhandel vorkommen, erschien zwar
die einstige Existenz der Manufaktur erwiesen,
für die Geschichte der deutschen Keramik war
*) Mit Genehmigung des Herrn Verfassers und des
Herrn Verlegers der in Leipzig erscheinenden, von Paul
Ludwig herausgegebenen „Deutschen-Töpfer-Zeitung"
entnommen.
r) In Jännicke, Grundriß der Keramik wird nur
folgendes über dieselbe mitaetheilt: „In Hanau bestand
etwa von der Mitte des 17. Jahrhunderts ab eine von
zwei Niederländern errichtete Fayence-Fabrik, welche An
fangs des *18. Jahrhunderts auf Simon van Alphen
übergegangen ist. Ueber die Erzeugnisse derselben Näheres
ausfindig zu machen, ist mir bis jetzt nicht gelungen."
Das daselbst mit Vorbehalt als Hanauer Marke (M. V.
1279) mitgetheilte Zeichen dürfte wohl eher ein etwas
eigenthümlich mißrathenes Spezimen der Offenbacher
Marke (M. Y. 1359) sein.
Wodurch von Schorn in dem als LXV. Band von
„D as Wissen der Gegenwart" erschienenen Schrist-
chen-. „Die Kunster'ze'ugnisse aus Thon und
Gl as" dazu veranlaßt wurde, a. S. 108 zu sagen: „Vor
zügliche Arbeiten lieferten außerdem Hanau und Höchst",
blieb uns unerfindlich.
damit jedoch wenig gewonnen; es fehlte jeder
Anhalt, nm eine bestimmte Fabrikmarke für
Hanan in Ansprach nehmen und daraufhin
sonstige Hanauer Fabrikate konstatiren zu können.
Wären Hanauer Marken bekannt, so hätte sich
wenigstens ein ohngefährer Schluß auf die
Leistungen der Fabrik, d. h. den Umfang ihres Be
triebes und die Beschaffenheit ihrer Erzeugnisse
machen lassen; die wenigen mit „Hanau" signirten
Stücke reichten dazu nicht aus. Am Orte selbst
ist nach dem Eingehen des Etablissements die
Erinnerung daran in verhältnißmäßig kurzer
Zeit fast gänzlich verloren gegangen. Wie Ver
fasser , welcher seine Jugend in Hanau verlebte,
aus Erfahrung weiß, dachte daselbst, wenn, was
noch häufig geschah, das stattliche Wohnhaus des
früheren Fabrikherrn mit den angrenzenden, jetzt
gleichfalls zu Wohnräumen eingerichteten Arbeits
gebäuden, „die Porzellainfabrik" genannt
wurde, kaum jemand mehr daran, daß vor nicht
gar zu langer Zeit dort Töpferscheiben und
Brennöfen in Betrieb gewesen seien, und von
in den besseren Haushalten noch vorhandenen
Tellern, Schüsseln und Tassen das eine oder
andere Stück daselbst angefertigt sein könne.
Daß die Hanauer Fayencerie bezüglich ihrer
Geschichte und Erzeugnisse eingehendere Nach
forschungen verdient, wird einleuchtend beim
Lesen nachstehender, im „HanauischenMaga-
zin" über sie gemachten Mittheilungen. In
dem im Jahre 1784 erschienenen Band VII der