Full text: Hessenland (4.1890)

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tafel und 10 Illustrationen. Marburg, N. G. 
Elwert'sche Verlagsbuchhandlung 1890. 
Selten hat uns das Lesen eines knnstgeschichtlichen 
Werkes ein größeres Interesse erregt, als dies bei 
dem vorliegenden, dessen wir schon in der letzten 
Nummer unserer Zeitschrift gedacht haben, der Fall 
war. Professor von Drach in Marburg, der aus 
gezeichnete Kenner unserer hessischen Kunstschätze, 
dem wir das vor ein paar Jahren erschienene Pracht 
werk „Aeltere Silberarbeiten in den Königlichen 
Sammlungen zu Kassel, mit urkundlichen Nach 
richten und einem Anhang: Der Hessen-Kassel'sche 
Silberschatz zu Anfang des 17. Jahrhunderts und 
seine späteren Schicksale" verdanken, gilt mit Recht 
für eine Autorität auf dem Gebiete der Kunst 
geschichte, und als solche hat er sich auch wieder in 
diesem seinem neuesten Werke bewährt. Ueber die 
Entstehung des Prachtpokals schreibt er in dem Vor 
wort: „Als ich vor einigen Jahren im Marburger 
Archive Studien über den Hessischen Silberschatz im 
16. und 17. Jahrhundert begann, erregte ein in 
den Verzeichnissen desselben als der „Anhalnsche 
Willkomm- aufgeführter Prachtpokal von 1571 ver 
möge einer in den Jnventarcn mitgetheilten, auf dem 
Stücke selbst befindlich gewesenen Inschrift, meine 
besondere Aufmerksamkeit. Bei weiteren Nach 
forschungen fand ich hinreichendes Material, um die 
Bedeutung derselben aufzuklären und erschien mir 
die dadurch gewonnene Kenntniß der Geschichte jenes 
Bechers interessant genug, um sie am 25. Fe 
bruar 1886 zum Gegenstand eines Vortrags für 
die Marburger Mitglieder des Hessischen Geschichts 
vereins zu machen. Ich bedauerte dabei den seit 
Anfang unseres Jahrhunderts zu konstatirenden Ver 
lust des Pokals selbst und hatte auch keine Ahnung, 
daß ein, wie jene Archivalien ergeben hatten, nach 
Dessau gelangtes Gegenstück dort noch existire, ob 
gleich ich dasselbe im Jahre 1875 zu Frankfurt a. M. 
zu sehen Gelegenheit gehabt hatte. Nachdem ich 
später von dem Vorhandensein dieses zweiten, genau 
mit dem einst in dem hessischen Besitz befindlich ge 
wesenen übereinstimmenden Bechers Kenntniß erhalten, 
nahm ich die Sache von Neuem auf und bringe 
meine Absicht, die Geschichte jener Pokale nebst Be 
schreibung des zu Dessau befindlichen zu publiziren, 
nun zur Ausführung". Der Becher verdankte nach 
von Drach's eingehenden Forschungen einer Wette 
beim Primspiele zwischen dem Fürsten Joachim Ernst 
zu Anhalt und dem Landgrafen Wilhelm dem Weisen 
von Hessen, in welchem der Letztere Sieger blieb, 
seinen Ursprung. Das gewonnene Geld verwandle 
Landgraf Wilhelm dazu, zwei gleich silberne, reich 
vergoldete und gravirte Prunkpokale herstellen zu 
lassen, von denen er den einen dem Prinzen Bern 
hard von Anhalt, dem Sohne des Fürsten Ernst 
Joachim als Pathengeschenk zuschickte. Dasselbe war 
begleitet von einem launigen, von Prof, von Drach 
mitgetheilten, aus Kaufungen, den 30. September 1571 
datirenden Schreiben, das ebenso, wie das Geschenk 
selbst eigentlich dem Vater galt. Die Rechnungen 
über die beiden Becher stammen von dem Gold 
schmiede Wolf Meier in Nürnberg, in Wirklichkeit 
war aber der Künstler, der sie angefertigt hatte, der 
Nürnberger Goldschmied Elias Lencker. Es würde 
zu weit führen, wollten wir hier einen eingehenderen 
Auszug aus dem vortrefflichen Werke des Herrn 
Professors A. von Drach liefern, wir verweisen viel 
mehr alle, die sich für den Gegenstand inter- 
essiren, auf die Schrift selbst und sind überzeugt, daß 
sie jedem Leser volle Befriedigung gewähren wird. 
Im Anhange giebt der Verfasser Aufklärung über 
das „Primspiel", bringt Notizen über einige dem 
„Hessischen Willkomm" formverwandte Becher und 
Mittheilungen über die Brüder Elias und Hans 
Lencker. — Auch auf die vorzüglichen Illustrationen 
aufmerksam zu machen dürfen wir nicht unterlassen, 
wie wir denn auch dem Verleger für tue prachtvolle 
Ausstattung des Werkes unsere volle Anerkennung 
auszusprechen nicht versäumen wollen. 
Unsere hessische Dichterin und Schriftstellerin 
H. Keller-Jordam in München, die Tochter 
Sylvester Jordan's, hat soeben im Berlage von 
W. Kohlhammer in Stuttgart unter dem Titel 
„Lebensliefen" drei neue Novellen er 
scheinen lassen, die sich wie wenige andere ihrer Art 
zu einer sehr willkommenen Welhnachtsgabe eignen. 
Auch hier hat die hochgeschätzte Dichterin wieder ihr 
ausgezeichnetes Talent in der feinen Eharakterisirung, 
der schönen, abgerundeten, geistvollen Darstellung 
glänzend bewährt. Sie ist Meisterin in der Schil 
derung menschlichen Fühlens Ein vornehmer Hauch, 
der angenehm berührt, geht durch die Erzeugnisse 
ihrer Muse und selbst die Gegensätze in dem Denken 
und Empfinden ihrer handelnden Personen weiß sie 
so zu gestalten, daß dieselben nirgends verletzen, daß sie 
vielmehr nur noch das Interesse steigern, welches die Leser 
so schon an den fesselnden Schilderungen nehmen. Der 
Name „ Leben sliefen" für ihre drei Novellen „Ein 
dunkles Schicksal", „Fulvia" und „Im Moor", ist 
sehr bezeichnend gewählt. In der That sind es 
Tiefen in dem menschlichen Seelenleben, welche die 
Verfasserin hier mit großem psychologischen Ver 
ständnisse zu behandeln weiß. — Dieses neue Werk 
der hochgeschätzten Verfasserin reiht sich würdig an 
ihre früheren vortrefflichen Schriften, von denen wir 
hier nur die „Mexikanischen Novellen" , „Roderich 
Wallace", „Natalie-, Hacienda Felicidad", „Aus 
der Gegenwart-, „die Grubers, Erzählung aus Kur- 
hessen", „Transatlantisches" und „Briefe und No 
vellen" erwähnen wollen. Auch unsere Zeitschrift 
„Hessenlaud" kann sich sehr werthvoller Beiträge der 
Verfasserin rühmen, so der Novellen „Antigone", 
„Margarethe", „Unter dem Madonnenbilde", „Pietä?,
	        
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