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Mach dem Feste.
Ist auch Weihnachtszeit vorüber,
Steht das Bäumchen doch noch immer,
Reich geschmückt mit goldenen Früchten,
In dem traulich warmen Zimmer.
Kann noch nicht mich von ihm trennen
Und so früh es heißen gehen.
Weiß nicht, ob zum letzten Male
Ich vielleicht es hab' gesehen,
Ob der Lichter Helles Glänzen
Mich noch einmal wird erfreu'»,
lind ob ich mit frohen Kindern
Noch einmal kann glücklich sein.
Will darum dem Bäumchen gönnen
Gern den Platz im engen Raum,
Und mit Freude stets nur denken
An den lieben Weihnachtsbaum.
ßart Weber.
Im Mtuter.
Der Schnee rings auf dem Felde liegt,
Ein bleichend Riesenhemd,
Wo süß ich Sommers mich gewiegt,
Schaut Alles jetzt so fremd.
Wo Lerchen stiegen in die Luft,
Krächzt nun der Raben Schwarm,
An Galgen mahnen sie und Gruft, —
Arm' Sünder — Gott erbarm!
Der Wasserfall zu Eis erstarrt
Dort in dem Felsengrund,
Der Winter, nach Tyrannenart,
Verschloß ihm seinen Mund.
Das Sonnenauge, trüb und matt,
Blickt durch der Wolken Grau,
Vergebens sucht es Blüth' und Blatt
In schneebedeckter Au.
Vergebens sucht es Freud' und Lust
In öder Einsamkeit,
Es ist das Glück der Menschenbrust,
Der Frühling ist noch weit.
W. Wennecke.
Ans Heimath und Fremde.
Eine treffende Schilderung Franz Dingelstedt's
findet sich in der neuen Schrift Julius Roden-
berg's „Das Haus im Thiergarten", die soeben in
Verbindung mit „Klostermann's Grundstück" nebst
„einigen anderen Begebenheiten, die sich in der Nach
barschaft zugetragen haben", bei Gebrüder Paetel in
Berlin erschienen ist. Das Haus in der Thiergarten
straße zu Berlin, von dem hier die Rede, ist vor
wenigen Wochen niedergerissen worden; Julius
Rodenberg, der feinsinnige Kenner des alten Berlins,
widmet demselben eine wehmüthige, liebevolle Er
innerung und gedenkt dabei auch jener schönen
Festlichkeit, welche die „Deutsche Rundschau" im
Sommer 1876 zu Ehren der Anwesenheit Franz
Dingelstedt's, ihres berühmten Mitarbeiters, in Berlin
in jenem Hanse veranstaltet hatte, zu der die lite
rarischen Celebritaten Berlins Einladungen erhalten
und angenommen hatten.
„Es war ein lieblicher Juninachmittag," schreibt
Julius Rodenberg, „das Grün des Thiergartens noch
ganz frisch, und durch die rothen und blauen Scheiben
fiel gedämpfter Sonnenschein. Drinnen im Pavillon
saß ein kleiner Kreis auserwählter Männer, alle
scheinbar in der vollen Kraft des Lebens und ohne
Zweifel fröhlich und guter Dinge, bei den köstlichen
Zigarren, dem duftenden Mokka, die das voraus
gegangene Mahl krönten. Der Eine war ein Mann
zu Beginn der Sechzig, von hoher Gestalt, mit
breiten Schultern, ein Mann von adliger Erscheinung
und seltener Schönheit noch in seinen Jahren.
Cavalier durch und durch, ein Elegant sogar, aber mit
einem sarkastischen Zug um die Lippen, den der
modische, jetzt schon ergrauende Bart nicht zudeckte,
und das große, braune Auge, das ich immer noch zu
schauen meine, voll von tausend Jugend- und Heimath-
erinneruugen für mich. Er ist nicht immer der vor
nehme Herr gewesen, dessen Knopfloch das schwarz
gelbe Band der „eisernen Krone" schmückt. Aus
kleinen Verhältnissen hervorgegangen, hat er Alles
erreicht, was menschlichem Ehrgeiz erstrebungswerth
scheinen mag; er hat mehr erreicht, als der Knabe
jemals geträumt. Und dennoch sagt dieser Zug um
den Mund, daß der Traum oft schöner ist als dessen
Erfüllung, daß es für die Ideale keinen Ersatz giebt,
und daß man durch äußeren Glanz wohl die Welt,
nicht aber sich selbst zu täuschen vermag. Einer der
genialsten Persönlichkeiten, die mir in meinem Leben
begegnet; Einer, der durch den ihm angeborenen
Zauber Alles überwand, was ihm in den Weg trat,
nur nicht den inneren Zwiespalt; der Jeden entzückte,
den er entzücken gewollt; ein Günstling des Glücks
und in Wahrheit niemals glücklich —, ein Poet, der
alle Talente, nur nicht das der Resignation, besaß.
Dieser Mann, eines hessischen Feldwebels Sohn und
nunmehr ein österreichischer Freiherr, war Franz
Dingelstedt, und ihm zu Ehren, während seines
letzten Aufenthaltes in Berlin, war das kleine Fest
gegeben worden, an welches es mich mahnt, dieses
Haus im Thiergarten!"
Univ er sitäts Nachrichten. In diesem
Wintersemester beträgt die Zahl der immatrikulirten
Studirenden der Universität Marburg 840, gegen
952 im verflossenen Sommersemester und 855 im