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Der Feind, welcher sich überall setzen wallte,
wurde genöthigt, die Frankfurter und Hanauer
Straße zu verlassen.
Wir haben 6000 Gefangene gemacht und
mehrere Kanonen genommen. Der Feind hatte
sechs todte oder verwundete Generäle. Sein
Verlust mag sich ungefähr auf 10 000 Todte,
Blessirte und Gefangene belaufen. Der unsrige
beträgt nicht über 400 bis 500 an Todten und
Blessirten. Von unserer Seite waren nur 5000
Tirailleurs, 4 Bataillone von der alten Garde,
ungefähr 80 Eskadrons Kavallerie und 120
Kanonen im Gefecht.
Den 31. Morgens zog sich der Feind gegen
Aschaffenburg zurück. Der Kaiser setzte seine
Bewegungen fort, und um 3 Uhr Nachmittags
waren Se. Majestät in Frankfurt.
Die in dieser Schlacht und in den von Wachau
und Leipzig genommenen Fahnen wurden nach
Paris abgeschickt.
Den 31. Abends war das große Haupt-
quartier in Frankfurt.
>Le Keiömzucht in Kanau im vorigen Jahrhundert.
Von Di'. «Lrich Meyer.
^vethe erzählt in „Dichtung und Wahrheit":
„Eine besondere Liebhaberei meines Vaters
machte uns Kindern viel Unbequemlichkeit. Es
war nämlich die Seidenzncht, von deren Vortheil,
wenn sie weiter verbreitet würde, er einen großen
Begriff hatte. Einige Bekanntschaften in H a n a u,
wo man die Zucht der Würmer sehr sorgfältig
betrieb, gaben ihm die nächste Veranlassung.
Von dorther wurden ihm zu rechter Zeit die
Eier gesendet; und sobald die Maulbeerbäume
genügsames Laub zeigten, ließ man sie aus
schlüpfen und wartete der kaum sichtbaren Ge
schöpfe mit großer Sorgfalt. In einem Mansard-
zimmer waren Tische und Gestelle mit Brettern
aufgeschlagen, um ihnen mehr Raum und Unter
halt zu bereiten: denn sie wuchsen schnell und
waren nach der letzten Häutung so heißhungrig,
daß man kaum Blätter genug herbei schaffen
konnte, sie zu nähren, ja, sie mußten Tag und
Nacht gefüttert werden, weil eben alles darauf
ankommt, daß sie der Nahrung ja nicht zu einer
Zeit ermangeln, wo die große und wundersame
Veränderung in ihnen vorgehen soll. War die
Witterung günstig, so konnte man freilich dieses
Geschäft als eine lustige Unterhaltung ansehen;
trat aber Kälte ein, daß die Maulbeerbäume
litten, so machte es große Noth. Noch un
angenehmer aber war es, wenn in der letzten Epoche
Regen einfiel; denn diese Geschöpfe können die
Feuchtigkeit gar nicht vertragen, und so inußten
die benetzten Blätter sorgfältig abgewischt und
getrocknet werden, welches denn doch nicht immer
so genau geschehen konnte, und aus dieser oder
vielleicht auch einer anderen Ursache kamen
mancherlei Krankheiten unter die Heerde, wo
durch die armen Kreaturen zu Tausenden hin
gerafft wurden. Die daraus entstehende Fäulnis;
erregte einen wirklich pestartigen Geruch, und
da man die Todten und Kranken wegschaffen
und von den Gesunden absondern mußte, um
nur einige zu retten, so war cs in der That
ein äußerst beschwerliches und widerliches Ge
schäft, das uns Kindern manche böse Stunde
verursachte."
Das ist aus klassischer Feder eine Schilderung
der Freuden und Leiden der Seidenzucht. Um
aber in aller Kürze zu zeigen, wie sehr sich
einstmals des alten Goethe Urtheil über den
Werth dieses Geschäftszweiges bestätigt hat,
mag angeführt werden, daß im Jahre 1785,
also rund ein Menschenalter später, der Seiden
bau in den preußischen Staaten einen Ertrag
von drei Millionen Thalern brachte und mit
dieser Zahl den dritten Rang unter sämmtlichen
größeren Fabrikzweigen einnahm. Dazu kam
noch, daß diese drei Millionen Thaler sich auf
nur 6000 Beschäftigte vertheilten, während ans
die in der Leinwandfabrikation gewonnenen neun
Millionen 80,000 Arbeiter kamen, was für den
Seidenarbeiter ungefähr einen fünffachen Ver
dienst gegenüber dem Leinenarbeiter bedeutete.
Aus der Stelle aus „Dichtung und Wahrheit"
interessirt uns noch besonders die Angabe, daß
Goethe die Eier der Seidenraupen aus Hanau
bezogen habe, und soll uns dies Veranlassung zu
einigen Bemerkungen über diesen Industriezweig
und seinen Betrieb im vorigen Jahrhundert zu
Hanau geben.
Bekanntlich ging die Grafschaft Hanan-Münzen-
berg 1736 in Folge eines Erbvertrages an
Hessen-Kassel über, wo damals Wilhelm VIII.
noch als Statthalter seines älteren Bruders,
Friedrich's I., Landgrafen von Hessen und Königs
von Schweden, regierte. Die Regierung der
Grafschaft ist aber erst 1785 mit Hessen-
Kassel vereinigt worden: in den Jahren, die uns