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Willen entspringen: Daß ist/ daß sie entweder also
von vnserm Herren Gott in seinem weisen vnd
geheimen Rhat beschlossen/ vnd ohn natürliche mittel
ins werck gericht worden/ oder wegen der vrsachen/
vnd jhrer würckung/ so durch Gottes schickung/
ordentlich an einander/ als gleich in einer Ketten
gehenckt worden/ der nalur Laufs nach geschehen.
Welche Plato/ nach Homeri Meinung/ ein guldin
Ketten / Zeno aber Saturn / das ist ein vnuerbrüch-
liche Ordnung/ die andern Stoici/ xrouaeam / das
eben so viel gewesen/ Augustinus aber/ wie auch
Panetius vnd Seneca gethan / ein Gott genennet
haben.
Leipzig.
Dr. Wossat.
Hummer Dreizehn.
Eine Dorfgeschichte aus Niederhessen, dem Leben nacherzählt
von N. Weiüenmüller.
IV.
In Altenbrunn läutet es gerade zur Kirche,
als Konrad von der Bahnstation dem Dorfe
zugeht, und ein lange nicht empfundenes weiches
Gefühl kommt über ihn. Ruft nicht die Glocke
auch ihm ihr „Komm doch!" zu? „Die Mutter
ist jetzt doch nicht mehr zu Hause und zur
Martlis kann ich so wie so nicht gleich gehen,
da ists wohl am besten, wenn ich auch erst ein
mal wieder unsern alten Pfarrer predigen höre."
So entschuldigt er bei sich selbst die fromme
Regung und schlägt den Weg zu dem alten
kleinen Gotteshause ein. Es wird schon ge
sungen, als er eintritt, und leise steigt er die
morsche Treppe zur Emporkirche hinauf. Aber
er ist doch nicht unbemerkt geblieben, die Bauern
frauen unten stoßen sich an und zischeln, als
sie den schlanken Burschen vorübergehen sehen
und die Männer oben betrachten ihn wiederholt
von der Seite. Er achtet nicht sonderlich darauf.
Während des Hauptliedes hat er ausgespäht,
daß wohl seine Mutter und viele Bekannte von
Altenbrunn und Heubach in der Kirche sind, von
Martlis und ihrem Vater sieht er keine Spur.
„Sie werden keine Zeit haben", beruhigt er sich,
„oder in Heubach in die Schulmeisterkirche ge
gangen sein." Dann versucht er der Predigt
zu folgen. Aber es gelingt ihm schlecht, sein
Kopf ist zu voll von den Erlebnissen der letzten
Wochen. Der Abschied vom Militär und den
Kameraden, der schon für den nächstfolgenden
Tag verabredete Dienstantritt bei Herrn von
Wild — das alles summt mit den ermahnenden
Worten durcheinander, und zwischendurch hört
er auch noch manchmal die leichtfertige Lene
sagen: „Wer weiß, ob Deinem Heubacher Schätz
chen das Warten nicht auch langweilig geworden
ist!" Endlich, als der Pfarrer schon beinahe
Amen spricht, schämt er sich seines verworrenen
(Fortsetzung.)
Denkens und heftet die Blicke andächtig auf die
alte Kanzel. Da liest er wieder den Spruch,
an dem er als Knabe so oft herumbuchstabiert
hat: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer
Gott, redet mit Jerusalem freundlich und predigt
ihr, daß ihre Ritterschaft ein Ende hat —"
und wieder gehen seine Gedanken ihre eigenen
Wege. Seine Ritterschaft hat ja jetzt auch ein
Ende, die bequeme graue Joppe, die er trägt,
braucht er ja nun nur noch auf Wochen mit der
steifen Uniform zu vertauschen — wozu bedarf
er da eigentlich noch eines Trostes? Den mag
der Herr Pfarrer anderen spenden, die keine
Kutscherstelle und keine Martlis haben. — Es
wird ihm eng trotz des weiten Rockes, noch ein
mal schüttelt er die unheiligen Einfälle ab und
hört nun endlich klar und deutlich, was der
Pfarrer spricht. Es ist nicht mehr Predigt,
nicht mehr Kirchengebet, es ist ein Theil der
sonntäglichen Verkündigungen und lautet:
So werden hiermit zum zweiten Male aufge
boten der Schäfer Johann Heinrich Oswald von
Heubach, ehelicher Sohn des Zimmermanns
Martin Oswald und Martha Elisabeth Köthe,
eheliche Tochter des Tagelöhners Gottlieb Köthe
—" Konrad braust es vor den Ohren, als stünde
er am Mühlenwehr, er kann nicht mehr unter
scheiden, was der Pfarrer noch hinzufügt. Der
Kopf sinkt ihm schwer in die aufgestützte Hand,
so bemerkt er nicht, wie er den Bauern auf der
Bühne ein Gegenstand stumpfer Neugier ist,
wie der Pfarrer ihm beim Hinabsteigen einen
ernsten vorwurfsvollen Blick zuwirft. Als der
Schlußvers gesungen wird, kommt er wieder zu
sich und sieht verstört umher. Aber es ist alles,
wie es war, nur mit dem Unterschied, daß er
vor Weh zu vergehen meint, als er mit brennen
den Augen wieder liest: „Tröstet, tröstet mein
Volk, spricht euer Gott!" — Doch das Sich-