136
spruch vom 5. Januar 1801 wurden 130 Re
publikaner zur Deportation nach den Sechellen ver-
urtheilt. Unter den Angeklagten befand sich auch
Charles Hesse, den Bonaparte als unbeugsamen
Freiheitsschwärmer haßte. Ihm wurde die Insel
Re b. Larochelle zum Aufenthalte angewiesen, und
dort, in der langweiligen Stadt St. Martin, mußte
er fünf Jahre zubringen, bis er schließlich die Erlaub
niß zur Uebersiedelung nach Basel erhielt. Dort
.hielt er sich von politischen Agitationen anfänglich
gänzlich fern und beschäftigte sich vorzugsweise mit
philosophischen und naturwissenschaftlichen Studien.
Dies bewirkte eine Aussöhnung mit seinem Bruder,
dem Landgrafen Karl Emanuel, der ihm jetzt wieder
die Apanage auszahlen ließ.
Zu jener Zeit war er auch schriftstellerisch thätig,
er gab u. a. die Zeitschrift „Le Partisan“ heraus,
in welcher er jedem seiner Artikel die bezeichnenden
Worte „fiat lux“ beifügte. Den Sturz Napoleon's
und die Einsetzung Ludwig's XVIII. als König von
Frankreich hieß er - willkommen, als aber unter der
Regierung des letzteren die Mißgriffe sich häuften,
sagte er die Wiederkehr Napoleon's von der Insel
Elba voraus. Nach der zweiten Restauration er
mahnte er das französische Ministerium zu einer
besseren Regierung und prophezeite im entgegengesetzten
Falle den Sturz der bourbonischen Dynastie. Dies
reizte die französischen Machthaber und veranlaßte
Reklamationen bei der Regierung des Kantons Basel,
welche schließlich seine Ausw.üsung zur Folge hatten.
Im Jahre 1817 starb zu Frankfurt a. M. seine
jüngere Schwester, die Stiftsdame Prinzessin
Wilhelmine von Hessen-Rotenburg. Zu ihrer Be
erdigung begab er sich dorthin und nahm nun dauernd
seinen Aufenthalt in Frankfurt. Nur vorübergehend
verweilte er einige Monate in Mainz, um dortselbst
als greiser Schüler bei dem Professor Metternich
Unterricht in den mathematischen Wissenschaften zu
nehmen.
Am 19. Mai 1821 verschied er zu Frankfurt in
seinem 70. Lebensjahre. Am Petruskirchhofe dortselbst
hat. er seine letzte Ruhestätte gefunden. Von unbe
kannter Seite wurde ihm ein schlichter Grabstein ge
setzt, den eine Akazie beschattet.
Aus Heimach und Fremde.
Die Gedenkfeier des 50jährigen Be
stehens der Oberrealschule zu Kassel am
4. d. M. hat nach jeder Richtung hin einen sehr
befriedigenden Verlauf genommen. Die Betheiligung
an derselben war eine außerordentlich zahlreiche, und
deutlich konnte man sehen, wie diese Anstalt mit der
Stadt Kassel und deren Bürgerschaft auf das
innigste verwachsen ist. Aus der Reihe der einzelnen
Festlichkeiten wollen wir hier nur hervorheben, daß
die Hauptfeier am 4. Mai, Vormittags 10 Uhr
von dem Direktor der Anstalt Herrn Dr. Karl
Ackermann durch eine warm empfundene Ansprache,
die von Herzen kam und zu Herzen ging. eröffnet
wurde. Sodann hielt Herr Oberlehrer Dr. Knabe
einen eingehenden Vortrag über die Geschichte der Ent
stehung, Begründung und Entwickelung der Realschule.
Er schloß feine vortreffliche Rede mit dem Wunsche:
„Der alten Schule ein trcu Gedächtniß,
Der neuen Schule die alte Treue zum
Vermächtniß!“
Es folgten die Beglückwünschungen von Seiten der
Vertreter der Behörden, Deputationen, Freunden der
Schule rc. rc. Zunächst nahm Se. Excellenz der
Herr Oberprästdent Magdeburg das Wort. Er
betonte das hohe Interesse, welches Se. Majestät
der Kaiser an der Entwickelung des Realschulwesens
nehme. Die Verdienste des Herrn Direktors
Pr. Ackermann erkenne Se. Majestät besonders an
und gebe denselben euren äußeren Ausdruck durch
Verleihung des Rothen Adler-Ordens 4. Klasse,
welchen er hiermit die Ehre habe zu überreichen.
Weiter betonte Se. Excellenz, daß auch der Herr
Kultusminister ihn beauftragt habe, der Jubilarin
und ihrem Leiter seine Glückwünsche darzubringen,
mit denen er die eigenen verbinde.
Es brachten dann die Vertreter der Kollegien
und wissenschaftlichen Vereine ihre Gratulationen
dar, worauf die Verlesung der zahlreich von
auswärts eingegangenen Glückwünsche folgte. Herr
Lande^ibliothekar Pr. Brunner überreichte Au
Widm, gsblatt des „Vereins für hessische Geschichte
und Landeskunde“ und gedachte dabei des großen
Interesses, welches die ehemaligen Schüler der
Schule den Bestrebungen dieses Vereins von jeher
bezeigt hätten, das verdanke man wohl mit der
Anstalt, aus der sie hervorgegangen, die ihnen die
Liebe zur engeren Heimalh an's Herz legte, dem
Ausgangspunkte der Liebe für das große deutsche
Vaterland. Als letzter der Gratulanten trat Herr
Glasermeister H. Schäfer auf, der die Glückwünsche
der ehemaligen Schüler der Anstalt darbrachte und
eine Stiftungsurkunde über ein von den Schülern
gesammeltes Kapital von 40, >0 Mark überreichte,
dessen Zinsen zur Unterstützung würdiger bedürftiger
Schüler, ohne Unterschied der Konfession, verwendet
werden sollen. Herr Direktor Pr. Ackermann
sprach in bewegten Worten allen denen den tief
gefühlten Dank aus, welche durch ihre Theilnahme
zur Verherrlichung des schönen Festes beigetragen
haben. Er schloß mit einem Hoch auf Se. Majestät
den Kaiser. Mit dem Chorgesang „Mein Vaterland,
du schönes Land" endete die wohlgelungene Schulfeier.
Von Pr. Karl A. F. Knabe erschien zu der
Gedenkfeier unter dem Titel „Vorgeschichte und
Entwickelung d er O berrealschule zuKassel
(1812—1893)“ eine besondere Festschrift, auf
die wir bei anderer Gelegenheit zurückkommen werden.
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: F.Zwengerin Fulda, Druck und Verlag von Fried r. Scheel in Kassel.