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stand Goethe in näherer Beziehung, und in per
sönlichem Verkehr mit dem Akademie-Professor
Naht, dem Sohne des Bildhauers, dessen Bilder
„Hektors Abschied von Andromache" und „Achilles
am Hofe des Lykomedes" den von ihm in den
Propyläen ausgeschriebenen Preis erhalten hatten.
Diesen hatte auch der im Jahre 1840 verstorbene
Akademie-Direktor Ludwig Hummel für sein Bild
„Perseus und Andromeda" erhalten. Von den
jüngeren Malern hatte sich namentlich der vor
wenigen Jahren verstorbene Ludwig Sigismund
Ruhl seiner Anerkennung zu erfreuen.
In Weimar hat Goethe im Anfang dieses
Jahrhunderts auch den genialen, in Kassel im
Jahre 1857 verstorbenen, Oberlandbaumeister
"Engelhard, welcher in seiner Jugend ein bild
schöner Mann und sehr romantisch veranlagt war,
kennen gelernt. Nach seinem Aufenthalt in
Weimar hatte dieser, die Guitarre stets auf
dem Rücken mit sich führend, Italien durch
wandert. Nach ziemlich allgemeiner Annahme
hat Goethe ihn bei dem jungen Architekten in
den Wahlverwandtschaften vor Augen gehabt und
ihm dies auch, wie der Sohn Engelhards. der
Oberstlieutenant a. D. dahier nach einer mir
gemachten Mittheilung von seinem Vater gehört
hat, selbst erklärt.
Engelhard, eine seiner Zeit wegen seines
exzentrischen Wesens und als Erbauer der s. g.
Engelsburg, an deren Stelle jetzt in Kassel das
Gebäude des Lesemuseums steht, in Kassel allgemein
bekannte Persönlichkeit, hatte auch zu den Ver
ehrern Bettinas von Arnim in der Zeit gehört,
als diese sich im Winter von 1806 auf 1807 in
Kassel bei ihrem Schwager, dem Hosbanquier
Jordis aufhielt. Beide sahen sich erst nach länger
als vierzig Jahren in Kassel wieder und wird
über dieses Wiedersehen folgende Anekdote erzählt.
Bettina habe beiin ersten Anblick Engelhards
ausgerufen „Aber, Daniel, was bist Du alt und
garstig geworden, Du siehst ja aus, als hättest
Du ein paar Jahre in den Erbsen gestanden",
worauf dieser ihr erwidert habe „und Du bist
so grob geblieben, wie Du immer warst".
Nach Mittheilung des oben genannten Sohnes
Engelhards hat sich die Sache aber, wie er von
seinem Vater gehört, umgekehrt verhalten. Sein
Vater habe zu Bettina bei ihrem ersten Wieder
sehen ausgerufen „Aber Bettina, bist Du alt
geworden", worauf diese die Worte erwidert, welche
nach obiger Erzählung sein Vater gesprochen
haben sollte.
Der Verkehr Goethes beschränkte sich aber nicht
allein auf die hervorragenden Künstler Kassels, j
auch mit dessen Gelehrten, namentlich mit dem j
Anatomen Sömmering und dem Naturforscher j
Förster, dem Weltumsegler, hat er in intimern !
Beziehungen gestanden, namentlich mit letzterem
bei seinem ersten Aufenthalt in Kassel im Sept.
1779 gelegentlich seiner Durchreise auf der mit
Karl August unternommenen Reise in die Schweiz.
Während er selbst in seinen Schriften nichts da
von erwähnt, geben uns folgende Briefe Försters
darüber Auskunft.
Am 10. Oktober 1779 schrieb dieser aus Kassel
an feinen Freund Jakobi in Pempelfort:
„Vor 4 Wochen war Goethe nebst dem
Kammerherrn von Wedell und einem Ober
forstmeister von Wedell bei mir. Ich soupirte
mit den Herren, ohne zu wissen, daß der Letzt
genannte der Herzog Karl August war. Zum
Glück bewahrte mich mein guter Genius, daß
ich dem Herrn keine Sottisen sagte, wiewohl
ich dem hohen Herrn gegenüber überhaupt mit
großem Freimuth sprach. Ich wette, es hat
Goethe Mühe gekostet, bei einigen Gelegen
heiten über meine Treuherzigkeit nicht loszu
platzen. Den Tag darauf besahen sie den
Garten von Weißenstein; ich sollte die Parthie
mitmachen, allein ich war zu sehr beschäftigt.
In der Zwischenzeit erfuhr ich, daß der Herzog
in der Gesellschaft sei. Den andern Morgen
kam Goethe zu mir und hernach der Kammer
herr; wir gingen zusammen nach dem land
gräflichen Kabinet der Alterthümer und der
Kunstkammer, wohin der Herzog von Weimar
auch kam. Ich mußte bei ihnen bleiben und
gleich nach aufgehobener Tafel fuhren sie davon.
Auch Goethe hatte sich anfangs nicht genannt,
ich kannte ihn erst nicht und erkundigte mich
bei ihm nach ihm selbst. Sie kennen ihn und
wissen, was es für ein Gefühl sein kann, ihn
kaum eine Stunde zu sehen, nur ein paar
Minuten lang allein mit ihm zu sprechen und
als ein Meteor ihn wieder zu verlieren. Der
Herzog hat mir ebenfalls gefallen, er frug sehr
viel, doch nie albern, das heißt Alles mögliche
praestiren".
An feinen Vater schrieb er über diese Begeg
nung mit Goethe am 28. Oktober 1779:
„Goethe ist ein gescheuter, schnellblickender
Mann, der wenig Worte macht, gutherzig,
einfach in seinem Wesen".
Vier Jahre später, im Herbst 1783, war Goethe
zum zweitenmale in Kassel, als er mit dem zehn
jährigen Sohne der Frau von Stein die Harz
reise machte.
Darüber schreibt Förster am 13. November
1783 an Jakobi:
„Vor 6 Wochen war Goethe hier bei Hofe
und besuchte Söminering nebenbei fleißig in
der Anatomie. Ich habe ihn nur wenig ge
sehen, da wir verschiedene Wege hatten. Er
fchien mir ernsthafter, verschlossener, kälter.