Uaience- unö Worzellansabrikm in Alt-Wassel.
Von Professor Dr. A. von Droch.
(Fortsetzung.)
Aus dem über die Steitzischen Vorrüthe auf
gestellten Inventar ist das Verzeichniß der vor
handenen Formen von besonderem Interesse; cs
enthält unter 222 Nummern nicht nur eine große
Anzahl von solchen zur Herstellung von Haus
und Tischgcräthen in den mannigfachsten Mustern,
sondern wir finden darin eine unverhültnißmüßig
große Menge von zu sog. Galanterien dienlichen,
von denen einige hervorgehoben zu werden ver
dienen '), wie z. B. eine stehende Venus von 27 Zoll
Höhe, ein sitzender Windhund in Lebensgröße eine
Leopardengruppe von einem liegenden und einem
stehenden in der Höhe von 2t> Zoll, eine Büffel-
gruppe von 22 Zoll Höhe, eine große Garten
vase von 50 Zoll Höhe, eine Parforcejagd mit
Hirsch, Pferd, Jäger und Hunden u. dcrgl. Einige
von diesen Kapitalstücken finden sich auch in dem
bei dieser Uebernahme aufgestellten Verzeichniß
von fertigen Waaren, und ist daraus zu schließen,
daß Steitz allen technischen Schwierigkeiten bei
Herstellung so großer Stücke gewachsen war; er
suchte sich in seiner Kunst immer mehr und mehr
zu vervollkommnen, sowie auch seine Arbeiten
äußerlich schön zu gestalten, was besonderes für
die von ihm nach Abgabe der gelben Stein-
faiencefabrik begründete sog. Vasenfabrik von
großer Wichtigkeit war. Bei den Akten findet
sich folgendes Urtheil eines mit dem Rechnungs
wesen der landgrüslichen Fabriken betrauten
Beamten, des landgrüslichen Kabinetskassirers
Schatting, über ihn: „Sein Temperament
ist flüchtig und zu Erfindungen aufgelegt. Ich
weiß Zeiten, wo er ganze Vierteljahre lang mit
unermüdlichem Fleiß gearbeitet und manche Nacht
vor dem Brennofen zugebracht hat, aber kaum
hat er Dasjenige gefunden, was er sucht, so macht
er davon keine weitere Anwendung, sondern läßt
es wieder fallen." Dementsprechend begann er
denn auch sofort nach Abgabe der Steinfaiencc-
fabrik ein neues Etablissement, die schon genannte
') Vermuthlich sind die Modelle zu diesen Stücken zum
großen Theil von den früher erwähnten Poussirern I. Z. Heß
und Frutt hergestellt worden.
Vasenfabrik, deren Fabrikate sich den Arbeiten
Wedgwood's nähern und sowohl durch Originalität
der Erfindung als durch Solidität der Aus
führung auszeichnen. Er sollte kvntraktinüßig
eigentlich in der Steinsaiencefabrik als Arkanist
thätig sein, konnte sich jedoch mit den übrigen
Beamten darin nicht vertragen und erhielt auf
sein Ansuchen 150 Thaler Vorschuß sowie die
erforderlichen Lokalitäten zum Betrieb der von
ihm geplanten Vasenfabrik, nachdem er zur Zu
friedenheit des Landgrafen eine noch im Museum
zu Kassel vorhandene 3 Fuß hohe Probevase nach
der Zeichnung des berühmten Kasseler Baumeisters
Du Rh gefertigt hatte. Die Steitzische Vascn-
fabrik wurde im Jahre 1778 auf herrschaftliche
Rechnung übernommen, und war darin außer
Steiß namentlich ein Modelleur, Fr. Chr.
Hille brecht, thätig, von dem später noch die
Rede sein wird. ')
Seit 1778 bestanden demnach in den herrschaft
lichen Fabrikgebäuden vor dem Wcißensteiner
Thor und in der Schüsergasse vier Arten von
Betrieben, indem erstens F e i n p v r z e l 1a n,
zweitens gelbe Steinfaience, drittens
Steitzische Vasen und viertens gemeine
Fnience darin hergestellt wurden. Am Be
deutendsten war die Steinfaiencefabrikation, nach
dem es durch die Bemühungen des früher er
wähnten Porzellanverwalters Schnitze. welcher
sich im Laufe der Zeit vorzügliche Kenntnisse
betreffs der Masse und Glasurbereitung erworben
hatte, gelungen war, tüchtige Waaren herzustellen.
Es fand jedoch in allen vier Geschäftszweigen
eine Ueberproduktion statt, so daß nur jährliche
regelmäßige Zuschüsse aus der Privatschatulle
des Landgrafen oder außerordentliche aus öffent-
r) Als Vasen aus dieser Periode sind wegen der
charakteristischen Dekoration zu erwähnen: Schlangen-,
Medaillon-, Fisch- und Kannenvasen, Vasen mit Venus-,
Satyr- resp. Bocksköpfen, Namentlich wurden auch von
den einzelnen Gattungen Garnituren von abnehmender
Größe hergestellt und die in verschiedenen Farben (schwarz,
grün, roth, braun, marmorirt, weiß) angefertigten Stücke
auch noch durch kalt aufgetragene, mehr oder weniger reiche
Vergoldungen verziert.