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der Liebe gerettet werden, sondern nur noch vom
Mitleid, vom Erbarmen. Vor der Fabrik blieben
die Beiden stehen und schauten unschlüssig zu den
Fenstern auf, sie wollten mich sehen, mit mir
sprechen. Fort, nur fort, rief es da in mir.
Ich schlich mich die Hintertreppe hinab und floh.
Die Sonne umspielte die Linden der Promenade,
geputzte Menschen wandelten unter dem grünen
Gelaub, Kinder mit hellen Augen sprangen umher.
Am Abend stand ich wieder vor unserem Hause
und stieg in den Bodenraum hinauf. Tags über
trieb ich mich in den Straßen umher, Abends
ging ich in mein Versteck. Ich bin mir nicht
klar darüber, was ich eigentlich beabsichtigte,
mein Kopf war benommen, mein Denken zer
ronnen, ich lief und lief, aber nur mein Körper
i~ae
Nergangene Zeit.
Wie war es schön, als noch die Frühlingsluft
Mir um die blonden Jugendlocken spielte
Und noch der Sehnsuchtsdrang zu ihr, zu ihr
Mein ganzes Sein, mein ganzes Denken füllte.
Wie war es schön, wenn der Gedanken Flug
Mein junges Herz für sie allein durchbebte,
Daß alles Schöne auf der weiten Welt
Für sie allein geschaffen nur mir lebte.
Wie war es schön, wenn sie in sel'ger Lust
Auf meine Stirn die frommen Hände legte
Und dann in einem nie geahnten Glück
Ein jeder Athemzug die Brust bewegte.
Wie war es schön, wenn ihrer Augen Gluth
Auf mich hernieder fiel mit sanftem Scheine
Und mir verheißend sprach: „Ich liebe Dich,
Gehöre Dir, bleib' ewig nur die Deine!"
Gart Weöcr.
Aus Heimath und Fremde.
Die 58. Jahresversammlung des Ver
eins für hessische Geschichte und Landes
kunde in Eschwege. Zum zweiten Male seit
der Einführung der Wanderversammlungen im Jahre
1863 tagte der Verein für hessische Geschichte und
Landeskunde in der altehrwürdigen Industriestadt
Eschwege. Wie vor 13 Jahren, so hatten auch
diesmal die Bürger alles aufgeboten, den Gästen
den Aufenthalt in der freundlichen Stadt so an
genehm als möglich zu machen. Und daß ihnen das
gelungen ist, darüber herrscht nur eine Stimme.
Am Abend des 26. Juli begann das Fest mit
der vyrberathenden Sitzung des Gesammtvorstandes.
bewegte sich, meine Seele schlummerte, ich war
zu einem mechanischen, gedankenlosen Getriebe
geworden.
Zuweilen sagte ich mir, daß ich verhungern
müsse. Mein Verdienst war bald zu Ende.
Wenn ich den letzten Groschen ausgegeben haben
werde, dann muß ich sterben, langsam wird mich
der Tod überwinden. So sprach ich und beschloß,
lieber schnell zu sterben. Ich stand auch einmal am
Wasser. Dunkel und schlammig zogen die Fluthen
dahin, ich machte eine Bewegung mit dem Fuße,
als wollte ich hinabspringen, es war aber nur
ein Versuch, weil ich mich sehr fürchtete und
mich erst langsam an den Gedanken gewöhnen
wollte, daß ich einmal hinab müsse.
(Schluß folgt.)
Vertreten waren in derselben die Vorstünde von
Kassel, Hanau und Marburg durch die Herren
Bibliothekar Dr. Hugo Brunner und Museums-
Custos Lenz (Kassel), praktischen Arzt Dr. Eisenach
und Gymnasiallehrer Dr. Wackermann (Hanau),
Konservator Dr. Ludwig Bickell (Marburg). Die
Zweigvereine Fulda, Schmalkalden und Rinteln
blieben diesmal unvertreten. Nach der Sitzung fand
eine höchst gemüthliche gesellige Vereinigung der in
zwischen zahlreich eingetroffenen Festtheilnehmer im
großen Saale des Bahnhofhotels statt. Am folgen
den Tage, den 29. Juli, wurde um 10 Uhr Vor
mittags im geschmackvoll dekorirten großen Stadtbau
saale die Hauptversammlung von dem stellvertretenden
Vorsitzenden, I)r. H. Brunner, eröffnet, welcher den
Dank des Vorstandes für die zahlreiche Betheiligung
aussprach. Hierauf ergriff der Bürgermeister Vocke
das Wort, um in herzlicher und warmer Weise den
Geschichtsverein willkommen zu heißen. Dr. Brunner
dankte für die freundliche Aufnahme und das herz
liche Willkommen und berichtete sodann über die
Vereinsthätigkeit im verflossenen Jahre. Dem von
ihm an Stelle des abwesenden Schriftführers ver
lesenen Berichte ist zu entnehmen, daß die Zahl der
Mitglieder in stetiger Zunahme begriffen ist, sie be
trägt gegenwärtig 1337. Sodann wird der Todten
des verflossenen Jabres gedacht und insbesondere des
empfindlichen Verlustes Erwähnung gethan, den der
Verein durch den Hingang der beiden Ehrenmitglieder,
des Geheimen Rathes Mittler und des Forstmeisters
Weber, sowie des Oberlandesgerichtssekretärs Rogge-
Ludwig erlitten hat. Das Andenken dieser um den
Geschichtsvereiu sehr verdienten Männer wurde auf
den Antrag des Vorsitzenden durch Erheben von den
Sitzen geehrt. Es folgten nun noch Mittheilungen
über die Vereinspublikationen sowie über die ge
haltenen Vorträge. Auch über die Errichtung des
Denksteines aus dem Sandershäuser Schlachtfelde