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Trotzdem ist sie heute, wo sie, ganz abgesehen
vom Inhalte, etwa zwölfmal mehr bietet als
vor fünfzig Jahren, doch schwerlich theurer als
damals. Zu jener Zeit, wo die Konkurrenz noch
in den Windeln lag, lohnte sich das Zeitungs
geschäft eben anders als heutzutage, da man
für wenige Pfennige monatlich ein umfangreiches
Blatt in's Haus gebracht erhält.
Was ich aber im Allgemeinen von dem
dürftigen Inhalte der „Jntelligenzblätter" sagte,
trifft auch auf dasjenige Hersfelds zu. Der
unterhaltende Theil herrscht vor und ist sogar
verhältnißmäßig ziemlich reichhaltig. Fast in
jeder Nummer findet sich ein Gedicht, ferner
Auffätze gemeinnützigen Inhalts (betr. Haus
und Landwirthschaft), geschichtliche Abhandlungen,
Recepte, Anekdoten, Miscellen und Räthsel.
Die Gedichte sind theils heiterer, theils ernster
Gattung; wo sie von Religion und Moral
reden, da sind sie ganz im rationalistischen
Geschmacke der Zeit gehalten. Die eigentliche
Lyrik entspricht der damals üblichen Taschenbuch
poesie, für die wir theilweise kaum noch ein Verständ
niß haben. Ein „Frauenlob" betiteltes Gedicht, das
sich durch schwungvolle Sprache auszeichnet, be
ginnt mit den folgenden hübschen Strophen:
„Was ist süßer, als der Wein?
Lieblicher als Beilchendüfte?
Freundlicher als Sternenschein?
Schimmernder als Frühlingslüfte?
Holder, als die Rose blüht?
Sing' es, sing' es, frohes Lied!
Frauenlieb' ist goldner Wein,
Frühlingsglanz dem trüben Leben,
Frauenlieb' ist Sternenschein,
Ist der Blume Duft und Weben;
Von der heil'gen Gluth durchglüht
Sing' es, sing' es, frohes Lied!"
Außerdem fand ich noch bemerkenswerth ein
Gedicht in niederhessischer Mundart, das an
geblich aus dem Jahre 1730 stammt. Es ist
überschrieben: „Aller Reddelichen Hessen-Kenger
herzeliche Freude" und soll zur Begrüßung des
Landgrafen Friedrich's I., zugleich Königs von'
Schweden, als derselbe im Sommer genannten
Jahres sein Stammland besuchte, verfaßt
worden sein.
Eine Verpflichtung, das Publikum mit den
neuesten Ereignissen bekannt zu machen, fühlte
das Hersfelder Jntelligenzblatt in jener Zeit nicht.
Es überließ die Sorge dafür den politischen
Zeitungen, wie dem „Frankfurter Journal",
der „Hanauer Zeitung" und dem in Kassel heraus
kommenden vielgelesenen „Verfassungsfreund". So
finden wir denn auch trotz der bewegten Zeit
nur spärliche Ansätze zu politischen Kundgebungen,
z. B. ein Lied, gesungen bei der Anwesenheit
der Deputirten sämmtlicher Bürgergarden Kur
hessens zu Kassel. Bekanntlich wurde von allen
liberalen Elementen die Volksbewaffnung ge
fordert , insbesondere auch im Hinblicke auf die
Vorkommnisse vom 7. Dezember 1831 (die sog.
Garde-du-Korps-Nacht). Von diesen und ähn
lichen aufregenden und wichtigen Ereignissen
nimmt indeß das Jntelligenzblatt keinerlei Notiz,
so daß wir, ständen uns nicht andere Quellen
zu Gebote, über Meinungen und Thaten der
guten Hersfelder zu jener Zeit vollkommen im
Dunkeln wären. Ein für das kleine Fulda
städtchen außerordentliches Vorkommniß war z. B.
der Durchzug der polnischen Offiziere und
Soldaten, welche nach dem unglücklichen Aus
gange des Aufstandes auf preußisches Gebiet
übergetreten waren und durch Deutschland dann
nach Frankreich sich wandten. Die Hersfelder
Bürgerschaft hat damals Großartiges in Gast
freundschaft geleistet; man riß sich förmlich um
die hungernden Ankömmlinge und wer keine
Einquartierung bekam,' machte ein trauriges
Gesicht. Niemand nahm Zahlung von den
Fremden, obwohl die preußische wie die hessische
Regierung ihnen ein kleines Taggeld auszahlen
ließ. Gegen tausend Offiziere und einige hundert
Soldaten wurden so in Hersfeld gespeist, getränkt,
mit Geld versehen und schließlich in Wagen nach
Niederaula befördert, dessen wackere Bürger
die Ankömmlinge mit gleicher Freundlichkeit
empfingen. Doch ich erzähle da Dinge, die
streng genommen nicht hierher gehören; denn
von Alledem steht. in unserm Jntelligenzblatt
kein Sterbenswörtchen. Vielleicht hielt der
Redakteur es für überflüssig, Ereignisse, welchen
der Leser selbst beiwohnen konnte (der aus
wärtigen Abonnenten mögen nur wenige gewesen
sein) , noch besonders zu behandeln. Nur im
Anzeigentheil ist einmal des Polendurchzuges
Erwähnung gethan: es war nämlich am 27. Januar,
als gerade polnische Offiziere auf dem Rathhause
erwartet wurden, einem ungenannten Jemand
ein aschgrauer Tuchmantel, mit langhaarigem
schwarzem Pelz besetzt, abhanden gekommen, was
oem Publikum geziemend zur Kenntniß gebracht
wurde! Einen wirklichen politischen Artikel,
nahezu den einzigen seiner Art , finden wir in
der Nummer vom IS. September; er ist von
einem Hersfelder „Bürgerfreund" abgefaßt und be
handelt die damals bevorstehenden Landtagswahlen.
Doch auch die städtischen Angelegenheiten
werden im redaktionellen Theile ungemein stief
mütterlich behandelt. Nur wenige Aufsätze be
schäftigen sich mit ihnen; einmal wird an erster