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lbrechl Khristian Uuöwig von Karöeleben.
Kurfürstlich Hessischer Geneealiieuteuant.
1777-1856.
Ein Erinnerungsblsik von <L- v- Ktamford.
(Fortsetzung.)
IV. Rußland.
1812. Bis Wilna.
Die westphälische Armee wurde zum Zuge
nach Rußland ausgerüstet, doch schien Barde
leben das Glück nicht zu lächeln, denn das
vierte Regiment sollte mit noch zwei Infanterie-
regimentern die nothdürftige Besatzung von Magde
burg bilden. Er ließ seine Gattin mit dem
ältesten Sohn, Albrecht, im Mai 1812 auf Besuch
dahin kommen, da traf schon nach drei Tagen
Marschbefehl für das Regiment ein. Es erhielt
einen neuen Kommandeur, Oberst Rossi, welcher
zwar vom Dienste nicht viel verstand, allein Corse
und Verwandter der Familie Bonaparte war.
Am 20. Juni überschritt das Regiment die Grenze
des Königreichs gegen Preußen. König Frie
drich Wilhelm III. überraschte das Regiment
vor dem Durchmärsche durch Berlin und ließ es
defiliren; er sprach den Obersten sehr freundlich
an, als dieser in französischer Sprache erwiderte,
verschwand des Königs Freundlichkeit. Er unter
hielt sich noch mit mehreren Offizieren huldvollst,
außer Bardeleben waren unter ihnen noch andere
ehemals preußische. Rossi war seit diesem Tage
ein noch größerer Feind Preußens als seither.
Gegen die Mitte Juli's erreichte das Regi
ment die Küste der Ostsee, wo nach dem Ab
märsche von Napoleons Armeen Landungen der
Engländer und Schweden erwartet wurden, denen
entgegenzutreten Bardeleben in voller Kriegslust
sich freute, er äußert am 20. Juli „binnen 8
Tagen können auf jedem Punkte zwischen Elbe
und Oder 40000—50000. Mann versammelt
werden." Vom 15. bis zum 20. August bedrohte
wirklich eine englisch-schwedische Flotte die Küste
unweit von Greifswald, allein eine Landung zu
unternehmen, wagte sie angesichts der herbei
geeilten westphälischen Truppen und der fran
zösischen Kriegsschiffe doch nicht.
Mitte September klagt der die große Armee
Beneidende gegen seine Gattin „schon manchmal
habe ich bereut, daß ich von Dir mich habe ab
halten lassen, mich zu melden (d. h. zum
Ausmarschej, besonders da Ochs meinem
Wunsche geneigt war; doch der Gedanke,
daß es besser ist, dem Schicksal nicht vorzugreifen,
tröstet mich wieder . . ." Gerüchte von nahem
Friedensschlüsse schwirrten in der Lust, zugleich
aber kam Befehl, daß alle Truppen in Pom
mern nach Danzig rücken sollten und bei sehr
schlechtem kaltem und regnerischem Wetter begann
am 17. September von Stralsund aus
der neue Marsch. Am 24. September befanden
sich in Stettin 15000 Mann — Franzosen,
Sachsen, Westphalen, Hessen, Würzburger, Hol
länder , Italiener; bis zum 28. sollten alle
weitergerückt sein und andere Massen eintreffen.
„Hier in Stettin sind die Bürger nicht ver
pflichtet, dem Offizier noch dem Soldaten das
Geringste zu geben, woran sie sich denn auch
pünktlich halten; wir bekommen sämmtlich unser
Fleisch, Gemüse, Brod geliefert und damit basta."
In Danzig hatte das Regiment nur einen Tag
Rast, 12. October, da langte Befehl an, alsbald
weiter zu marschiren mit der Bestimmung nach
Smolensk. So ging cs Tag für Tag fort,
noch blieben sie ja auf preußischem Gebiete,
auch konnte B. sich die Freude verschaffen, eine
Verwandte, Frau MarieHvon Hannemann, geb.
von Heydwolff, in Rödelshofen bei Braunsberg
zu besuchen. Am 19. Oktober sandte er
von Königsberg aus die Marschroute bis Smo
lensk seiner Gattin, damit sie ihrem fast neun
jährigen Albrecht ferner auf der Karte zeigen
könne, wo der Vater sich befände. Am selben
Tage erhielten mehr als 10 zwischen Danzig
und Königsberg marschirende Regimenter den
Befehl, stehen zu bleiben. Das 4. westphälische
hatte sein Gepäck in Stettin einschiffen müssen,
in Königsberg wurde bekannt, daß viele Koffer
und Mantelsäcke fehlten oder geplündert seien.
Bardelebens Koffer war unter den fehlenden, so