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lbrecht KhrLstLan Uuöwig von Karöeleben.
Kurfürstlich Hessischer Generallieutenant.
1777—1856.
(Ein «Erinnerungsklaik von <E- v- Skamsorö.
(Fortsetzung.)
II. Getäuschte Hoffnung.
1806—1807.
„Die hessischen Truppen waren ihrem Schick
sal überlassen — die Offiziere in die traurigste
Lage versetzt; kein beruhigendes Wort war ihnen
von dem fliehenden Fürsten zugerufen worden!"
so bezeichnet Bardeleben die nächste Folge des
1. November 1806. Es ist bekannt, daß die in
die Heimath „beurlaubten" hessischen Soldaten
an mehreren Orten sich zusammenrotteten; Barde
leben erzählt: „ich war unverständig genug, von
einem Unternehmen obiger Art etwas zu hoffen
und suchte mit eben so Unverständigen für diesen
Zweck in Kassel zu wirken." Rasch herbei
gerufene französische Truppen dämpften die Un
ruhen, Opfer bluteten, wir werden aber die
durch Vaterlandsliebe zur Erhebung gegen die
schnöde Vergewaltigung Getriebenen nicht wegen
Mangels an Klugheit verurtheilen. Der Versuch,
die hessischen Soldaten zu französischen Regimentern
zu vereinigen, mißlang, nur ein schwaches unter
dem hessischen Major G. Carl Gerhard von
Müller ließ sich zusammenbringen; Bardeleben
lehnte den ihm dringend angetragenen Eintritt
in dieses Regiment trotz der sehr Vortheilhaften
Bedingungen ab. Die hessischen Stabsoffiziere
und Kompagniechess, welchen man die Weigerung
der Soldaten zuschrieb, wurden als Gefangene
nach französischen Festungen abgeführt; als auch
die Wegführung der Subalternoffiziere zu be
fürchten war, entfernte Bardeleben sich heimlich
unter Schwierigkeiten von Kassel und begab sich
zu seiner Familie, welche sich in Soest befand.
Der zur Unthätigkeit Verurtheilte gab sich
selbst Rechenschaft über das Erlebte, er sagt:
„die Begebenheiten mußten um so mehr die
Gemüther erschüttern, als im hessischen Vater
lande keinerlei Geisteskräfte selbständig sich hatten
entwickeln können und man gewohnt war, ohne
jeglichen Aufschwung todte Formen für das
Wesen zu halten. . . Bei der Bildung des König
reichs Westphalen erhielten daher auch weder höhere
hessische Militärs noch höhere Staatsdiener einen
größeren Wirkungskreis; sie traten zurück oder
wurden zu untergeordneten Stellungen berufen,
während die jüngeren Militärs und Staats
diener, deren Eifer, Gehorsam und Pünktlichkeit
bald erkannt wurde, bei den ihnen eröffneten
weiteren Aussichten rühmlich hervortraten. . ."
Anerkannt wird die echt deutsch fürstliche Ge
sinnung des entthronten Fürsten, welcher nicht
dem Gewaltherrscher auf Kosten der eigenen
Ehre habe Zuwachs an Macht verdanken, sowie
seinen Hessen die Schrecken des Krieges durch
die Neutralität habe ersparen wollen. Fest über
zeugt sprach Bardeleben es aus: „so kann es
nicht bleiben, Hessen muß wieder erstehen!"
Da er nicht von seinem Kriegsherrn verabschiedet
war, hatte er sich noch von Kassel aus an den Kur
fürsten mit dem Gesuche gewandt, zur russischen
Armee abgehen zu dürfen — er erhielt den
Bescheid, daß es ihm gestattet werde, in würtem-
bergischen Dienst zu gehen. Aber dann hätte
er doch für Denjenigen kämpfen müssen, gegen
den es ihn trieb die Spitze des Degens zu richten.
Er glühte in dem Wunsche, die russische Armee
aufzusuchen und nach Napoleons zweifelhaftem
Siege bei Ehlau verließ er am 8. Februar
1807 Soest. Die deutsche Frau, welche ihm
sein Geschick zugeführt hatte, verstand ihn und
half seine Ausfahrt zum Kampfe beschleunigen,
schaffte Mittel dafür und ließ ihn getrost ziehen.
Hätte sie gewußt, wie sehr er als erklärter
Kriegsgefangener, ohne Paß in dem von frän
kischen Heeren besetzten Lande gefährdet war,
o würde es ihr kaum möglich gewesen sein, den
Gatten von sich zu lassen. Wir müssen es uns
versagen, die Kette von Abenteuern und Gefahren,
welche der junge Offizier in Verkleidungen und
vom Zufall mehreremale gerettet, bestand, vor
überzuführen, so merkwürdig sie auch ist.
In Rendsburg stellte Bardeleben sich dem