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die in fernen Landen so vielen Gefahren ge
trotzt und so Manches erlebt hatten. Alle
Schichten der Bevölkerung bezeigten ihnen Theil
nahme und Achtung, und der gewöhnliche Mann
hatte lange noch einen großen Respekt vor dem,
der „in Amerika mit gewesen war." Hatte man
doch jahrelang von diesen Kriegern gehört oder
gelesen, welchen Namen sie sich durch ihre Tapfer
keit bei Freund und Feind erworben, welche
kühnen Führten sie gemacht und welche Drang
sale sie in harter Gefangenschaft erlitten hatten.
Man verherrlichte ihre Thaten durch Lieder. —
Man dachte damals außer vielleicht Einzelnen,
noch nicht daran, diese Krieger zu schmähen und
zu verlästern; dieses sollte erst einer
späteren Zeit vorbehalten bleiben!"
Goethe in Wassel
und seine Beziehungen zu Kasseler Künstlern und Gelehrten.
Von V. Ziogge-Tuöwig,
Kassel war in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts unter der Regierung des Landgrafen
Friedrich II. zu einem weit verbreiteten Ruf als
Sitz der Kunst und Wissenschaft gelangt. In
der Malerkunst hatten die Tischbein's, in der Bild
hauerkunst Johann August Nahl eine große An
zahl Schüler herbeigezogen, wodurch sich der kunst
sinnige Landgraf veranlaßt sah, am 18. Oktober
1777 hier eine Maler- und Bildhauerakademie
zu stiften, welche später nach Hinzunahme der
Baukunst zur Akademie der bildenden Künste
erweitert wurde.
In gleicher Weise war Friedrich II. aber auch
bestrebt gewesen, in seiner Residenzstadt die Wissen
schaft zu fördern. Durch Anordnungen vom 9.
Mai 1766 und 17. September 1773 erweiterte
er das vom Landgrafen Karl gegründete und am
2. November 1709 feierlichst eröffnete Collegium
Carolinum zu einer vortrefflichen Vorschule für
das Universitätsstudium und brachte es durch Be
rufung von Männern, wie Förster, Johannes
von Müller, Sömmering, Stein, Höpfner, Runde
u. A. zu hohem Ansehen auf den verschiedensten
Gebieten der Wissenschaft. Endlich ist hier auch
noch die am 12. April 1777 gegründete Gesell
schaft der Alterthümer zu erwähnen. Zu welchem
Ansehen die Stadt durch diese Stiftungen, sowie
durch ihre Kunstschätze in dem Museum und der
Bildergallerie gelangt war, ergiebt sich aus einem
Briefe der Herzogin Amalie von Weimar aus
dieser Zeit, in welchem sie schreibt:
„Ja freilich, was sind wir hier armselig
gegen Kassel; man erzählt sich ja Wunderdinge
von dieser Stadt und da kann ich es mir er
klären , daß man Weimar vergessen und in
Kassel bleiben kann".
So wie alle bedeutenderen Männer Deutsch
lands mit denen Kassels in Beziehung standen,
so war dies vorzugsweise bei denen an Weimars
Musensitze, namentlich bei Goethe der Fall,
welcher auch wiederholt in Kassel verweilt und
mehrfach in seinen Schriften Auskunft über seinen
Kasseler Aufenthalt gegeben hat.
Von seinem Verkehr mit den Künstlern und
Gelehrten Kassels ist am bekanntesten der Freund
schaftsbund, welchen er mit dem bedeutendsten
der Malerfamilie Tischbein, mit dem am 15.
Februar 1751 geborenen Wilhelm Tischbein ge
schlossen hatte. Am 1. November 1786 war er
in Rom eingetroffen und mit Tischbein, welchem
Landgraf Friedrich die Mittel zu einem längeren
Aufenthalt in Italien gewährt und mit dem er
schon früher im brieflichen Verkehr gestanden hatte,
in die innigsten Beziehungen getreten. Darüber
geben zahlreiche Stellen in seinen Schriften Aus
kunft. Besonders angezogen fühlte er sich von
dem echt poetischen Gemüthe Tischbeins, welches
bei dessen Kunstgenossen in dem ihm beigelegten
Namen „der Malerpoet" und „der Dichter mit
der Palette" Ausdruck gesunden hat.
Wenn auch in beider Freundschaftsverhältniß
zeitweilig im Jahre 1787 bei ihrem gemeinsamen
Besuche Neapels dadurch ein Erkalten eingetreten
war, daß sich Tischbein nicht immer dem Anspruch
Goethes, sich ihm ausschließlich zu widmen, fügte,
so erlitt es doch bis zu dem am 21. Juli 1829
zu Eutin erfolgten Tode Tischbeins keine wesent
liche Störung. Beweis dafür giebt Goethe in
dem in seinen Werken enthaltenen Artikel „Wil
helm Tischbeins Idyllen", in welchem er zu den
ihm im Jahre 1821 von Tischbein übersandten
17 Aquarellbildern die dort enthaltenen Gedichte
gemacht und in dem er schreibt:
„Seines wackeren Lebensganges haben wir
früher schon gedacht, sowie des wechselseitig
freundschaftlich belehrenden fortdauernden
Verhältnisses".
Auch mit andern bedeutenderen Malern Kassels