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Ein anderes Verbot richtet sich gegen eine uns
jetzt fremd gewordene, aber noch Anfangs dieses Jahr
hunderts bestehende Einrichtung wider die bei den
Anwerbungen der Soldaten „vorkommenden, un
verantwortlichen Händel und Desordres, indem so
wohl die in unserm Dienste sich engagirte Officires
als denen untergebene und zu Werben ausgeschickte
Soldaten gegen unsere Unterthanen wie auch frembden
zwingen Dienst zu nehmen, in Arrest schleppen .“
Die 1689 angekündigte Bestrafung junger Mann
schaft wegen Entweichen aus dem Dienst könnte auch
heute noch gültig sein.
So ziehen einzelne Lebensbilder eines Jahrhunderts
an unserm Innern vorüber, sagend, daß es vor
Zeiten anders war im Hessenlande, doch nicht besser
— nicht schlechter, denn die Menschen bilden und
formen die Zeiten, und diese Menschen bleiben sich
gleich in ihren Tugenden wie in ihren Fehlern.
K. He—d.
Aus Heimath und Fremde.
„Akademische- Erinnerungen" ist der
Titel einer kürzlich im Verlage von Oskar Ehrhard
in Marburg erschienenen Broschüre, welche das K o r p s -
leben in Gießen und die früheren Verbindungs-
Verhältnisse daselbst zum Gegenstände ihrer Be
sprechung hat. Verfasser der interessanten Schrift ist
der Hofgerichtsrath a. D. Di*, jur. Ernst Klein
in Darmstadt, ein alter Herr der Teutonia in Gießen,
der dort zu Ende der vierziger Jahre studierte und
heute noch mit Leib und Seele an seinem Korps
hängt. Die gegenwärtig in Gießen bestehenden
Korps: Teutonia, Starkenburgia und Hassia können
sämmtlich auf eine rühmliche Vergangenheit von
fünfzig Jahren und darüber zurückblicken: die Teutonia
ist am 1. Juni 1839, die Starkenburgia am
7. August 1840, die Hassia am 9. August 1840
gestiftet. Letzteres Korps, das ursprünglich die Farben
grün-weiß-roth trug, nahm nach seiner Vereinigung
mit der Markomannia im Sommersemester 1843
die Farben schwarz-weiß-roth an. Vom 3. August
1840 bis zum Juli 1843 bestand in Gießen noch
ein viertes Korps, die Rhenania, welches der bekannte
Maler Trautschold durch ein prachtvolles Kneipbild
verherrlicht hat. Von dieser „Rhenania" galt das
Lied:
„Wir sind ja die Brüder vom Rhein,
Wir kommetsiren in Wein," re.
Eine spätere Rhenania, die sich im Wintersemester
1846 aufthat, hatte auch nur kurzen Bestand, und
so ist es denn bei den anderen drei Korps bis jetzt
in Gießen geblieben. Der Hauptwerth der Schrift
besteht in der Schilderung der Entwickelung des
Korpslebens in Gießen, und wenn der Verfasser
seinen „Akademischen Erinnerungen" die Bezeichnung
„kulturhistorische Beiträge und Erörterungen" hinzu
fügt, so kann man ihm das Recht dazu gewiß nicht
absprechen; gewiß werden die aus seiner Zeit stammen
den alten Herrw auch dem zustimmen, was er über
die Art und Weise des Fechtens und Pankens von
Einst und Jetzt, über die Duelle und Schläger
mensuren, sowie über die modernen Gebräuche und
Gewohnheiten der Korps sagt. Daß er mit
Vorliebe sich mit seinem eigenen Korps beschäftigt,
wird man ihm gewiß nicht verargen, um so
weniger, als er in keinerlei Weise den anderen
Korps in Gießen zu nahe tritt und auch deren
Geschichte, so weit es erforderlich ist, mit anerkennens-
werther Unparteilichkeit schildert. Ist doch auch die
Schrift ursprünglich nur als ein Album zum fünfzig
jährigen Jubiläum des Korps Teutonia am 1. Juni
1889 gedruckt, und erst jetzt in Folge vielfacher
Aufforderung durch Erscheinen im Buchhandel weiteren
akademischen und sonstigen Kreisen zugänglich gemacht
worden. Wir können dieselbe allen Freunden des
Korpslebens auf das Beste empfehlen, aber auch
Nicht-Korpsstudenten, wie Burschenschaftern und
Landsmannschaftern, werden wenigstens die beiden
ersten Kapitel, welche von den Verfolgungen der
Studentenverbindungen auf den deutschen Hochschulen
nach den Freiheitskriegen, und über die älteren Ver
bindungs-Verhältnisse auf den deutschen Hochschulen,
handeln, Interesse gewähren. —
Von Gießen nach Marburg ist bloß ein
Sprung. Da wollen denn auch wir uns von der
alma Ludovica zu der alma Philippina wenden
und hier -des alt renommirten Marburger Korps
Teutonia gedenken, das freilich mit der Gießener
Teutonia nur den Namen gemein hat, in näheren
Beziehungen zu dieser aber nicht steht. Gegründet
am 20. Juli 1825 feierte die Marburger Teutonia
zu Ende Juli d. I. ihren 65. Stiftungstag mit
einem feierlichen Kommerse, den ein . alter Herr des
Korps, der Gymnasial-Oberlehrer a. D. G. Th.
Dithmar, s. Z. (vor nunmehr 60 Jahren) zweiter
Chargirter des Korps und gefürchteter Schläger, in
Hexametern besungen hat. Wir werden hierauf, so
wie auf die Geschichte dieses Korps, das sich in
Marburg von jeher einer ganz besonderen Popularität
erfreute, in unserer nächsten Nummer zurückkommen.
A. Z.
Das treffliche vaterländische Volksbühnenspiel
unseres hessischen Dichters Franz Treller „Philipp
der Großmüthige", welches in der vorigen
Nummer unserer Zeitschrift eingehender besprochen
worden ist, gelangt am 10. November in Kassel zur
Aufführung. Es sind alle Vorbereitungen getroffen,
um dieselbe zu einer nach jeder Richtung hin würdigen
und vorzüglichen zu gestalten. Jedem Hessen wird
es eine Freude sein, den berühmtesten seiner Fürsten,
den schwertgewaltigen Mitkämpfer für die Reformation,
in einer so edlen und dramatisch wirkungsvollen