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fürsten 1583 ein Schreiben an den Kaiser, welcher
unter dem 4. September desselben Jahres ohne
Neichsversammlung ein Edikt erließ, nach welchem
der neue Kalender in den Habsburgischen Erb
landen wie im Reiche eingeführt und demgemäß
nach dem 4. Oktober alsbald der 15. gezählt
werden sollte. Da der Kurfürst von Mainz,
Wolfgang von Dalberg, den neuen Kalender als
bald einführte, so geriethen die hessischen Pfarrer,
deren Patronat dem Kurfürsten von Mainz zu
stand, in Verlegenheit; zwischen den Mainzischen
und hessischen Bauern in der Gegend von Fritzlar
und Amöneburg entstanden Reibungen, indem die
Katholiken sich rühmten, ihr Christus sei schon
14 Tage alt, als der protestantische geboren
wurde, ». s. w. Auch das Reichsgericht hatte
die Einführung des neuen Kalenders bis zum
Erlaß einer verfassungsmäßigen Verordnung auf
geschoben. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts
beschlossen Hessen-Kassel »nd Damstadt die Ein
führung eines verbesserten Kalenders mit dem
Jahre 1700, der aber auch nicht mit dem Gre
gorianischen übereinstimmte. Endlich 1770 er
folgte die Einführung des Gregorianischen Kalen
ders in verfassungsmäßiger Form als Reichs
kalender.*)
Nach dem Augsburger Religivnsfrieden (1555)
sollten Prälaten, welche von der katholischen
Religion abfielen, ihre Pfründen alifgeben, und
ferner sollten nach dem Nebenabschied Ferdinand's I.
die katholischen Fürsten jeder Reaktion gegen ihre
protestantischen Unterthanen sich enthalten. In
Fulda hatte sich zur Zeit des Regensburger Interims
unter Abt Philipp Schenk zu Schweinsberg eine
evangelische Gemeinde gebildet, und die bnchonifche
Ritterschaft gehörte diesem Bekenntnisse meist
ebenfalls an. Gegen diese evangelischen Gemeinden
ging Abt Balthasar von Dernbach mit großem
*) Eine von der obigen abweichende Darstellung findet
sich in dem Artikel „Zur Geschichte des Kalenderwesens
in Hessen" in der Nummer 24 des Jahrgangs 1890
unserer Zeitschrift „Hessenland", worauf wir hinzuweisen
nicht ermangeln wollen. (D. Red.)
Eifer vor. Er untersagte den Evangelischen, auf
eigene Kosten Pfarrer zu halten, sowie die fernere
Ausübung ihrer Religion, übergab den Jesuiten
das Franziskanerklvster und eine Stadtschule;
verdächtige Beamte, selbst die Geistlichen der
Ritterschaft wurden abgesetzt. Vergebens berief diese
sich als reichsunmittelbar auf den Religionsfrieden,
die Bürger auf die Deklaration Ferdinand's I.,
das Stistskapitel auf das Privilegium der Stifts
schule u. s. w. Der Landgraf von Hessen hatte die
Schirmvogtei der Stadt Fulda von dem Grafen
von Ziegenhain geerbt. Die Bürger wandten sich
daher an den Landgrafen und dessen Erbver
brüderte. Die evangelischen Fürsten verlangten
Ausweisung der Jesuiten, als der Urheber aller
Wirren. Der Kaiser aber beschränkte sich darauf,
die Bürgerschaft zur Folgsamkeit gegen ihre Obrig
keit zu ermahnen, die Jesuiten zu schützen und
den Parteien weitere Rechtfertigung zu eröffuen.
Als sich die Unterdrückten wiederholt an den
Landgrafen wandten, versprach er der Ritterschaft,
auf dem ilächsten Reichstage persönlich ihrer Sache
sich anzunehmen, ermahnte den Abt und machte
das Kapitel auf seine verfassungsmäßigen Rechte
aufmerksam. Auch die Eichsseldische Ritterschaft,
welche ebenfalls vom Erzbischof von Mainz in
Religionsaugelegenheiten bedrängt wurde, wandte
sich hülfesuchend an Landgraf Wilhelm. Da
dieser am Besuche des Reichstags verhindert war,
schrieb er an den Kurfürsten August von Sachsen:
„er möge dem Kaiser die Deklaration Ferdinand's I.
vorlegen. Hungersnoth sei heftig, aber noch mehr
die Sehnsucht nach dem Worte Gottes. Landgraf
Philipp habe noch kurz vor seinem Tode die
Worte wiederholt: Das Reich einer Obrigkeit,
die Gottes Reich nicht sucht, wird nimmer bestehen.
Er möge seines Ansehens und seines Verstandes
sich bedienen, um die Lehre des Evangeliums
»nd den Frieden im Reiche zu erhalten, denn
sonst werde in Deutschland noch ein größeres
Blutbad als in Frankreich und den Niederlanden
entstehen" (1575).
(Fortsetzung folgt.)
«t
Hessische Städte und hessisches Lund vor hundert Jahren.
Stadt und Land Fulda.
Von Dr. Justus Schneider.
(Fortsetzung.)
sie Regierung in Fulda im Jahre 1793 war
folgendermaßen zusammengesetzt:
Fürstbischof und Fürstabt war Adalbert III.
von Harstall, Domdechant Lothar Freiherr von
Breidbach zu Bürresheim, auch Weihbischof, Bischof
von Jericho i. p. i., Regierungspräsident und