—
— 300
ab — gesetzlich eingeführt. Wir finden in der
genannten Nummer Korrespondenzen aus London
vom 18. August, von der Nieder-Elbe, also wohl
Hamburg 23. August alten Styls, dagegen aus
Wien vom 3., Lothringen vom 4., Regensburg,
Straßburg und Brüssel vom 7 , Hamburg
vom 5., Lüttich, Aachen, aus dem Haag vom
9. September, sämmtlich neuen Styls. Die
Differenz zwischen dem alten und neuen Kalender
betrug damals 10 Tage. Doch ist es fraglich,
ob sowohl die Orte wie die Data stets der
Wahrheit entsprechen, da ein Zeitungsschreiber
manchmal Grund haben mochte, die Herkunft
seiner Nachrichten zu verschleiern. Nur ganz
vereinzelt findet sich eine Annonce vor, meist
zur Zeit der Frankfurter Messe und betrifft
dann Bücheranzeigen. Der Abonnementspreis
ist aus dem Blatt selbst nicht ersichtlich. Aus einer
allerdings viel späteren — 1740 — gemachten
Angabe des Zeitungsbesitzers erhellt, daß er den
Werth eines Frei-Exemplars mit 3 Gulden jähr
lich berechnete. Ebenso hoch stellt sich für ihn
der Preis der Frankfurter und Nürnberger
Zeitungen. Das Porto, welches die Post erhält,
kann hierin nicht mitbegriffen sein, wohl aber
in dem Kostenansatz für die französischen Leyden'sche
und Brüsseler Zeitung mit 15, resp. 10 Gulden
30 Kreuzer.
Justus Böff hatte zwei Söhne und drei
Töchter, die ihm in den Jahren von 1680 bis
1690 geboren worden waren. Der jüngste Sohn,
Johann Carl, setzte nun zunächst mit der Mutter
und nach deren, schon am 14. Juni 1712 er
folgtem Tode das Geschäft allein fort. Die dem
Vater so oft erzeigte Gunst der Hanauischen
Regierung blieb auch dem Sohne erhalten.
Diese steht dem Zeitungsschreiber gegen alle Be
schwerdeführer treu zur Seite und ist unerschöpf
lich in Entschuldigungsgründen. Großen Herren
gegenüber wird auch das kaiserliche Privileg
vorgeschützt, unter dessen Autorität Böff allein
drucke „ohne daß die hiesige Landesherrschaft
oder deren nachgesetzte Regierung den geringsten
Theil an seinem Zeituugsschreiben oder dessen
vorreotur nimmt". Das geschieht z. B. gelegent
lich einer Klage des czarischen Gesandten zu
Wien, Baron von Urbich, 1712, der mit
„Ahndung" droht, wenn sich die antirnssische
Haltung der Europäischen Zeitung nicht ändere,
ebenso dem königlich polnischen Residenten zu
Frankfurt, Steinheil, gegenüber 1714. Weniger
Umstände werden mit anderen Anklägern gemacht,
wie einer Gräfin Wiescr, 1711, Fürstlich Eise-
nach'schen Behörden — wegen des Berichts über
einen Studentenkrawall — 1713, Fürsten von
Löwenstein 1714, u. s. w. Da wird wohl die Jugend
Böff's hervorgehoben, auch sein Bildungsgrad.
„Daß ein Zeitungsschreiber, heißt es unter
Anderem, zu welchem Handwerk eben nicht wohl
studierte und sonst habile Leute insgemein gebraucht
werden, gar leicht durch einen anderen Zeitungs
schreiber, das ist einen ebenso unverständigen
verleitet, und zur Vorbringung ohnwahrhafter
und öfters auch ohngereimbter Dinge gebracht
werden könne."
Ob damals schon Johann Martin Kühn, der
unter Johann Carl Böff's Nachfolger mehr in
den Vordergrund tritt, im Geschäft thätig ge
wesen ist. lassen die Akten nicht erkennen. Doch
ist es wahrscheinlich, daß Johann Carl irgend
eine Stütze gehabt hat, da er erst 19 Jahr alt
war als der Vater starb. Ihm selbst ist es nur
zehn Jahre vergönnt gewesen der Europäischen
Zeitung vorzustehen, er starb als Neunundzwanzig-
jähriger am 15. Mai 1719. Seine Ehefrau
war Maria Elisabeth, geb. Wessel.
(Fortsetzung folgt.)
Aus alter und neuer Zeit.
Zehn neu aufgefundene Gedichte
Emanuel Geibels. Die von uns schon mehr
fach erwähnte Zeitschrift „Universum" (Dresden
Alfr. Hauschild's Verlag) veröffentlicht in ihrem
neuesten Heft (Nr. 7) zehn neu ausgefundene
Gedichte Geibels Der Dichter steht uns Hessen
besonders nahe. Er selbst singt von sich einmal:
„Und kam ich auch am Nordseestrand
Das Licht der Welt zu suchen,
Mein Stammhaus steht im Frankenland,
Zm Dorf zu Wachenbuchen/
In Wachenbuchen bei Hanau war es, wo die
Eltern Geibels als Pfarrersleute lebten, bis sie nach
Lübeck übersiedelten; dort erblickte Emanuel das Licht
der Welt. Wir haben also alles Recht, ihn zu den
Unsern zu zählen. Nun aber zu den Gedichten.
Es sind Erstlingsgedichtc, die Hugo Gädertz, der
bekannte Lübecker Literaturhistoriker im „Universum"
veröffentlicht, aber sie bekunden schon den Besitz hoher
dichterischer Begabung, der im gereiften Manne zur
Vollendung heranreifen sollte. Wir wählen zwei
stimmungsvolle Gedichtchen heraus:
A b e n d b i l d.
Sichst du dort die alte Kirche?
Hörst die Glocke hell und rein?
In den bunten Fenstern spiegelt
Sich der rothe Abendschein.