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Aus Heimath und Fremde.
„G alte Aurschenhrrrlichkeit".
Zu Anfang dieses Jahres entbrannte bekanntlich
ein heftiger Streit über die Autorschaft des Liedes
„O alte Burschenherrlichkeit", der außerordentlich
viel Staub aufwirbelte. In den „Burschenschaftlichen
Blättern" wurde angezweifelt, daß der am 21. Juli
188t) zu Eschwege verstorbene Sanitätsrath Dr. Eugen
Höfling der Dichter des herrlichen Liedes sei, und in
hohem Grade gehässig waren die Bemerkungen, welche
die Gegner an ihre Annahmen knüpften. Dank den
jetzt vorliegenden Erklärungen des Herrn Dr. W. Brill
in Eschwege, eines jüngeren Kollegen und Freundes,
und des Herrn Geheimen Rathes C. F. v. Stiernberg
in Kassel, eines alten Studiengenossen und Ver
bindungsbruders Höfling's vom Lyceum zu Fulda
und der Universität Marburg her, kann nunmehr die
Frage als endgiltig zu Gunsten Höfling's entschieden
betrachtet werden. Bei dem Interesse, welches die
Angelegenheit in Anspruch genommen, halten wir es
für angezeigt, nachstehend beide Erklärungen ihrem
vollen Wortlaut nach wiederzugeben. Dienen doch
dieselben noch ganz besonders zum nähereu Verständ
nisse der Sache selbst.
I.
„In den „Burschenschaftlichen Blättern" vom
12. Januar findet sich ein Artikel, welchen Dr. W.
Er man mit der Absicht hat erscheinen lassen, zu
beweisen, daß der Dichter des Liedes „O alte
Burschenherrlichkeit" nicht der hier in Eschwege ver
storbene Sanitätsrath Höfling gewesen sein könne
und demnach Höfling als Liederdichter zu streichen
und die Gedenktafel an seinem Sterbehause zu ent
fernen sei.
Wir, die Bewohner von Eschwege, sind entrüstet
darüber, daß man die Ehrenhaftigkeit und Wahr
haftigkeit unseres allgemein so hochgeschätzten und
verehrten verstorbenen Mitbürgers in Frage zieht.
Alle wir, die ihm nahe gestanden haben, seinen
Charakter und seine geistigen Eigenschaften gekannt
haben, wir kommen auch nach der Ausführung
Dr. Ermau's nicht zu dem Resultat wie dieser,
sondern wir sind der festen Ueberzeugung nach wie
vor, daß Höfling das Lied „£> alte Burschenherrlichkeit"
gedichtet hat, und daß Alles, was Dr. Erman als
Beweis hiergegen anführt, nur beweist, daß den
69 Jahre alten Manne sein Gedächtniß etwas im
Stich gelassen hat.
Im Folgenden gedenke ich, diese unsere Auffassung
als die richtige darlegen zu können.
Vom Jahre 1865) bis zum Tod Höfling's 1880
habe ich in freundschafilicher Beziehung zu ihm ge
standen und habe besonders ein sehr angenehmes
kollegiales Verhältniß zu chm gehabt. Nicht nur mein
Urtheil ist cs aber, sondern hierzu bekenueu sich un
bedingt Alle, welche demselben einigermaßen näher
| gestanden haben — Höfling war ein Mann von
j ganz besonderen Anlagen, von einer sehr bedeutenden
I geistigen Entwicklung und im Besitz eines großen
j Schatzes von allgemeinem Wissen, auch war er, was
! besonders zu erwähnen ist, dichterisch recht beanlagt.
i (Derselbe hat uns durch manches sehr schöne Ge-
! legenheitsgedicht erfreut.) Diese dichterische Befähigung
! ist theilmeise auf seine Kinder übergegangen. Von
Charakter war Höfling stets bescheiden, tolerant gegen
Jedermann und vor allen Dingen wahrheitsgetreu.
Derselbe stand in hohem Ansehen bei seinen Mit
bürgern wie bei seinen Kollegen; er war Vorsteher
i des hiesigen Bürgerausschusses und wohl 30 Jahre
! lang Vorsitzender unseres Meißncrschen ärztlichen
! Vereins.
! Schon seit einer Reihe von Jahren vor seinem
j Tode lebte Höfling sehr zurückgezogen, fast jeden ge-
j sellschaftlichen Verkehr vermeidend, und war auch
1 außer jeglicher Beziehung zu akademischen Kreisen,
! sodaß es kaum denkbar ist, er habe überhaupt in
> den letzten 10 Jahren ein Kommersbuch zu Gesicht
i bekommen.
I Die außerordentliche Zurückgezogenheit des im ge
selligen Verkehr so sehr liebenswürdigen, interessanten
Mannes veranlaßten mich mit meinem Freunde Direktor
Dr. Kießlcr (jetzt Realgymnasial-Direktor in Gera), einen
Versuch zu machen, ob wir ihn wieder für den Verkehr-
gewinnen könnten. Wir luden ihn daher im Sommer
1877 zu einer Partie an einen unserer schönen
Werraberge ein. Zu unserer großen Freude erschien
der alte Herr nebst Familie. Wir freuten uns zu
sammen des herrlichen Sommerabends und wurden
so froh gestimmt, daß wir auch Lieder sangen. Als
ich das Lied „O alte Burschenherrlichkeit" angestimmt
hatte (in der Ueberzeugung, daß Höfling das Lied
noch unbekannt sei), sagte mir der Kollege mit be
sonders freudigern Ausdruck: „Da höre ich ja einen
alten Bekannten." Ich wunderte mich, daß er dieses
Lied kennen wollte, während mir dasselbe erst nach
meiner Studienzeit, erst nach 1861 bekanntgeworden
war. Dann sagte er meinem Freunde und mir,
daß er selbst das Lied gedichtet habe und zwar als
„Maulesel-, er habe als solcher Verkehr gehabt mit
Studenten, auch habe er einem Kommers derselben
beigewohnt, an welchem auch „alte Herren" theil-
genommen hätten. Der Kontrast zwischen den flotten
Burschen und den in das traurige Philisterthum
Eingetretenen, den er da wahrgenommen, habe ihn
zu dem Liede veranlaßt. Auf meine Frage, ob ich
dem Herausgeber des Lahrer Allgemeinen Kommers
buchs seine Erklärung mittheilen dürfe mit dem Er
suchen , künftig dem Liede seinen Rainen zuzufügen,
gab er dies gern zu. Höfling freute sich über die
schöne, passende Melodie des Liedes und erkundigte
sich nach dem Komponisten.
In demselben Jahre feierte die Universität Marburg
ihr 350jähriges Jubiläum. Um meinem Kollegen