198
latrl Kchomburg.
Von F. Awenger-
(Schluß.)
Selten ist wohl in Kassel eine so ergreifende,
so tief empfundene, so von Herzen kommende und
zum Herzen gehende Trauerrede gehalten worden,
als diejenige war, durch welche der lutherische
Pfarrer K. F. Meyer am Grabe Schomburg's die
leidtragenden Zuhörer zu Thränen hinriß. Sie war
ein Muster geistlicher Bercdtsamkeit, frei von
salbungsvollem, pastoralem Beiwerke, um so
mächtiger war daher auch ihre Wirkung auf die
Zuhörer. Wir glauben uns nicht zu irren,
wenn wir annehmen, daß sie auch heute noch
mit Interesse gelesen werden wird, und dies
bestimmt uns, dieselbe nachstehend ihrem Haupt
inhalte nach wiederzugeben:
„Enggeschaarte Freunde, edler in dem Grade,
als ihr diesen Edlen, in dem Herrn Verklärten
zu würdigen wußtet! Was die bangste Ahnung
gefürchtet, was die aufrichtigste Liebe von Tausenden
und Abertausenden so gern in die fernste Zukunft
hinausgeschoben hätte, das ist durch die Fügung
des Allweisen, der unerforschlich ist in seinen
Wegen, unbegreiflich in seinen Gerichten, gnädig
aber und allbarmherzig in seinen Rathschlägen,
geschehen, — KarlSchomburgist nicht mehr.
Dieser Sarg umschließt seine irdische Hülle,
dieser Gruft sollen wir ihn anvertrauen!
W o er vollendet, fern von unserer Hauptstadt,
wie wenn sie nicht geweiht genug gewesen wäre,
einen ihrer edelsten Bürger sterben zu sehen —,
Freunde, das wisset ihr! Wie er vollbracht,
in welcher Stimmung er nach ungezählten
Kämpfen seines thatenreichen Lebens den letzten
gerungen, den Kampf zum ewigen Siege, den
kein Neid der Erde mehr verkümmern, kein Arg
wohn mehr verdächtigen kann, wie er vollendet,
das meldet uns, und nur dies Einzige aus seiner
letzten Stunde, wie wenn dies alles sagte zu
unserem Schmerze und zu unserem Troste, der
lebenslange Freund, an dessen Brust unser Ver
ewigter entschlummerte. „Er legte", heißt es in
der Trauerkunde, „die Hünde zum Gebet zu
sammen; da ergriff ich sie und sagte: ja wir
alle beten mit dir, und Gott hilft dir nun recht
bald zu deiner letzten Ruhe; darauf neigte er
zweimal bejahend sein Haupt und entschlief."
Das ist Schomburg's Tod! Wer also
stirbt, Freunde, wer mit der Ruhe des Gebets,
mit dem Frieden der Andacht zum Vater kommt,
der stirbt wohl! Er stirbt in dem Herrn, und
Sterben wird ihm, ob auch das Vaterland wie
ein Familienkreis, tief erschüttert und dankbar,
innig über seinen Verlust trauere — Sterben
wird ihm selbst zum ewigen Gewinn!
Nicht, daß der große Manu in einer kleinen
Landstadt in unserer Nähe geboren; nicht daß
er im Auslande größtentheils seine Bildung ge
wonnen und zuerst für die Wissenschaft, als
solche, sich bestimmt glaubte, nicht das Aeußere
seines Lebens will ich hier erwähnen. Nein —
was er durch die Wissenschaft bei seinem seltenen
Tiefblick und unermüdeten Eifer erkannt; wie
er das Erkannte mit musterhafter Treue zum
Segen seiner Mitbürger genützt; wie glücklich
er große, Verderben drohende Verworrenheiten,
die er im städtischen Haushalte bei seinem Ein
tritte vorfand, geordnet; niit welcher Umsicht er
seinen weiten, viel verzweigten Berufskreis über
sehen, mit welcher Fürsorge er günstige Vertrüge
sür unsere Stadt geschlossen; mit welchem Muthe
er unter einem sich täglich steigernden Geschäfts
drange ausgedauert; wie unparteiisch er streitende
Ansichten gegen einander abgewogen, und —
friedlich und versönlich von Natur — die Ein
tracht überall zu vermitteln und zu befestigen
gesucht, mit welcher heiligen Redegewalt er die
Herzen anderer für geprüfte Ansichten, nicht zu
überreden, nein zu überzeugen und zu
gewinnen gewußt; wie er bei allem in seinem
inneren Bewußtsein stets den Lohn gesunden
hat, wenn ihm von außen Dank und Belohnung
vorenthalten wurden; und — um sein häusliches
Stillleben zu berühren, dessen Sorgen er edel
sinnig, wie nur der Biedermann es kann, der
Sorge für das Gesammtwohl nachsetzte — mit
welcher Treue und Liebe und Dankbarkeit er
Freund und Weib und Kind und seine hoch
betagte, fern weilende Mutter umfaßte, die mit
diesem Sarge ihren höchsten Stolz und ihre
reinste Freude begräbt; wie demüthig und er
gebungsvoll er Opfer über Opfer, auch die