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Pochen erschallte und rauhe Stimmen im Namen
des Gesetzes Einlaß begehrten.
„Da Haben wir die Bescherung" rief der
Revierförster und richtete sich in seinem Bett
hoch auf, „das sind französische Gendarmen,
geh', Frau, und öffne ihnen selbst, und dann
mag Gott uns gnädig sein, der König hält, wie
es scheint,' doch noch einmal eine Jagd aus
Edelwild hier ab." Er hatte sich nicht geirrt.
Beim Oeffnen der Thür standen draußen zwei
Gendarmen, die ihre Pferde bereits an eine
Planke gebunden hatten, und mit dem König
lichen Revierförster zu sprechen begehrten, weil
sich bei diesem einige Hochverräther aufhalten
sollten. Frau Otto führte beide Diener des
Gesetzes zu ebener Erde links in ihr Wohn
zimmer, indem sie bemerkte, ihren Mann, der
krank zu Bett liege, erst auf den Besuch vorbe
reiten zu müssen, was auch willig zugestanden
wurde. Otto vernahm die Bestätigung seiner
Vermuthung und bekämpfte die ihn erfassende
Unruhe. Dann sagte er: „ich denke, gegen einen
Kranken verfahren sie mit Rücksicht, bitte also,
daß nur einer heraufkommt, der Andere mag
sich an die Thür stellen, auf daß Keins von uns
entschlüpft." Bald darauf trat denn auch mit
klirrenden Sporn eine hohe, breitschultrige Ge
stalt herein, schritt auf Otto's Krankenlager zu,
und schob den großen Bettvorhang zur Seite.
Otto's Herz begann jetzt hörbar zu schlagen, und
auf die Stirn traten dem armen Kranken dicke
Tropfen. Frau Otto stand seitwärts ; auch ihr
war der Muth entschwunden, denn sie fürchtete
nicht sowohl für die Freiheit ihres Mannes, als
namentlich für die Wirkung, welche das bevor
stehende Verhör und dessen Folgen auf seine
Gesundheit haben würden. Der große schon
grau melirte Schnurrbart des Gendarmen ließ
diesen der geängstigten Frau als einen wahren
Eisenfresser erscheinen, aber im Gesicht des
Mannes spiegelte sich neben dem Ernste, der auf
den Zügen lag, doch eine gewisse Gutmüthigkeit
ab. Endlich ergriff der Schreckliche die zitternde
Hand des Kranken, beugte sich über ihn nieder
und flüsterte ihm im Dialekte eines echten
Schwälmers in's Ohr: „Sie waren hessischer
Fahnenjunker, ich war hessischer Wachtmeister,
es lebe die alte hessische Kameradschaft", und
sich dann wieder in die Höhe richtend, fuhr er
mit lauter Stimme fort: „Wir sollen den Forst
hof wegen einiger aufständischen Offiziere ab
suchen, aber ich sehe, Herr Revierförster, Sie
sind krank; erschrickt Sie also mein Auftrag, so
kommen wir in einer Stunde wieder, bis dahin
haben Sie sich erholt, entrinnen kann uns ja
doch Keiner, da wir im Dorfe bleiben." Otto,
der schon bei den ersten Worten dem Gendarmen
hoffnungsfreudig in's Gesicht sah, drückte jetzt
herzlich dessen Hand, und erwiderte mit einem
lächelnden Blick auf seine noch immer bangende
Frau: „Thun Sie, lieber Freund, was Ihnen
Ihre Befehle vorschreiben, untersuchen Sie das
Haus vom Giebel bis in den Keller. Sobald
Sie dann fertig sind, wird meine Frau einen
Morgen-Imbiß zurecht gemacht haben, denn sic
läßt sich's nicht nehmen, gegen Alle Gastfreund-
schafr zu üben, die hier einkehren. Allerdings
werdet Ihr in meinem Hause einigen Herren in
hessischen Uniformen begegnen, aber ich rathe
Euch, die Hände davon zu lassen, weil das
Zimmer, welches sie bewohnen, ihnen auf Aller
höchsten Befehl Seiner Majestät des Königs
eingeräumt wurde."
Diese scherzhafte Bemerkung, die der Gendarm
zunächst gar nicht verstand, gab auch der Revier
försterin Otto die Fassung zurück, so daß sie sich
in aller Ruhe anschickte, ihrerzuverlässigenDorothee
den Auftrag zu geben, den beiden Herren auf
der Wanderung durch das Haus zu leuchten.
Natürlich war im ganzen Forsthofe nichts Ver
dächtiges zu finden, denn selbst die alten Land
grafen hatten den beiden Königlichen Gendarmen
nicht so viel Unruhe bereitet, als einst ihrem
Königlichen Kriegsherrn, obwohl eine Rumpel
kammer als Versteck, immerhin einigen Verdacht
erwecken kann. Als jedoch die strengen Männer
des Gesetzes, mit den besten Wünschen für die
Wiedergenesung des Herrn Revierförsters, später
von dannen ritten, sah ihnen Dorothee mit schalk
haft strahlenden Blicken nach und rief hände
klatschend: „reitet Ihr nur zum Kukuk, unsere
vier Bauern kriegt Ihr doch nicht mehr, und
ihre Säbel sind im Hessenhag gut aufgehoben!"
Dorr Juan d'Anstria.
Von Karl Herquet.
Zm Hauptquartiere zu Namur im prunkvoll prangenden
Gemach
Ist Spaniens Feldherr Don Zuan noch spät in nächtiger
Stunde wach.
Er schreitet auf und ab im Saal, wo schweigend auf ihn
niederschau'n
Von großer Künstler Hand gemalt viel edle Herrn und
edle Frau'n.
Er schreitet auf und ab im Saal, umdüstert und gedanken
schwer
Zst seine hohe Heldenstirn und unstet schweift der Blick umher.