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Kurfürsten in voller hessischer Uniform, doch
ohne Zopf und Puder, vor; tief ergriffen küßte
er dem Fürsten die Hand, mit Thränen sie
benetzend, und auch des verbannten Wilhelms
Augen füllten sich mit Thränen; Arbeiter, welche
der Kurfürst eine Anlage im Garten machen
ließ, wurden von der Scene mit ergriffen. Als
dann Bardeleben zur Tafel gezogen wurde, er
regte es in der kleinen Tafelrunde einige Heiter
keit, als der Kurfürst darob verwundert sich
zeigte, daß ein so diensteifriger Offizier wie
Bardeleben mit abgeschnittenem Puder- und zopf
losem Haare sich zeige, wobei er versicherte, er
sei sehr gut durchgekommen, indem er seinen
aufgewickelten Zopf unter dem runden Hut ver
steckt habe und auf der ganzen Reise von Arolien
bis Schleswig nicht erkannt worden sei. Barde
leben vermochte frevelhaften Lachkitzel nicht zu
unterdrücken und am Ende lachte der Kurfürst,
wie die Gesellschaft mit. Nach Tafel traf die
Nachricht ein, es sei ein Unteroffizier wegen
Theilnahme an dem Aufstande zu Kassel er
schossen. Voll tiefer Rührung beklagte der Fürst
das Schicksal seiner treuen braven Hessen und
sprach die Absicht aus, den zahlreichen Hinter
bliebenen des Unglücklichen sofort durch eine an
sehnliche Pension beizustehen. S. bemerkte,
es sei kein politischer Akt, der Kurfürst könne
ja die Sache im Auge behalten und nach seiner
Rückkehr mit vollen Händen geben — dieser
Rath trug den Sieg über die erste menschliche
Regung Wilhelms davon.
Auf das Abschiedsgesuch des jungen Offiziers
ließ der Fürst ihn zu sich bescheiden und sprach
mit bewegter Stimme, es habe ihn überrascht,
er halte fest am Glauben, daß Bardeleben ihm
treu bleiben, ihn bei den ungünstigen Verhält
nissen nicht verlassen werde.
„Diese Worte trafen mein Herz, sodaß ich
sofort verzichtete in fremde Dienste zu treten —
ich bat daher nur um die Erlaubniß, als Volon
tär dem bevorstehenden Feldzug beiwohnen zu
dürfen, indem ich versprach, nach des Kurfürsten
Rückkehr ungesäumt in Kassel mich einzufinden.
Er lebte der Ueberzeugung, nach sechs Wochen
in sein Land zurückkehren zu dürfen, weswegen
sein Abgesandter, von Gayling, in Bonaparte's
Hauptquartier unterhandle; daher könne er aus
politischen Gründen keinem seiner Offiziere die
offizielle Erlaubniß ertheilen, gegen Bonaparte
zu fechten. Als ich um weitere Befehle bat,
was ich denn thun solle, wurde mir die Antwort:
nach Hessen zurückkehren und die Rückkehr des
Kurfürsten abwarten! Diese Zumuthung konnte
mich nur befremden, ruhig aber dringend wieder
holte ich mein Gesuch — der Fürst beharrte au
seiner Weigerung — da erklärte ich erregt, da
mir alsdann nichts übrig bliebe, als die Um
gebung des Kurfürsten zu vermehren. Diese
dreiste Erklärung bewirkte, daß er aussprach,
von meinem Eintritte in die preußische Armee
keine Notiz nehmen zu wollen, aber bestimmt
erwarte, mich als ihm treu ergeben bald wieder
zu sehen." Auch dem in Schleswig sich auf
haltenden Kurprinzen stellte Bardeleben sich vor,
wurde von diesem gleichfalls ermahnt, treu zu
bleiben und auszuhalten und suchte nun „an
Geld ärmer, an Erfahrung reicher" eine Ueber-
fahrt nach Königsberg. Am 24. Februar bestieg
er zu Flensburg ein Schiff, auf dem er Sturm
aushalten mußte, ließ sich mit feinen Gefährten
ans Land setzen und erreichte Kopenhagen. Von
hier konnte er nicht weiter kommen, da viele
Wochen widriger Wind das Auslaufen der Schiffe
hinderte, auch befiel ihn hier ein heftiges Ca-
tarrhalfieber und schon fürchtete er, liegen bleiben
zu müsfen, wenn ein günstiger Wind die Segel
blähen würde.
Endlich verkündete der Windrufer am Hafen
das langersehnte Nord-West-West und tausend
fältig regte sich jetzt Alles, was darauf gewartet
hatte; es war am 25. April 1807, daß sich
viele Hunderte von Schiffen, flatternden Riesen
vögeln ähnlich, von dem Hafen aus in das
Meer ausbreiteten, dem Binnenländer ein nie
erblicktes herrliches Schauspiel. Im Hochgefühl
neugewonnener Gesundheit und Kraft, in der
stolzen Hoffnung, bald gegen den Unterdrücker
feines Heimathlandes das Schwert ziehen zu
können, sah unser Freund auf dem vor dem
Winde fliehenden Schiffe der ersehnten Küste
entgegen — eine wahre Lustfahrt war die Reife,
sagt er. Schon am 27. April wurde vor Pillau
Anker geworfen, am folgenden Tage Königsberg
erreicht, das einem Kriegslager glich. „Es
schien ein wüstes, zügelloses Leben eingerifsen
zu sein, an welchem allerdings die preußischen
Offiziere wenig Theil nahmen, vielmehr mit
tiefer Trauer im Herzen das harte Schicksal
ihres Vaterlandes und männlich gefaßt die An
maßungen ihrer russischen Freunde ertrugen."
So lautet der Bericht dieses Augenzeugen.
In preußischen Dienst hatte er treten wollen,
also auf Gehalt gerechnet; Gemüthsregungen
gegenüber seinein entthronten Fürsten ließen ihn
vergessen, daß der Volontair aus eigene Kosten
Krieg führen müsse, und bereits in Kopenhagen
sah er sich genöthigt der Lebensgenossin den
Stand der Dinge darzulegen. Schleunigst setzte
die tapfere junge Frau, welcher jetzt die Sorge
für drei Kinder oblag, den Gatten in die Lage,
feinen Heerzug zu unternehmen.
Er stellte sich in dem Kriegsministerium ein.
Der Minister, Eenerällieutenant von Rüchel,