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Leitung dieser Leseanstalt gab ihm die beste
Gelegenheit, sich mit der neuen Forstliteratur
eingehend bekannt zu machen.
Im Jahre 1802 erhielt Ernst Friedrich von
dem Erbprinzen Wilhelm Friedrich von Oranien-
Nassau den ehrenvollen Ruf als L a n d f o r st m e i ste r
und Mitglied des Oberforstkollegiums nach Fulda,
welchen er annahm. Er entwarf in seiner neuen
Stellung den Forstorganisationsplan für die
Fürstenthümer Fulda und Corvey und die Graf
schaft Dortmund, den er in musterhafter Weise
ausführte. Dadurch erwarb er sich das Ver
trauen seines Landesherrn in solchem Grade, daß
er neben seiner Dienstfunktion als Landforstmeister
auch zum Mitglieds der Oberrechnungskammer,
sowie zum Direktor der Feldmesserprüfungs
kommission in Fulda ernannt wurde.
Die für Ernst Friedrich Hartig sehr angenehmen
Dienstverhältnisse dauerten bis zum Herbste 1806.
Die Schlacht bei Jena machte der oranischen
Herrschaft über Fulda, Corvey und Dortmund
ein Ende; das Fürstenthum Fulda wurde von
den Franzosen in Besitz genommen und die Staats
verwaltung daselbst erhielt einen französischen Zu
schnitt. Hartig blieb zwar in seiner Stellung
als Landforstmeister, da er sich aber den ver
heerenden Holzfällungen (ooups oxtraoräiimires),
welche die französischen Machthaber in ihrer Hab
sucht und Unkenntniß anordneten, nicht fügen
konnte und wollte, so wurde er durch einen aus
Erfurt herbeigeholten, weniger bedenklichen Ober
forstbeamten in seinen Dienstvollmachten beschränkt.
Unter diesen traurigen Verhältnissen suchte er
mit seinem untergebenen Personal wenigstens zu
retten, was zu retten war und die nachtheiligen
Folgen jener verderblichen Holzfällungen für den
Wald nach Möglichkeit abzuschwächen.
Die Fuldaer Gegend wurde unter der französischen
Administration aus einem wald- und holzreichen
Lande ein holzarmcs, so zwar, daß uni das Holz
bedürfniß der Stadt Fulda zu befriedrigen, jährlich
c. 1000 Klafter Brennholz außer Landes, zumeist
in der Herrschaft Gersfeld, angekauft werden
mußten. Der Mangel an Wald in der an land
schaftlichen Reizen sonst so reichen Gegend datirt
recht eigentlich aus jener Zeit der französischen
Regierung. Die Fuldaer Waldungen waren damals
nach der Angabe des Licentiaten Ph. Andreas
Nemnich in seinem „Tagebuch einer der Kultur
und Industrie gewidmeten Reise" (Tübingen
1809 bei Cotta) auf c. '/s des Flächeninhaltes
des Landes vermindert. Eine genaue geometrische
Vermessung desselben bestand freilich noch nicht,
dagegen hatte Hartig eine approximative Schätzung
vorgenommen und nach dieser wurden 253704
Morgen Waldungen gerechnet, von denen 185120
herrschaftlich waren. Der Reinertrag derselben
belief sich auf etwas mehr als 70000 Gulden,
der Rohertrag dagegen, mit Ausschluß der Jagd,
Mast und anderer Nebenbenutzungen, welche zu
sammen ungefähr 30000 Gulden ausmachten,
nahezu 100 000 Gulden.
Um in dieser trüben Zeit fremden Druckes
seinen schwermüthigen Gedanke über die Folgen
der traurigen Zustände, die blos Ausbeute und
Verwüstung der Staatswaldungen zur Folge
hatten und nicht die geringste Aussicht zu Forst
verbesserungen zuließen, eine andere Richtung zu
geben und wenigstens mittelbar, soweit es in
seinen Kräften stand, für das Forstwesen in er-
fprießlicher Weife thätig zu sein, gründete Ernst
Friedrich Hartig im Jahre 1808 zu Fulda ein
Forstinstitut. Er hatte die Genugthuung,
daß in dasselbe schon im November 21 inländische
Studierende eintraten. Zugleich errichtete er für
die Forstmänner des Fürstenthums Fulda eine
Lesegesellschaft, um denselben Gelegenheit zu geben,
sich in ihrer Wissenschaft fortzubilden.
Unter solchen Verhältnissen durchlebte Hartig
die Zeit der französischen Administration und der
großherzoglich - frankfurtischen Regierung. Nach
der Schlacht von Leipzig, dem Zusammenbruche
der französischen Zwingherrschaft und der Auf
lösung des Großherzogthums Frankfurt, wurde
er vom kaiserlich-österreichischen Gouvernement
in seiner ursprünglichen Dienstfunktion als Chef
des Forstwesens im Fürstenthume Fulda bestätigt
und außerdem in Anerkennung seiner bewährten
patriotischen Gesinnung zum Mitglied des Land
sturmausschusses, zum obersten Befehlshaber des
Landsturmes im Fürstenthum Fulda und zum
Chef des Generalstabcs des Bannerherrn, Grafen
von Ingelheim, ernannt. Unter dem darauf
folgenden königlich preußischen Gouvernement
blieben seine Dienstverhältnisse unverändert, und
als die Theilung des Fürstenthums Fulda zwischen
Kurhessen, Bayern und Sachsen-Weimar erfolgte
und ihm die Wahl der Staatsangehörigkeit frei
gestellt wurde, da war er keinen Augenblick
zweifelhaft. Als geborener Hesse blieb er der
hessischen Fahne treu. Er wurde 1816 vom
Kurfürsten Wilhelm I. zum Oberforst
meister in Fulda ernannt, auch hatte er die
Genugthuung, sein Forstinstitut unter seiner
Direktion zur Staatsanstalt erhoben zu sehen.
Die betreffende kurfürstliche Verordnung datirt
vom 6. April 1816.*)
*) Ueber die kur hessische Forstlehranstalt zu Fulda, die
von 1816 bis 1826 blühte und nach der Ernennung Ernst
Friedrich Hartig's zum Landforstmeister in Kassel, von
1821—1824 den berühmten Forstmann Johann Christian
Hundeshagen zum Direktor hatte, sowie über die Ausbildung
und die Studien der Forstwissenschaft -Kandidatm in alt
hessischer Zeit überhaupt bringen wir später einen besonderen
Artikel. Die Red.