218
Anzahl von Truppen, über die ich verfügte,
nicht aushalten konnte; ich ließ sie daher ge
deckte Stellungen annehmen und die Kavallerie
zur Stütze der Infanterie Angriffe machen.
Nachdem darüber einige Stunden hingegangen
waren, begab ich mich mit mehreren Offizieren
auf die Landstraße, um mich zu vergewissern,
was außerhalb des Waldes vorgekommen
fei. Beim Ausgange wurden wir durch eine
zahlreiche Artillerie und ein Gewehrfeuer begrüßt,
welches uns zwang, rasch in den Wald zurück
zukehren; aber ich hatte noch Zeit, einen Blick
auf die Stellung des Feindes zu werfen, urtb
was ich da bemerkte, war keineswegs geeignet,
uns Zuversicht zu gewähren und uns Vertrauen
zu unseren Truppen einzuflößen.
(Schluß folgt.)
Eine Geschichte aus Waldesgründen
von Wilhelm Speck.
(Schluß.)
c \t* in es Abends fand ich die Thür zu meinem
ijU Versteck verschlossen, und als ich versuchte,
das morsche Schloß mit Gewalt zu öffnen,
kamen Menschen. Man rief mir nach, aber man
wollte mich wohl nur erschrecken, nicht verfolgen.
Wie ein gehetztes Thier lief ich fort, immer
weiter, endlich stand ich still und besann mich,
wo ich war. Es war nebelig, aber ich erkannte
doch meine Umgebung, ich befand mich am
Friedhof. Das eiserne Thor war verschlossen,
aber ich konnte zwischen den Eisenstäben hindurch
die weißen Denksteine und die Kreuze erkennen.
Dort in der Ferne hinter den dunklen Chpresfen
lagen zwei Gräber, welche das Liebste umschlossen,
das ich besessen hatte. Ich drückte meine heiße
Stirn an das kalte Gitter und versuchte es, mit
meinen müden Augen den Nebel zu durchdringen.
Endlich wankte ich fröstelnd weiter, der modernde
Hauch hatte mich getroffen, ich erschauerte.
Es ist das eine einsame Gegend, nur wenige
Häuser stehen an der Straße, und diese Straße selbst
ist dunkel, feucht, traurig. Ein Rain mit tief grünem
Gras bewachsen stößt an sie heran, aber ich
glaube nicht, daß eine Blume unter den Halmen
blüht. Die Rosen, welche man hinter den Zäunen
sieht, scheinen, so schön ihre Blüthe ist, einer
anderen schwermüthigen Art anzugehören, und
selbst die Laternen haben nur ein gelbes,
schwefliges Licht. Ich ging die Straße hinauf.
Da war zuerst ein Wirthshaus, aus welchem wüste
Stimmen erschallten. Schlagen sie sich? fragte
ich mich, ist das ein Kampf, bei welchem Blut
fließt und jemand getödtet wird? Diese Frage
beschäftigte mich, es schien mir süß, sterben zu
müssen. Man kam heraus, dicht hinter mir
her, ich eilte, was ich konnte, aber ich fiel über
einen Stein. Als ich mich wieder erboben hatte,
fühlte ich, daß meine Kniee zitterten, ich hatte
keine Kraft mehr. Das Uebrige erlaß mir, wie
ich mich wehrte, und wie man mir zu Hilfe kam.
Ich mußte auf die Polizei mitgehen, denn ich
sah verwildert aus, ganz verwahrlost. O mein
Freund, was war aus mir geworden! In der
matt erleuchteten Stube saß ich auf einer Bank.
Von Zeit zu Zeit wurden Leute gebracht, auch
ein Kind, welches sich verirrt hatte, es setzte sich
neben mich und weinte still vor sich hin. Einige
von den Leuten flüsterten mit einander, andere
schliefen. Mein ganzes Leben zog da an mir
vorüber, mein unglückliches, jammervolles Leben,
mein Leben, welches doch durch Gottes Barm
herzigkeit rein geblieben war. Die Zeit schlich
dahin, von Zeit zu Zeit holte die Uhr langsam
zum Schlage aus. es war ein dunkler, klangloser,
müder Schlag. Manchmal dachte ich, man wird
dich vielleicht für'immer festhalten, mir erschien
das nicht unmöglich. Endlich wurde ich gerufen,
ich hatte den Namen meiner Verwandten genannt,
sie waren gekommen, mich abzuholen. Wir gingen
auf die Straße hinaus, ich mußte einige Schritte
vor ihnen gehen, denn sie schämten sich meiner,
aber sie ließen mich nicht aus den Augen. Die
Tante sprach schließlich: ,Sie ist eine Verworfene,
oder wenigstens sie wird es, es ist alles verloren.
Man muß sie fortschassen, fort aus dieser Stadt,
aber wohin?'
Da wandte ich mich um und sagte: ,Germerode'.
Ich war als Kind einmal hier gewesen, jetzt in
meiner großen Noth gedachte ich seiner. ,Jch
werde wieder unter den grünen Bäumen wandeln,
sagte ich leise, ich werde die Veilchen am Rain
suchen und die blauen Anemonen, mit freund
lichen Gespielen werde ich durch die Wiesen zie
hen und in meine Träume hinein werden die
hellen Dorfglocken läuten. Hic in reducta valle
caniculae . .'