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Stelle des Blattes der Sparkassenausweis mit
getheilt; ein andermal richtet der erste Geistliche
der Stadt, Inspektor Schüler, an die „religiös
gesinnten und wohlhabenden Bürger und Ein
wohner" die Bitte, Beiträge für die Reparatur
der Kirche zu spenden. Wie die politischen
Nachrichten, so fehlen auch die sonstigen Neuig
keiten (Göthe's Tod ist z. B. nicht verzeichnet),
ebenso die Lokalmittheilungen. Wie seltsam die
geistige Nahrung, die dem Publikum vorgesetzt
wurde, und wie genügsam dieses Publikum war,
das beweist die Thatsache, daß der Inhalt der
Nro. 51 des Jahrganges (abgesehen von den
Inseraten) erstens bestand aus einem Gedicht:
„Todenklage Heloisens beim Begräbnisse Abälards
im Kloster Paraklet", zweitens aus einem Auf
sätze: „Petersilie, als nützliches Kraut für die
Schafe".
Die Anzeigen sind theils amtliche, theils
private. Zu jenen gehören die Bekanntmachungen
der Justiz-, Verwaltungs- und städtischen Behörden,
u. s. w., die Auszüge aus den Kirchenbüchern,
die Brod- und Fleischtaxen. Die Zahl der
unehelichen Kinder ist ungemein groß; sie beträgt
in manchen Monaten 30—40 Prozent der
Geborenen. Interessant find auch die Lebens
mittelpreise. 8 Pfund Brot kosten 7 Alb.
4 Pfg., ein Preis, der nur um Weniges geringer
als der heutige ist. Hingegen kostet Rindfleisch
das Pfund nur 2 Alb. 8 Pfg., Hammelfleisch
1 Alb. 4 Pfg., Schaaffleisch gar nur 1 Alb.,
Schweinefleisch 2 Alb. 3 Pfg., Kalbfleisch 1 Alb
8 Pfg., Branntwein, das Kännchen (ungefähr
V 8 Liter) über die Straße 9 Pfg., in der
Schenke 10 Pfg., auf dem Lande ebenfalls 9 Pfg.
Das Bier kostete für das Maaß (gleich 2 Litern)
1 Alb. 4 Pfg. Im Uebrigen enthalten die
amtlichen Inserate kaum etwas Erwähnens-
werthes; sie unterscheiden sich von den heutigen
Bekanntmachungen fast gar nicht, nicht einmal
durch den Stil. Dagegen tragen die Privat
anzeigen viel sichtbarer das Gepräge ihrer Zeit;
sie sind ungemein breitspurig und langathmig
und verschwenden an die geringfügigsten Dinge
einen bedeutenden Wortaufwand. Die Verkaufs-,
Verpachtungs-, Vermiethungs-Anzeigen, Stellen-
Gesuche und Angebote bieten nichts Ungewöhn
liches; charakteristisch in mancher Beziehung
dagegen sind jene Anzeigen, in welchen, vorzüglich
zur Jahrmarktszeit, Personen ihre Anwesenheit
ankündigen, die Waaren verkaufen oder Vor
stellungen geben. So erscheinen zu jeder er
heblichen Messe ein Handschuhfabrikant aus
Kassel, ein Gold- und Silberwaarenhändler aus
Hanau, eine Putzmacherin aus Marburg u. s. w.;
Quartier nehmen die Fremden zumeist in dem
noch heute bestehenden Gasthaus zum Stern.
Eine Dame, mit Namen I. Rauch, zeigt im
Rathhause ein Wachsfigurenkabinet und bittet
um recht zahlreichen Besuch, „um die Stadt
Hersfeld in immerwährendem dankbaren Andenken
zu behalten". Israel Moses eröffnet einen
Tanzunterricht; er verspricht Kinder von 8 Jahren
in 3 Monaten so zu unterrichten, „daß sie in
jeder Tanzgesellschaft, sowohl in deutschen,
französischen, als auch in englischen und polnischen
Tänzen mit Fertigkeit auftreten können". Und
alles das für 1 Rthlr. 4 Ggr., die obendrein
erst bezahlt werden, wenn durch einen Ball der
Nachweis geliefert ist, daß die Schüler die
Tanzkunst sich angeeignet haben. Mechanikus
Lorgin zeigt an: „Im Metamorphosen-Theater,
heute Sonntag, den 20. May, als vorletzte
Vorstellung, Doktor Faust, Schauspiel in 3 Auf
zügen, zum Nachspiel: ein mechanisches Kunst
ballet , hierauf die Leichen-Prozession des Pabstes
Clemens IX., zum Beschluß: Phantasmagorie
oder natürliche Geistererscheinung". Weiteres
über Kunstgenüsse habe ich nicht angezeigt ge
funden.
Das Universal- und Geheimmittelwesen blühte
auch in jener Zeit schon. Ein „erprobtes
schweizerisches Kräuteröhl" für die Haare preist
ein gewisser K. Miller an, der bei seinen
Gebirgsreisen in der Schweiz angeblich das
Glück hatte, „ganz unbekannte Kräuter" an
zutreffen, aus welchen er dies Oel bereitete.
I. Bathers in Frankfurt a. M. (Schnurg. 71)
empfiehlt ein „souveraines Heilmittel gegen die
Epilepsie"; er versichert, daß eine außerordentliche
Menge Personen von jedem Alter und Geschlecht
dadurch vollkommen geheilt worden sind und
fühlt sich verpflichtet, „leidende Personen dieser
Art darauf aufmerksam machen zu müssen, und
ist bereit, allen denjenigen, welche solches an
zuwenden wünschen, damit an Handen zu gehen".
Auf dem Gebiete des Reklamewes^ns überhaupt
und insbesondere der Geheimmittel-Anpreisung
haben wir Fortschritte gemacht, über welche die
Herrn Miller und Bathers sich vermuthlich baß
verwundern würden.
Schließlich sei noch einer Art Annoncen gedacht,
die man heute in deutschen Blättern nicht mehr
antrifft: solche nämlich, durch welche Stell
vertreter für Militärpflichtige gesucht werden.
Aus der Anzeige eines Agenten, der solche
Stellvertretungen vermittelte, ersehen wir zugleich
die dafür gezahlten Preise; ausgediente Soldaten
von der Garde-du-Korps erhielten als Vergütung
150 Rthlr., Garde und Garde-Jäger, Artillerie
zu Pferd und Dragoner 140, Artillerie zu Fuß
'und Infanterie 135; ungediente Leute bekamen
110 bis 120 Rthlr.