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ziehen im Begriffe stand, schrieb Wilhelm an die
erbverbrüderten Kurfürsten: sie würden nun aner
kennen, wie verletzend die papistische Partei alle
Rcichskonstitutionen verachte; da man so geduldig
gewesen, den Kurfürsten Gebhard nicht mit den
Waffen zu unterstützen, so müsse man deshalb
nicht alle mißbräuchlichen Folgen seiner will
kürlichen Entsetzung noch den Umstoß des Landes
und Religionsfriedens und die Herüberziehung
des Niederländischen Kriegs zugeben. Es sei
Zeit, die Köpfe zusammenzustecken, wenn sie anders
freie Deutsche bleiben und das väterliche Gut
auf ihre Erben bringen wollten.
Als Herzog Ferdinand von Bayern mit seinen
Truppen in das Erzbisthum Köln kam, wurden
die Grenzgebiete der Grafen von Waldeck, von
Wittgenstein und Berleburg und die Besitzungen
der Familie von Gaugreben durch die Truppen
belästigt. Sie wandten sich um Schutz an den
Landgrafen. Dieser stellte dem Herzog vor: „er
werde wissen, wie in dem Zuge gegen Karl V.
er, der Landgraf, und Landgraf Moritz an der
bayerischen Grenze kein Huhn verscheucht, sonst
müsse er thun, was seines Amtes sei". Der Herzog
antwortete zwar, die Grafen seien der Unterstützung
Gebhard's verdächtig, Westfalen sei seinem Bruder
verwandt itnb er selbst handele nach kaiserlichem
Befehl, aber seine Truppen zogen sich doch zurück.
Landgraf Wilhelm befand sich in jener Zeit in
Bad Ems. Er drang von dort aus bei den
Kurfürsten um bessere Einrichtung der Kreis
verfassung, „deren Kontributionen so schlecht ein
gingen, daß man kaum Tinte und Papier davon
bestreiten könne".
Die evangelischen Bürger zu Köln, welche den
Landgrafen Wilhelm um Fürsprache angingen,
ermahnte er, ihr Kreuz mit Geduld zu ertragen,
und sprach sich gegen die bewaffnete Koalition
aus, welche der bei Wilhelm von Oranien flüchtig
lebende Kurfürst Gebhard zu Stande zu bringen
suchte. In den Aachener und Straßburger
Religionsstreitigkeiten selbst schloß Wilhelm sich den
vermittelnden Kurfürsten an. An den Rath zu
Aachen schrieb er kurz vor seinem Tode (1592):
„da man jetzt, statt die geschlagenen Wunden zu
heilen, die päpstliche Inquisition und das Recht
des Stärkeren handhabe, die Evangelischen ohne
Haupt und in dogmatische Streitigkeiten verwickelt
seien, so könne er ihnen nichts Anderes rathen,
als Hülfe bei Gott zu suchen."
Die Niederländer unterstützte er durch Ver
mittelung eines Geldanlehens des Prinzen von
Oranien sowie durch Gestattung des Zuzugs seiner
Vasallen zu dem oranischen Heere. Im Uebrigen
bewahrte er aber volle Neutralität; in diesem
Sinne lehnte er sowohl den Antrag Johannes'
von Nassau-Dillenburg, des Bruders Wilhelm's
von Oranien, auf Verhaftung der Gesandten
Alba's auf hessischem Gebiete ab als auch das
Anerbieten Philipp's II. auf Gewährung einer
Pension, „nicht um ihm mit seinem Leibe oder
Kriegsvolk, sondern um ihm in aufrichtigen billigen
Dingen zu dienen" (1570).
Der Kurfürst von der Pfalz hatte ein mit
spanischen, im Reiche verbotenen Münzen beladenes
für den burgundischen Kreis bestimmtes Schiff
bei Mannheim in Beschlag genommen. Landgraf
Wilhelm wurde von Philipp als ein Betheiligter
des Rheiuzolls ersucht, zur Aufhebung des Arrestes
mitzuwirken. Auf dieses Ansuchen antwortete er,
„freie Schiffahrt und Verkehr des Rheines zu
fördern, sei er immer bereit; in jener Sache den
älteren und vornehmeren Kurfürsten zu unter
richten, gezieme ihm nicht, er hoffe aber, daß der
Kurfürst sich nach des Kaisers als seines Ober
hauptes Weisung und des Reiches Gesetzen richten
werde" (1568). Auf dem Reichsdeputationstage zu
Frankfurt (1577) erklärte er sich ans Veran
lassung der Beschwerden Juan's d'Austria gegen
den Prinzen von Oranien für friedliche Ein
wirkung, weigerte aber jede Hülfe an den König
von Spanien, da er entschlossen sei, keinen Falls
bei der Verfolgung seiner Glaubensgenossen mit
zuwirken und, bis die Religion vom König frei
gestellt werde, sich in nichts einzulassen.
Mit der Königin Elisabeth von England stand
er in enger Freundschaft.
Als im September 1569 zu Erfurt ihr Antrag
auf Abschluß eines Vertheidigungsbündnisses von
den evangelischen Fürsten berathen wurde, sprach
Landgraf Wilhelm sich durch seinen Gesandten
Johann Mehsenbug dagegen aus, weil die päpstlich
gesinnten Fürsten daraus leicht einen Vorwand
zum Angriff entnehmen könnten. Er hielt aber
eine Verbindung der evangelischen Fürsten unter
einander für wünschenswerth und befürwortete
Anlehnung an England: „denn er wisse von
seinem Vater, daß er immer gerathen, die
evangelischen Fürsten sollten auf diese vermögende
und geldreiche Fürstin, da sie selbst um der
Religion willen so vieles ausgestanden, ihr Augen
merk richten". Er wies sodann darauf hin, daß
die Gegner der evangelischen Lehre nur dadurch
die Möglichkeit gewinnen würden, die zur Kriegs
führung erforderlichen Truppen zusammenzubringen,
daß sie in den evangelischen Ländern selbst
Werbungen veranstalten dürften. Er schlage da
her vor, daß die evangelischen Fürsten ein feierliches
Verbot erlassen möchten: „daß sich keiner ihrer
Unterthanen gegen eigene Religionsverwandte