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factum est“ sagte einst Ludwig XIV., als er
Heidelberg hatte verbrennen lassen, und so war
es auch bei Jeröme. Es entstand namentlich
in dem Waldort Hessenhagen ein hohes Gerüst,
dessen Herstellung selbst einem Architekten alle
Ehre gemacht haben würde. Nachdem dann das
scheu gewordene Wild sich wieder beruhigt, sowie
an die architektonischen Waldzierden gewöhnt
hatte, das närrische Menschenwerk auch kaum
noch beäugte, ging die dienstliche Meldung nach
Kassel: „Jagd eingelappt." Der große Tag
der ersten Königsjagd brach herein und mit ihm
erschienen König und Königin in Begleitung
allerhand welschenden Gefolges. Die Frau
Revierförsterin mußte wohl oder übel Nadarne
ta Landesmutter mit tiefen Knicksen empfangen
und der gute Otto schaute in den ganzen Jagd
pomp hinein, als wünschte er die allerhöchsten,
höchsten und hohen Herrschaften in das Land,
wo unser Herrgott den Pfeffer wachsen läßt.
Die Jagd begann. Die unvergleichlich schönen
hessischen Jagdsignale, die noch heute auf keiner
deutschen Hofjagd übertroffen werden und die
Jeröme noch nicht hatte ausmerzen können,
klangen lustig durch den Forst, und die Reviere
der Söhre sandten ihr Echo zurück auf dem
Rauschen der weithin sich ausdehnenden Wälder.
Aber so sehr auch Otto belobt wurde, so sehr
König und Königin sich „amüsirten", namentlich
auch der erstere über das schließliche Ergebniß
der Jagd erfreut war, der Revierförster blieb
einsilbig und ernst; er dachte im Schatten seiner
herrlichen Buchen- und Eichenbestände an nichts,
als an das Pfefferland, und nur der eine
Zwischenfall konnte ihm später bei dem „diner
de cllasse" ein lächeln abringen, als seine
lustige Majestät, angesichts der Landgrafen-Bilder
im Speisesaale mit einer nichts weniger als
lustigen Miene sich an den gegenübersitzenden
Capitaine des chasses mit den Worten wendete:
„quel manque de tact, les portraits me genent,
qu’on les eloigne“, was in dem verdeutschten
Befehle dem Ohr Otto's den Eindruck machte,
als hätte Ihren Majestäten, in Gesellschaft jener
alten hessischen Landgrafen, die Mahlzeit lange
nicht so gut gemundet, als draußen den Treibern
das trockene Brötchen der Kasseler Hofbäckerei,
welches ihnen als Königlicher Treiberlohn ver
abreicht worden war, während sie einen hessischen
Kornschnaps auf eigene Kosten dazu „pfeifen"
durften.
Bald trat jedoch in der Jagdliebhaberei
Jerümes eine Aenderung ein; er kam nicht mehr
nach Wellerode. Entweder hielten ihn die um
gehenden Geister der in eine Rumpelkammer ver
bannten hessischen Landgrafenbilder von dort
zurück, oder seine Abneigung hing mit jenem
Geständniß zusammen, welches er seinem kaiser
lichen Bruder in dem bekannten Berichte vom
19. März 1809 machte, daß nämlich „der Geist
der Hessen ein schlechter sei." Als ob die Hessen
den Herren Franzosen auch noch Geist und Herz
dafür entgegen tragen sollten, daß man ihnen
das Fell über die Ohren zog! Dagegen wurde
der Welleröder Forsthof nun einer der verborgenen
Mittelpunkte, von denen aus jener Aufstand vor
bereitet wurde, welcher der französischen Fremd
herrschaft ein Ende machen sollte. Der Plan
dieses Aufstandes umfaßte nicht Hessen allein,
vielmehr war das Heffenland nur ein Glied in
der durch ganz Norddeutschland vorbereiteten Er
hebung gegen Frankreich, welche Oesterreich, durch
gleichzeitiges Losschlagen, zu unterstützen zugesagt
hatte. Doch, wie immer, zögerte Oesterreich auch
dieses Mal, und nicht mit Unrecht wurde ihm
daher der Vorwurf der Mitschuld an dein Fehl
schlagen der geplanten großen Erhebung gemacht.
Der Speisesaäl, aus welchem Jeröme die Bilder
hessicher Fürsten hatte entfernen lassen, faßte jetzt
mehrmals in seinen Räumen hessische Männer,
Kameraden und treue Freunde Otto's, welche
hier Proklamationen schrieben, die alsdann vdn
Welleröder Bauern in den benachbarten Dörfern
verbreitet wurden. Es ist ein ebenso schlechtes
Zeugniß für Jeröme's Polizei, als es ein er
hebendes Zeugniß bleibt für die Verschwiegenheit
der hessischen Bauern, daß dieser, von langer
Hand vorbereitete Aufstand den französischen
Polizisten bis zum letzten Augenblicke fremd
blieb. Denn bekanntlich wurden erst Gegenmaß
regeln ergriffen, als von Dörnberg bereits
Kassel verlassen hatte, um sich an die Spitze der
Bewegung zu stellen, was Ludwig Mohr in
seiner Erzählung „Roth-Weiß" vortrefflich ge
schildert hat.
Otto selbst lag während dieser Thätigkeit seiner
Freunde in einem Zimmer gegenüber dem Speise-
saal krank darnieder. Doch weder ihm noch
seiner entschlossenen Frau bangte um die Vor
gänge im Forsthofe, so siegesgewiß machten die
Wünsche und Hoffnungen, welche Aller Herzen
erfüllten.
Doch in den Sternen war es leider anders
beschlossen.
(Schluß folgt.)