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Hessische Künftler.
Diographische Skizzen von F. Iw eng er.
(Fortsetzung.)
o ernst und aufstrebend Werner H c n s ch e l
als Künstler war, so lebenslustig war er von
Jugend an als Mensch. Bot sich ihm eine
Gelegenheit dar, recht froh, vergnügt und aus
gelassen zu sein, er ging ihr nicht ans dem Wege.
Mit Lebhaftigkeit und Hingebung trat er unter
die jüngsten und muntersten Leute und wetteiferte
mit ihnen an fröhlicher Laune und Unternehmungs
lust. Aber sein Ziel hatte er stets vor Augen
und bei allen Tollheiten, die er in seiner Jugend
ausführte, bewahrte er sich seinen kindlich religiösen
und poetischen Sinn, der einem Genius gleich,
ihn über alle Abgründe und Verderblichkeiten
des Lebens hinwegtrug, und der ihm bis an
das Ende seiner Tage treu blieb. Durch seine
persönliche Liebenswürdigkeit bezauberte er Jeder
mann und erwarb sich zum Freunde einen Jeden,
mit dem er in Berührung kam. Dabei war
er so sanft und friedlich gesinnt, daß er wohl
nie in seinem Leben Jemand wissentlich einen
bitteren Augenblick bereitet hat. Diese Eigen
schaft wurde auch allgemein anerkannt und von
ihm kann man wohl sagen, daß er keinen Feind
besaß, bei einem Künstler gewiß ein seltenes
Lob.
Werner Henschel blieb unvermählt. Im Herbste
1837 bezog er das für ihn und seinen Bruder
Karl Anton, sowie für dessen Sohn Karl er
baute, durch seine äußere und innere Form und
Einrichtung, sowie durch seine architektonischen
Ornamente aus gebranntem Thon höchst originelle
Wohnhaus in unmittelbarer Nähe der groß
artigen Fabrikgebäude zwischen dem Weser- und
dem holländischen Thore. Das Wohnhaus be
stand aus einem Erdgeschoß und drei Stock
werken , von welchen sich Werner Henschel
das oberste wählte und nach seinen künstlerischen
Zwecken einrichtete. Eine junge Nichte hielt
ihm Haus und belebte Werner Henschels große
Räume mit der einem sinnigen Manne so wohl
thuenden weiblichen Geschäftigkeit. Eine Schwester
Henschels war an den Justizbeamten Kördell
in Naumburg verheirathet und nach dem Tode
ihres Mannes nach Kassel gezogen. Ihre Tochter
Franziska war dem Onkel Werner Henschel schon
seit früher Kindheit durch ihren zarten künstlerischen
Sinn besonders werth geworden. Sie wurde
seine Hausgenossin und ging ihm neben der
Besorgung der wirthschaftlichen Geschäfte bei ihrem
entschiedenen Talent für die Skulptur wie ein
Lehrling zur Hand. Sie war nicht nur seine
Gesellschafterin, sie wurde auch seine Schülerin.
Sie machte es ihm auch möglich, seinem regen
Sinn für Gastfreundschaft und gesellige Ver
gnügungen mehr als bisher zu huldigen, und
wer von Henschels Freunden sollte jemals in
seinen wirklich glänzenden Abendgesellschaften
gewesen sein, ohne sich mit Vergnügen, mit Dank
barkeit und sogar mit Bewunderung daran zu er
innern? Diese Frage stellt der Biograph Werner
Henschel's („Neuer Nekrolog der Deutschen")
der jedenfalls dem Künstler sehr nahe gestanden
hat, und dessen reizende Schilderung der Häus
lichkeit Henschel's und der von ihm veranstalteten
Festlichkeiten wir hier wiedergeben.
„Zeigt sich", heißt es daselbst, „in Henschel's
Zimmern überhaupt ein feiner Geschmack, indem
fast ein jeder Stuhl, ein jeder Tisch, ein jeder
Bilder- und Spiegelrahmen nach seinen eignen
Zeichnungen in einem gewissen durchgehenden
Stile gearbeitet war, und zwar die Möbel
meist aus schwarzgrünem Holze, so war es doch
insbesondere sein Ausstellungsatelier, welches
den Blick eines jeden Fremden wahrhaft über
raschen mußte. Dieses lag in der Vorderseite
des Hauses und bestand aus drei architektonisch
unterschiedenen Abtheilungen, von denen die
mittlere einen, mehrere Fuß erhöhten Plafond
hatte und durch ein sehr großes Fenster in
halber Zirkelform ein für alle drei Abtheilungen
ausreichendes Licht erhielt, ein Fenster, welches
zugleich den schönsten Blick über eine weite
lachende Fläche der gefälligen Umgebungen von
Kassel gewährte und hierdurch einen zwiefachen
Effekt hervorbrachte. In diesem Saale arbeitete
Henschel nur höchst ausnahmsweise, weil er je
nach Verschiedenheit der Arbeiten größere und
kleinere Räume benutzte, er hatte aber hier Ab
güsse von der Mehrzahl seiner Werke ringsum
ausgestellt oder an den Wänden angemessen an
gebracht. Gewöhnlich standen die Büsten, Fi
guren und kleineren Gruppen auf geschmackvoll
geformten Säulen, welche häufig, ihrem zier
lichen Gegenstand entsprechend, nur einen sehr
geringen Durchmesser hatten und oben in einer
blunienkelchähnlichen Arabeske endigten, so daß
sich das kleine Kunstwerk auf einem Pflanzen
stengel zu wiegen schien; dies Alles- bedeutungs
voll geordnet und zusammengestellt und durch
eine sogenannte Uni-Tapete von bräunlicher
Farbe malerisch gehoben, war ganz dazu geeignet,
um deu der Plastik so eigenthümlichen magischen