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ruhig, und das erbitterte den Priester noch mehr.
^ „Du schmähst der Äsen hehr' Geschlecht?
Sind keine Männer hier, die solchen Schimpf
rächen ?"
Heftiger wurden die drohenden Laute bei der
hetzenden Rede des Priesters, und hie und da
griff eine Hand zur Waffe. Wilbvd aber stand
hvchaufgerichtet, furchtlos da.
„Auch Dein Morst Verblendeter, schreckt mich
nicht, der Du das Volk täuschest und um sein
ewiges Heil betrügst —, Teufelsfratzen sind Deine
hehren Götter."
Einen wilden Ruf stieß der Priester aus.
„Du lügnerischer Hund!" schrie Heribert,
und sein Schwert stog glänzend aus der Scheide
in die Luft.
Doch ehe es aus des wehrlos, aber ruhig vor
ihm stehenden Angelsachsen Haupt niederfallen
konnte, warf sich, bleich vor Entsetzen, Hilda
vor Wilbod und streckte die Arme schützend in
die Höhe.
Heribert ergriff sie am Handgelenke und
schleuderte sie zur Seite.
„Tödtet ihn!" rief der Priester mit gellendem
Ton, und Waffen blitzten ringsum in der Luft.
„Halt!" donnerte eine mächtige Stimme da
zwischen, die schon oft den wildesten Drang der
Münnerschlacht übertönt hatte, und die sie Alle
kannten.
Bewegungslos standeck die, welche Wilbvd
tödten wollten, und die Schwerter schienen in
der Luft gehemmt.
„Wer ein Haar seines Hauptes verletzt,"
dröhnte die zornige Stimme durch den weiten
Raum, „dem fliegt meine Axt in den Schädel,
so wahr ich hoffe, einst bei meinen Vätern zu
ruhen."
Alle schwiegen und sahen sich scheu nach Chil-
derich um, der die furchtbare Streitaxt von der
Wand gerissen hatte und sie hoch zum Wurf
gehoben bereit hielt.
Alle wußten, cs war sicherer Tod, wenn die
Axt aus dieser Hand entflog, denn Niemand im
Hessenland schwang sie kräftiger und sicherer als
der Greis im Lehnstuhl.
„Seid Ihr Männer?" fuhr der Alte fort.
„Hebt Ihr gegen den Wehrlosen die Waffe —,
gegen den, der an meinen Herde sitzt?"
Heftig entgegnete Heribert: „Er beschimpft
Deinen Herd, wenn er die Ewigen lästert,
und fordert den Todesstreich heraus. Dürfen
wir Männer hören, wie er unsere Götter lästert?"
„Knabe!" donnerte Childerich's Stimme, „soll
ich Dich Vätersitte lehren? Ist der Herd nicht
heilig? Ist Gastfreundschaft ein leeres Wort?
Willst Du zuerst die Axt im Schädel haben?"
Der reckenhafte Heribert zitterte vor Wuth
bei der Zurechtweisung, aber er wagte nicht, dem
alten Helden zu trotzen. Alle hatten bereits die
Waffen gesenkt, und bleich und bebend stand
Hilda neben des Vaters Sitz, den bittenden Blick
auf Heribert gerichtet. Auch der Priester schwieg
in tiefem Ingrimm, aber auch er wagte nicht,
Childerich entgegenzutreten.
Ruhig wie bisher, bewegungslos in dem Ge
tümmel stand auch jetzt noch Wilbod.
Als Ruhe eingetreten war, schritt er auf den
Greis zu und sagte: „Dir danke ich, Childerich,
daß Du der Väter Sitte und des Herdes heilig'
Gastrecht ehrst. Doch fern sei es von mir,
Streit hier zu entzünden. — So laß mich scheiden,
Herr, im Frieden. Was ich gesagt —, es mußte
hier erklingen —, des Heiles Botschaft ist's —,
tief mag sie Euch zu Herzen dringen."
Er neigte sich vor dein Greise und schritt er
hobenen Hauptes, zwischen den Männern hin
durch, zur Halle hinaus.
Viele sahen ihm theilnahmsvollund bewundernd
und nur Wenige zornig nach.
„'s ist Heldenblut itn Jungen," sagte der
Alte, „er stand so ruhig dort vor den Schwertern
wie einst Armin vor Roms Kohorten. Er
ziehe in Frieden. Bekehren wird sein Klage
lied hier Niemanden —, sei ruhig, Priester, unsere
Heldenschaft ist anderer Art. Die Hörner, die
Becher gefüllt, Gesellen, — und ein lustig' Lied
stimmt an, wie sich's ziemt in Childerich's
gastfreier Halle. Fröhlich, Männer —, fröhlich
seid."
Alsbald hub Rodwalt eiu wohlbekanntes
Kriegslied an, und die Anderen fielen dröhnend
ein:
„Schwertcsschwang,
Schildesklang,
Scharfer Speere zischend' Sausen
Und des Kampfrufs wild' Erbrausen —,
Das ist's, was das Herz erfreut
Und das Leben uns erneut."
„Hei, ho!" klang es, „Trink Heil! Gut Heil!"
und die fröhliche Stimmung war wieder her
gestellt. Hilda hatte sich leise aus der Halle
durch eine kleine Seitenthür entfernt. Sie durch
eilte rasch die weiteu Räume des Hauses uud
trat in den Hof. Kein Mensch begegnete ihr,
denn alle Diener standen, seit Rodwalt ein
gekehrt war, am Eingang der Halle. Nur
einer, das wußte sie, weilte in den Ställen; er
war ein Höriger Heribert's, der sich den Zorn
des Gebieters zugezogen, weil er ein Roß hatte
entweichen lassen.
Aber das Roß war von selbst in den Hof
Childerich's gelaufen, wohin es den Herrn oft
trug und dann von den zarten Händen Hilda's
, ....